Vorlesung: Philosophie und Poesie der Postmoderne (WS 2014/15)
Professor Dr. Albert Meier

Michel Foucault: Les mots et les choses / Gilles Deleuze – Felix Guattari: Rhizom

Michel Foucault

In seiner berühmt gewordenen Antrittsvorlesung am Collège de France L’ordre du discours (1970: ›Die Ordnung des Diskurses‹) hat Foucault den für sein theoretisches Werk zentralen Begriff ›discours‹ (›Diskurs‹), den er als »eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören« definiert, zur zentralen Beschreibungskategorie in historischen Analysen erklärt. Für Foucault als ›Humanwissenschaftler‹ ist Geschichte eine – nicht stetig, sondern sprunghaft verlaufende – Abfolge von Denksystemen (= bestimmten Diskursformen), die sich jeweils durch spezifische Verbote und Ausschließungsmechanismen definieren.

Unter einem Ausschließungsmechanismus versteht Foucault die Ablehnung alternativer Denkweisen (Vernunft als Diskurs schließt z. B. Wahnsinn aus). Eine objektive Ordnung der Welt ist für Foucault daher nicht denkbar, da die von Verboten und Ausschließungsmechanismen geprägten Diskurse immer eine künstlich geschaffene ›Ordnung der Dinge‹ konstruieren. Dieser Gedanke findet sich auch in der großen Abhandlung Les mots et les choses (1966; dt. unter dem Titel Die Ordnung der Dinge (1971); wörtliche Übersetzung: ›Die Wörter und die Dinge‹), in der Foucault die Neuzeit in drei zeitlich aufeinanderfolgende Epochen ordnet (Renaissance – Klassik – Moderne).

Jede dieser Epochen bringt als Summe ihrer Diskurse ein übergeordnetes Regelsystem (= ›Epistem‹) hervor. Für das Denksystem der Renaissance benennt Foucault die ›Analogie‹ als übergeordnetes Ordnungsprinzip, das in der rationalen französischen Klassik durch die Ordnungskategorie der ›Repräsentation‹ ersetzt wird (vgl. z. B. Diego Vélazquez’ Gemälde Las Meninas, in dem die Wirklichkeit ›abgespiegelt‹ gezeigt wird und zugleich das ›Abbilden‹ selbst Thema ist). In der Moderne löst schließlich das humanwissenschaftliche ›Prinzip des Menschen‹ die ›Repräsentation‹ als Epistem ab.

Gilles Deleuze / Félix Guattari: ›Rhizom‹

Der botanische Begriff ›Rhizom‹ bezeichnet eine Wurzelform, die sich durch ein weit verzweigtes Geflecht unter der Erde horizontal ausbreitet (über rhizomatische Wurzeln verfügen z. B. Pilze). Daneben gibt es noch die ›Pfahlwurzel‹, die aus einer einzigen vertikalen Hauptwurzel besteht, und das stark verzweigte ›Wurzelbüschel‹. Diese beiden Wurzelformen laufen jedoch – anders als beim Rhizom – zentral in einer einzigen Pflanze zusammen.

Gilles Deleuzes und Félix Guattari übertragen diese Begriffe der Wurzel-Klassifikation im Vorwort von Milles Plateaux (1980) / Tausend Plateaus metaphorisch auf die Literatur. Bücher, die wie eine Pfahlwurzel geschrieben sind, sind hierarchisch-logisch aufgebaut und damit wie die Pfahlwurzel vertikal geordnet. Ein nach dem Prinzip des Wurzelbüschel gegliedertes Buch ist weniger zentral organisiert, aber dennoch auf ein vertikales Zentrum zulaufend (z. B. James Joyce: Ulysses, 1922; Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz, 1929). Diese Buchtypen bzw. Denkweisen haben jedoch durch ihre vertikale Hierarchie eine einschränkende Wirkung auf das Denken und können die Komplexität der Gegenwart nicht mehr erfassen, so dass Deleuze/Guattari eine rhizomatische Denkstruktur propagieren, die nicht-hierarchisch, sondern rein horizontal angeordnet ist. Statt einer logischen Ordnung ist das freie Verknüpfen vieler verschiedener Punkte charakteristisch (Prinzip der ›Konnexion‹ und ›Heterogenität ⇒ ein Beispiel für dieses Strukturprinzip ist das Internet).

Da auch das menschliche Gehirn rhizomatisch aufgebaut sei, schlussfolgern Deleuze/Guattari, dass hierarchisches Denken nach dem Prinzip der Pfahlwurzel und dem Wurzelbüschel nicht naturgegeben, sondern immer erlernt sei. Freiheit kann damit nur durch rhizomatisches Denken, d. h. durch die Dekonstruktion von künstlichen Macht- und Ordnungsprinzipien erreicht werden.

Foucault, Michel: Archäologie des Wissens. Übersetzt von Ulrich Köppen. Frankfurt/Main 1981 (stw 356), S. 156.

Michel Foucault: La torture, c’est la raison (1977)

»En allemand, Vernunft a une signification plus large que «raison» en français. Le concept allemand de raison a une dimension éthique. En français, on lui donne une dimension instrumentale, technologique. En français, la torture, c’est la raison. Mais je comprends fort bien qu’en allemand la torture ne peut pas être la raison.«

[Foucault, Michel: La torture, c’est la raison. In: Foucault, Michel: Dits et Ecrits. Tome III: 1976-1979. Èdition établie sous la direction de Daniel Defert et François Ewald avec la collaboration de Jacques Lagrange. Paris 1994, S. 390-398, hier S. 395.]


»Vernunft im Deutschen hat eine breitere Bedeutung als raison im Französischen. Der deutsche Begriff Vernunft hat eine ethische Dimension. Im Französischen ist die instrumentelle Vernunft gemeint, eine technologische Vernunft. Für uns im Französischen, die Folter, das ist die Vernunft. Aber ich verstehe sehr gut, daß im Deutschen die Folter nicht Vernunft sein kann.«

[»Die Folter, das ist die Vernunft.« Ein Gespräch Knut Boesers mit Michel Foucault, in: Nicolas Born/Jürgen Manthey (Hg.): Literaturmagazin 8. Die Sprache des Großen Bruders. Gibt es ein ost-westliches Kartell der Unterdrückung?, Reinbek 1977, S. 60-68, hier S. 65.]


»Im Deutschen hat ›Vernunft‹ eine andere Bedeutung als ›raison‹ im Französischen. Der deutsche Vernunftbegriff hat eine ethische Dimension, der französische dagegen eine instrumentelle, technische. Im Französischen ist Folter Vernuft. Aber ich verstehe sehr wohl, das im Deutschen Folter nicht Vernunft sein kann.«

[Foucault, Michel: Folter ist Vernunft, in: Foucault, Michel: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits, Band III: 1976-1979. Herausgegeben von Daniel Defert, François Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Hans- Dieter Gondek, Hermann Kocyba und Jürgen Schröder. Frankfurt am Main 2003, S. 505-514, hier S. 511.]


Michel Foucault: L’ordre du discours (1970) / Die Ordnung des Diskurses

»Wir müssen uns nicht einbilden, daß uns die Welt ein lesbares Gesicht zuwendet, welches wir nur zu entziffern haben. Die Welt ist kein Komplize unserer Erkenntnis. Es gibt keine prädiskursive Vorsehung, welche uns die Welt geneigt macht.«

[Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Aus dem Französischen von Walter Seitter. Mit einem Essay von Ralf Konersmann. Frankfurt/Main 1991 (Fischer Wissenschaft), S. 7-49, S. 34.]


»[…] ne pas s’imaginer que le monde tourne vers nous un visage lisible que nous n’aurions plus qu’à déchiffrer; il n’est pas complice de notre connaissance; il n’y a pas de providence prédiscursive qui le dispose en notre faveur.«

[Foucault, Michel: L’ordre du discours. Leçon inaugurale au Collège de France prononcée le 2 décembre 1970. [Paris] 1971, S. 55.]


»Man muß den Diskurs als eine Gewalt begreifen, die wir den Dingen antun; jedenfalls als eine Praxis, die wir ihnen aufzwingen.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 34f.]


»Il faut concevoir le discours comme une violence que nous faisons aux choses, en tous cas comme une pratique que nous leur imposons […].«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 55.]


»Der Diskurs mag dem Anschein nach fast ein Nichts sein – die Verbote, die ihn treffen, offenbaren nur allzubald seine Verbindung mit dem Begehren und der Macht.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 11.]


»Le discours, en apparence, a beau être bien peu de chose, les interdits qui le frappent révèlent très tôt, très vite, son lien avec le désir et avec le pouvoir.«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 12.]


»In einer Gesellschaft wie der unseren kennt man sehr wohl Prozeduren der Ausschließung. Die sichtbarste und vertrauteste ist das Verbot

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 11.]


»Dans une société comme la nôtre, on connaît, bien sûr, les procédures d’exclusion. La plus évidente, la plus familière aussi, c’est l’interdit.«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 11.]


»Es gibt in unserer Gesellschaft noch ein anderes Prinzip der Ausschließung: kein Verbot, sondern eine Grenzziehung und eine Verwerfung. Ich denke an die Entgegensetzung von Vernunft und Wahnsinn.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 11f.]


»Il existe dans notre société un autre principe d’exclusion : non plus un interdit, mais un partage et un rejet. Je pense à l’opposition raison et folie.«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 12.]


»Vielleicht ist es gewagt, den Gegensatz zwischen dem Wahren und dem Falschen als ein drittes Ausschließungssystem zu betrachten neben den beiden, von denen ich eben sprach.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 13.]


»Il est peut-être hasardeux de considérer l’opposition du vrai et du faux comme un troisième système d’exclusion […].«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 15.]


»Gewiß, auf der Ebene eines Urteils innerhalb eines Diskurses ist die Grenzziehung zwischen dem Wahren und dem Falschen weder willkürlich noch veränderbar, weder institutionell noch gewaltsam. Begibt man sich aber auf eine andere Ebene, stellt man die Frage nach jenem Willen zur Wahrheit, der seit Jahrhunderten unsere Diskurse durchdringt, oder fragt man allgemeiner, welche Grenzziehung unseren Willen zum Wissen bestimmt, so wird man vielleicht ein Ausschließungssystem (ein historisches, veränderbares, institutionell zwingendes System) sich abzeichnen sehen.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 13f.]


»Certes, si on se place au niveau d’une proposition, à l’intérieur d’un discours, le partage entre le vrai et le faux n’est ni arbitraire, ni modifiable, ni institutionnel, ni violent. Mais si on se place à une autre échelle, si on pose la question de savoir quelle a été, quelle est constamment, à travers nos discours, cette volonté de vérité qui a traversé tant de siècles de notre histoire, ou quel est, dans sa forme très générale, le type de partage qui régit notre volonté de savoir, alors c’est peut-être quelque chose comme un système d’exclusion (système historique, modifiable, institutionnellement contraignant) qu’on voit se dessiner.«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 16.]


»Schließlich glaube ich, daß dieser auf einer institutionellen Basis und Verteilung beruhende Wille zur Wahrheit in unserer Gesellschaft dazu tendiert, auf die anderen Diskurse Druck und Zwang auszuüben.«

[Foucault: Die Ordnung des Diskurses (Anm. 5), S. 16.]


»Enfin je crois que cette volonté de vérité ainsi appuyée sur un support et une distribution institutionnelle, tend à exercer sur les autres discours – je parle toujours de notre société – une sorte de pression et comme un pouvoir de contrainte.«

[Foucault: L’ordre du discours (Anm. 6), S. 20.]


Michel Foucault: Les mots et les choses (1966); Die Ordnung der Dinge (1971)

»[…] les animaux se divisent en : a) appartenant à l’Empereur, b) embaumés, c) apprivoisés, d) cochons de lait, e) sirènes, f) fabuleux, g) chiens en liberté, h) inclus dans la présente classification, i) qui s’agitent comme des fous, j) innombrables, k) dessinés avec un pinceau très fin en poils de chameau, l) et cætera, m) qui viennent de casser la cruche, n) qui de loin semblent des mouches.«

[Foucault, Michel: Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. [Paris] 1966 (Bibliothèque des Sciences Humaines), S. 7.]


»[…] daß die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen.«

[Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Aus dem Französischen von Ulrich Köppen. Frankfurt/Main 1974 (stw 96), S. 17.]


»Was aber, wenn empirisches Wissen zu einer gegebenen Zeit und innerhalb einer gegebenen Kultur wirklich eine wohldefinierte Regelmäßigkeit besäße? […] Wenn Irrtümer (und Wahrheiten), die Anwendung alter Überzeugungen, einschließlich nicht nur wirklicher Enthüllungen, sondern auch der simpelsten Begriffe in einem gegebenen Augenblick den Gesetzen eines bestimmten Wissenscode gehorchten? Kurz, wenn die Geschichte des nichtformalen Wissens selbst ein System hätte?«

[Foucault: Die Ordnung der Dinge (Anm. 22), S. 9f.]


»Darüber hinaus sah ich zwischen diesen verschiedenen Gebilden ein Netz von Analogien deutlich werden, das die traditionellen Nachbarschaften überschritt: in den Wissenschaften der Klassik findet man zwischen der Klassifikation der Pflanzen und der Geldtheorie, zwischen dem Begriff des gattungsmäßigen Merkmals und der Analyse des Handels Isomorpheme, die die außerordentliche Vielfalt der in Betracht gestellten Objekte zu ignorieren scheinen.«

[Foucault: Die Ordnung der Dinge (Anm. 22), S. 11.]


»Étrangement, l’homme – dont la connaissance passe à des yeux naïfs pour la plus vieille recherche depuis Socrate – n’est sans doute rien de plus qu’une certaine déchirure dans l’ordre des choses, une configuration, en tout cas, dessinée par la disposition nouvelle qu’il a prise récemment dans le savoir.«

[Foucault: Les mots et les choses (Anm. 21), S. 15.]


»Seltsamerweise ist der Mensch, dessen Erkenntnis in naiven Augen als die älteste Frage seit Sokrates gilt, wahrscheinlich nichts anderes als ein bestimmter Riß in der Ordnung der Dinge, eine Konfiguration auf jeden Fall, die durch die neue Disposition gezeichnet wird, die sie unlängst in der Gelehrsamkeit angenommen hat.«

[Foucault: Die Ordnung der Dinge (Anm. 22), S. 26.]


»Réconfort cependant, et profond apaisement de penser que l’homme n’est qu’une invention récente, une figure qui n’a pas deux siècles, un simple pli dans notre savoir, et qu’il disparaîtra dès que celui-ci aura trouvé une forme nouvelle.«

[Foucault: Les mots et les choses (Anm. 21), S. 15.]


»Indessen gibt es eine Stärkung und tiefe Beruhigung, wenn man bedenkt, daß der Mensch lediglich eine junge Erfindung ist, eine Gestalt, die noch nicht zwei Jahrhunderte zählt, eine einfache Falte in unserem Wissen, und daß er verschwinden wird, sobald unser Wissen eine neue Form gefunden haben wird.«

[Foucault: Die Ordnung der Dinge (Anm. 22), S. 26f.]


»Si ces dispositions venaient à disparaître comme elles sont apparues, si par quelque événement dont nous pouvons tout au plus pressentir la possibilité, mais dont nous ne connaissons pour l’instant encore ni la forme ni la promesse, elles basculaient, comme le fit au tournant du XVIIIe siècle le sol de la pensée classique, – alors on peut bien parier que l’homme s’effacerait, comme à la
limite de la mer un visage de sable.«

[Foucault: Les mots et les choses (Anm. 21), S. 398.]


»Wenn diese Dispositionen verschwänden, so wie sie erschienen sind, wenn durch irgendein Ereignis, dessen Möglichkeit wir höchstens vorausahnen können, aber dessen Form oder Verheißung wir im Augenblick noch nicht kennen, diese Dispositionen ins Wanken gerieten, wie an der Grenze des achtzehnten Jahrhunderts die Grundlage des klassischen Denkens es tat, dann kann man sehr wohl wetten, daß der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.«

[Foucault: Die Ordnung der Dinge (Anm. 22), S. 462.]


Michel Foucault: L’archéologie du savoir (1969); Archäologie des Wissens (1981)

»Il y a d’abord à accomplir un travail négatif : s’affranchir de tout un jeu de notions qui diversifient, chacune è leur manière, le thème de la continuité.«

[Foucault, Michel: L’archéologie du savoir. Paris 1969, S. 31.]


»Zunächst ist eine negative Arbeit zu leisten: sich von einem ganzen Komplex von Begriffen zu lösen, von denen jeder auf seine Weise in das Thema der Kontinuität Abwechslung bringt.«

[Foucault: Archäologie des Wissens (Anm. 1), S. 33.]


»ensemble des énoncés qui relèvent d’un même système de formation«

[Foucault: L’archéologie du savoir (Anm. 31), S. 141.]


»eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören«

[Foucault: Archäologie des Wissens (Anm. 1), S. 156.]


»Un savoir, c’est ce dont on peut parler dans une pratique discursive qui se trouve par là spécifiée […].«

[Foucault: L’archéologie du savoir (Anm. 31), S. 238.]


»Ein Wissen ist das, wovon man in einer diskursiven Praxis sprechen kann, die dadurch spezifiziert wird […].«

[Foucault: Archäologie des Wissens (Anm. 1), S. 259.]


Deleuze, Gilles / Guattari, Félix: Mille Plateaux. Capitalisme et schizophrénie (1980); Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie

»(Kleist et Kafka contre Goethe)«

[Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Mille Plateaux. Capitalisme et schizophrénie 2. Paris 1980, S. 36.]


»(Kleist und Kafka gegen Goethe)«

[Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Aus dem Französischen übersetzt von Gabriele Ricke und Ronald Voullié. Berlin 1997, S. 40.]


»Un premier type de livre, c’est le livre-racine. L’arbre est déjà l’image du monde, ou bien la racine est l’image de l’arbre-monde. C’est le livre classique, comme belle intériorité organique, signifiante et subjective (les strates du livre). Le livre imite le monde, comme l’art, la nature : par des procédés qui lui sont propres, et qui mènent à bien ce que la nature ne peut pas ou ne peut plus faire. La loi du livre, c’est celle de la réflexion, le Un qui devient deux.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 11.]


»Ein erster Buchtyp ist das Wurzel-Buch. Der Baum ist bereits das Bild der Welt, oder vielmehr, die Wurzel ist das Bild des Welt-Baums. Es ist das klassische Buch als schöne Innerlichkeit, organisch, signifikant und subjektiv (die Schichten des Buches). Das Buch ahmt die Welt nach wie die Kunst die Natur: mit seinen eigenen Vefahrensweisen, die das zu einem guten Ende führen, was die Natur nicht oder nicht mehr vollenden kann. Das Gesetz des Buches ist das Gesetz der Reflexion: das Eine, das zwei wird.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 14.]


»Le système-radicelle, ou racine fasciculée, est la seconde figure du livre, dont notre modernité se réclame volontiers. Cette fois, la racine principale a avorté, ou se détruit vers son extrémité ; vient se greffer sur elle une multiplicité immédiate et quelconque de racines secondaires qui prennent un grand développement. Cette fois, la réalité naturelle apparaît dans l’avortement de la racine principale, mais son unité n’en subsiste pas moins comme passée ou à venir, comme possible. Et on doit se demander si la réalité spirituelle et réfléchie ne compense pas cet état de choses en manifestant à son tour l’exigence d’une unité secrète encore plus compréhensive, ou d’une totalité plus extensive.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 12.]


»Das Nebenwurzel-System oder das Wurzelbüschel ist die zweite Gestalt des Buches, auf die unsere Moderne sich gern beruft. In diesem Fall ist die Hauptwurzel verkümmert, ihr Ende ist abgestorben; und schon beginnt das wilde Wuchern einer Mannigfaltigkeit von Nebenwurzeln. Hier kommt die natürliche Realität in der Verkümmerung der Hauptwurzel zum Vorschein, aber dennoch bleibt ihre Einheit als als vergangene, künftige oder zumindest mögliche bestehen. Und man muß sich fragen, ob die geistige und reflektierte Realität diese Tatsache nicht dadurch kompensiert, daß sie ihrerseits auf einer verborgenen, aber noch umfassenderen Einheit, einer noch extensiveren Totalität beharrt.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 15.]


»Le monde est devenu chaos, mais le livre reste image du monde, chaosmos-radicelle, au lieu de cosmos-racine. Etrange mystification, celle du livre d’autant plus total que fragmenté. Le livre comme image du monde, de toute façon quelle idée fade.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 12f.]


»Die Welt ist zwar ein Chaos geworden, doch das Buch bleibt Bild der Welt, Nebenwurzel-Chaosmos statt Wurzel-Kosmos. Eine seltsame Mystifikation: das Buch wird immer umfassender, je fragmentarischer es ist. Das Buch als Bild der Welt ist jedenfalls völlig langweilig.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 15f.]


»[…] il ne suffit pas de dire Vive le multiple, bien que ce cri soit difficile à pousser. Aucune habileté typographique, lexicale ou même syntaxique ne suffira à le faire entendre. Le multiple, il faut le faire, non pas en ajoutant toujours une dimension supérieure, mais au contraire le plus simplement, à force de sobriété, au niveau des dimensions dont on dispose, toujours n-1 (c’est seulement ainsi que l’un fait partie du multiple, en étant toujours soustrait).«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 13.]


»Es genügt aber nicht zu rufen Es lebe das Mannigfaltige!, so schwer dieser Ausruf auch fallen mag. Keine typographische, lexikalische oder syntaktische Geschicklichkeit kann ihm Gehör verschaffen. Das Mannigfaltige muß gemacht werden, aber nicht dadurch, daß man immer wieder eine höhere Dimension hinzufügt, sondern vielmehr schlicht und einfach in allen Dimensionen, über die man verfügt, immer n-1 (das Eine ist nur dann ein Teil des Mannigfaltigen, wenn es davon abgezogen wird).«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 16.]


»Les bulbes, les tubercules sont des rhizomes. Des plantes à racine ou radicelle peuvent être rhizomorphes à de tout autres égards : c’est une question de savoir si la botanique, dans sa specifité, n’est pas tout entière rhizomorphique. Des animaux même le sont, sous leur forme de meute, les rats sont des rhizomes. Les terriers le sont, sous toutes leurs fonctions d’habitat, de provision, de déplacement, d’esquive et de rupture.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 13.]


»Zwiebel- und Knollengewächse sind Rhizome. Pflanzen mit großen und kleinen Wurzeln können in ganz anderer Hinsicht rhizomorph sein, und man könnte sich fragen, ob das Spezifische der Botanik nicht gerade das Rhizomorphe ist. Sogar Tiere sind es, wenn sie eine Meute bilden, wie etwa Ratten. Auch der Bau der Tiere ist in all seinen Funktionen rhizomorph: als Wohnung, Vorratslager, Bewegungsraum, Versteck und Ausgangspunkt.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 16.]


»Nous sentons bien que nous ne convaincrons personne si nous n’énumérons pas certains caractères approximatifs du rhizome.
1° et 2° Principes de connexion et d’hétérogénéité : n’importe quel point d’un rhizome peut être connecté avec n’importe quel autre, et doit l’être. C’est très différent de l’arbre ou de la racine qui fixent un point, un ordre.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 13.]


»Uns ist schon klar, daß wir niemanden überzeugen können, wenn wir nicht wenigstens einige ungefähre Merkmale des Rhizoms aufzählen.
1. und 2. Das Prinzip der Konnexion und der Heterogenität. Jeder Punkt eines Rhizoms kann (und muß) mit jedem anderen verbunden werden. Das ist ganz anders als beim Baum oder bei der Wurzel, bei denen ein Punkt, eine Ordnung, festgelegt ist.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 16.]


»Il n’y a pas de points ou de positions dans un rhizome, comme on en trouve dans une structure, un arbre, une racine. Il n’y a que des lignes. Quand Glenn Gould accélère l’exécution d’un morceau, il n’agit pas seulement en virtuose, il transforme les points musicaux en ligne, il fait proliférer l’ensemble.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 15.]


»Anders als bei einer Struktur, einem Baum oder einer Wurzel gibt es in einem Rhizom keine Punkte oder Positionen. Es gibt nur Linien. Wenn Glenn Gould die Tempi eines Stückes schneller spielt, ist das nicht nur virtuos; er verwandelt dabei die musikalischen Punkte in Linien, er läßt das Ganze wuchern.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 18.]


»L’idéal d’un livre serait d’étaler toute chose sur un tel plan d’extériorité, sur une seule page, sur une même plage : événements vécus, déterminations historiques, concepts pensés, individus, groupes et formations sociales. Kleist inventa une écriture de ce type, un enchaînement brisé d’affects, toujours en relation avec le dehors. Anneaux ouverts. Aussi ses textes s’opposent-ils à tous égards au livre classique et romantique, constitué par l’intériorité d’une substance ou d’un sujet. Le livre-machine de guerre, contre le livre-appareil d’Etat. Les multiplicités plates à n dimensions sont asignifiantes et asubjectives. Elles sont désignées par des articles indéfinis, ou plutôt partitifs (c’est du chiendent, du rhizome…).«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 16.]


»Ideal für ein Buch wäre, alles auf einer solchen Ebene der Äußerlichkeit, auf einer einzigen Seite, auf ein und derselben Fläche auszubreiten: […] Individuen, gesellschaftliche Gruppen und Konstellationen. Kleist hat eine Schreibweise dieser Art erfunden, ein von Affekten durchbrochenes Gefüge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Überstürzungen und Transformationen, immer in Beziehung zum Außen. Offene Ringe. Seine Texte stehen daher in jeder Hinsicht im Gegensatz zum klassischen und romantischen Buch, das auf der Innerlichkeit einer Substanz oder eines Subjekts beruht. Das Buch als Kriegsmaschine gegen das Buch als Staatsapparat. Flache Mannigfaltigkeiten mit n Dimensionen sind asignifikant und asubjektiv. Sie werden mit unbestimmten Artikeln, oder besser gesagt, mit Teilungsartikeln benannt (etwas Quecke, etwas Rhizom…).«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 19.]


»C’est la même chose pour le livre et le monde : le livre n’est pas image du monde, suivant une croyance enracinée. Il fait rhizome avec le monde, il y a évolution aparallèle du livre et du monde, le livre assure la déterritorialisation du monde, mais le monde opère une reterritorialisation du livre, qui se déterritorialise à son tour en lui-même dans le monde (s’il en est capable et s’il le peut).«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 18.]


»Das gleiche gilt für das Buch und die Welt: ein Buch ist, entgegen einem fest verwurzelten Glauben, kein Bild der Welt. Es bildet mit der Welt ein Rhizom. Es gibt eine aparallele Evolution von Buch und Welt, wobei das Buch die Deterritorialisierung der Welt sichert, die Welt aber eine Reterritorialisierung des Buches bewirkt, das sich seinerseits selber in der Welt deterritorialisiert (wenn es dazu in der Lage ist).«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 22.]


»Nous sommes fatigués de l’arbre. Nous ne devons plus croire aux arbres, aux racines ni aux radicelles, nous en avons trop souffert. Toute la culture arborescente est fondée sur eux, de la biologie à la linguistique. Au contraire, rien n’est beau, rien n’est amoureux, rien n’est politique, sauf les tiges souterraines et les racines aériennes. Amsterdam, ville pas du tout enracinée, ville-rhizome avec ses canaux-tiges, où l’utilité se connecte à la plus grande folie, dans son rapport avec une machine de guerre commerciale.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 24.]


»Wir sind des Baumes überdrüssig geworden. Wir dürfen nicht mehr an Bäume, an große und kleine Wurzeln glauben, wir haben zu sehr darunter gelitten. Die ganze baumförmige Kultur beruht auf ihnen, von der Biologie bis hin zur Linguistik. Schön, politisch und liebesvoll sind nur unterirdische Stränge und Luftwurzeln, der Wildwuchs und das Rhizom. Amsterdam, eine Stadt ganz ohne Wurzeln, eine Rhizom-Stadt mit Kanal-Strängen, in der sich Nützlichkeit und äußerster Wahnsinn zu einer Handelskriegsmaschine verbinden.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 27.]


»La pensée n’est pas arborescente, et le cerveau n’est pas une matière enracinée ni ramifiée. Ce qu’on appelle à tort ‹ dendrites › n’assurent pas une connexion des neurones dans un tissu continu. La discontinuité des cellules, le rôle des axones, le fonctionnement des synapses, l’existence de micro-fentes synaptiques, le saut de chaque message par-dessus ces fentes, font du cerveau une multiplicité qui bagne, dans son plan de consistance ou dans sa glie, tout un système probabiliste incertain, uncertain nervous system

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 24.]


»Das Denken ist nicht baumförmig, und das Gehirn ist weder eine verwurzelte noch eine verzweigte Materie. Die zu Unrecht so genannten ›Dendriten‹ stellen keine Verbindung von Neuronen in einem zusammenhängenden Gewebe her. Die Diskontinuität der Zellen, die Rolle der Axonen. die Funktion der Synapsen, die Existenz synaptischer Mikro-Fissuren, der Sprung jeder Botschaft über diese Fissuren hinweg, machen aus dem Gehirn eine Mannigfaltigkeit, die auf ihrer Konsistenzebene oder ihrer Glia in ein ungewisses System von Wahrscheinlichkeiten eingebettet ist, uncertain nervous system

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 28.]


»Beaucoup de gens ont un arbre planté dans la tête, mais le cerveau lui-même est une herbe beaucoup plus qu’un arbre.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 24.]


»Vielen Menschen ist ein Baum in den Kopf gepflanzt, aber das Gehirn selbst ist eher ein Kraut oder Gras als ein Baum.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 28.]


»L’arbre ou la racine inspirent une triste image de la pensée qui ne cesse d’imiter le multiple à partir d’une unité supérieure, de centre ou de segment.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 25.]


»Der Baum oder die Wurzel rufen ein trauriges Bild des Denkens hervor, das – von einer höheren Einheit, einem Zentrum oder Segment ausgehend – immer wieder das Mannigfaltige imitiert.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 28.]


»C’est curieux, comme l’arbre a dominé la réalité occidentale et toute la pensée occidentale, de la botanique à la biologie, l’anatomie, mais aussi la gnoséologie, la théologie, l’ontologie, toute / la philosophie… : le fondement-racine, Grund, roots et fundations. L’Occident a un rapport privilégié avec la forêt, et avec le déboisement ; les champs conquis sur la forêt sont peuplés de plantes à graines, objets d’une culture de lignées, portant sur l’espèce et de type arborescent ; l’élevage à son tour, déployé sur jachère, sélectionne des lignées qui forment toute une arborescence animale. L’Orient présente une autre figure : le rapport avec la steppe et le jardin […].«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 28f.]


»Es ist merkwürdig, wie der Baum die Wirklichkeit und das gesamte / Denken des Abendlandes beherrscht hat, von der Botanik bis zur Biologie und Anatomie, aber auch die Erkenntnistheorie, die Theologie, die Ontologie, die gesamte Philosophie… der Wurzelgrund, Grund, roots und foundations. Das Abendland hat eine besondere Beziehung zum Wald und zur Rodung: die Felder, die dem Wald abgerungen werden, sind von samentragenden Pflanzen bewachsen, dem Ergebnis einer Abstammungskultur, die baumartig ist und sich auf die Spezies bezieht; die Viehzucht, die sich auf dem Brachland entwickelt, selektiert ebenfalls Abstammungslinien, die eine baumartige Verzweigung von Tieren bilen. Der Orient zeigt ein ganz anderes Muster: eher eine Beziehung zur Steppe und zum Garten […].«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 31f.]


»Résumons les caractères principaux d’un rhizome : à la différence des arbres ou de leurs racines, le rhizome connecte un point quelconque avec un autre point quelconque, et chacun de ses traits ne renvoie pas nécessairement à des traits de même nature, il met en jeu des régimes de signes très différents et même des états de non-signes. Le rhizome ne se laisse ramener ni à l’Un ni au multiple. Il n’est pas l’Un qui devient deux, ni même qui deviendrait directement trois, quatre ou cinq, etc. Il n’est pas un multiple qui dérive de l’Un, ni auquel l’Un s’ajouterait (n + 1). Il n’est pas fait d’unités, mais de dimensions, ou plutôt de directions mouvantes. Il n’a pas de commencement ni de fin, mais toujours un milieu, par lequel il pousse et déborde.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 31.]


»Fassen wir die wesentlichen Merkmale eines Rhizoms zusammen: im Unterschied zu Bäumen oder ihren Wurzeln verbindet das Rhizom / einen beliebigen Punkt mit einem anderen beliebigen Punkt, wobei nicht unbedingt jede seiner Linien auf andere, gleichartige Linien hinweist; es bringt ganz unterschiedliche Zeichenregime und sogar Verhältnisse ohne Zeichen ins Spiel. Das Rhizom läßt sich weder auf das Eine noch auf das Mannigfaltige zurückführen. Es ist nicht das Eine, das zu zwei wird, oder etwa direkt zu drei, vier oder fünf, etc.Es ist kein Mannigfaltiges, das sich aus der Eins herleitet und dem man die Eins hinzuaddieren kann (n+1). Es besteht nicht aus Einheiten, sondern aus Dimensionen, oder vielmehr aus beweglichen Richtungen. Es hat weder Anfang noch Ende, aber immer eine Mitte, von der aus es wächst und sich ausbreitet.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 35f.]


»Contre les systèmes centrés (même polycentrés), à communication hiérarchique et liaisons préétablies, le rhizome est un système acentré, non hiérarchique et non signifiant, sans Général, sans mémoire organisatrice ou automate central, uniquement défini par une circulation d’états. Ce qui est en question dans le rhizome, c’est un rapport avec la sexualité, mais aussi avec l’animal, avec le végétal, avec le monde, avec la politique, avec le livre, avec les choses de la nature et de l’artifice, tout différent du rapport arborescent : toutes sortes de ›devenirs‹.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 32.]


»Anders als zentrierte (auch polyzentrische) Systeme mit hierarchischer Kommunikation und feststehenden Beziehungen, ist das Rhizom ein azentrisches, nicht hierarchisches und asignifikantes System ohne General. Es hat kein organisierendes Gedächtnis und keinen zentralen Automaten und wird einzig und allein durch die Zirkulation von Zuständen definiert. Im Rhizom geht es um eine Beziehung zur Sexualität, aber auch zum Animalischen und Pflanzlichen, zur Welt, zur Politik, zum Buch, zu natürlichen und künstlichen Dingen, die sich völlig von der baumartigen Beziehung unterscheidet: um alle möglichen Arten des ›Werdens‹.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 36f.]


»Nous écrivons ce livre comme un rhizome. Nous l’avons composé de plateaux.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 33.]


»Wir schreiben dieses Buch wie ein Rhizom. Es ist aus Plateaus zusammengesetzt oder komponiert.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 37.]


»Faites rhizome et pas racine, ne plantez jamais ! Ne semez pas, piquez ! Ne soyez pas un ni multiple, soyez des multiplicités ! Faites la ligne et jamais le point ! La vitesse transforme le point en ligne ! Soyez rapides, même sur place ! Ligne de chance, ligne de hanche, ligne de fuite. Ne suscitez pas un Général en vous ! Pas des idées justes, juste une idée (Godard). Ayez des idées courtes. Faites des cartes, et pas des photos ni des dessins. Soyez la Panthère rose, et que vos amours encore soient comme la guêpe et l’orchidée, le chat et le babouin.«

[Deleuze/Guattari: Mille Plateaux (Anm. 37), S. 36.]


»Auf n hin schreiben, n-1, in Slogans schreiben: Bildet Rhizome und keine Wurzeln, pflanzt nichts an! Sät nichts aus, sondern nehmt Ableger! Seid weder eins noch multipel, seid Mannigfaltigkeiten! Zieht Linien, setzt nie einen Punkt! Geschwindigkeit macht den Punkt zur Linie! Seid schnell, auch im Stillstand! Glückslinie, Hüftlinie, Fluchtlinie. Laßt keinen General in euch aufkommen! Ihr braucht keine richtigen Ideen zu haben, nur habt eine Idee (Godard). Habt kurzlebige Ideen. Macht keine Photos oder Zeichnungen, sondern Karten. Seid der rosarote Panther und ihr werdet euch lieben wie Wespe und Orchidee, Katze und Pavian.«

[Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus (Anm. 38), S. 41.]