Vorlesung: Die Literatur des 19. Jahrhunderts (SoSe 2016)
Prof. Dr. Albert Meier

Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche (1844-1900) ist von allen Philosophen des 19. Jahrhunderts derjenige, dessen Denken heute die größte Aktualität für sich beanspruchen kann. Er dementiert die gewohnten christlich-abendländischen Überzeugungen, um ein radikal offenes, selbstkritisches Denken möglich zu machen.

Zentral ist in diesem Zusammenhang die Annahme, dass es keine ›reine‹ Vernunft gibt, weil alles Denken vielmehr von den (nicht zuletzt körperlichen) Umständen abhängt, unter denen es zustande kommt. Insbesondere könne der Mensch immer nur so denken, wie es die Grammatik erlaubt (d. h. in den Kategorien von Subjekt, Prädikat und Objekt). Der Glaube, dass das Verb ›denken‹ das Subjekt ›Ich‹ voraussetze, gilt Nietzsche daher als grammatisch bedingter Trugschluss: »Ein Gedanke kommt, wenn ›er‹ will«.

Wahrheitsbegriff

Demzufolge attackiert Nietzsche auch die etablierte Bevorzugung der Wahrheit gegenüber der Lüge, da alle Wahrheiten interessebedingt seien und keinen Absolutheitsanspruch besäßen. In Reaktion auf seine Einsicht in die eigene Unfreiheit bzw. den illusorischen Charakter von Wahrheit fordert Nietzsche den beständigen Zweifel an vermeintlich gültigen Erkenntnissen.

Weil daher auch seine eigenen Schriften kritisch zu rezipieren sind, formuliert Nietzsche seine Behauptungen und Argumente in rhetorischer Zuspitzung bzw. Übertreibung sowie in bewusster Mehrdeutigkeit und auch Widersprüchlichkeit.

Also sprach Zarathustra

Nietzsches Hauptwerk Also sprach Zarathustra (1883-85) ist ein philosophisches Werk in der poetischen Form eines (allegorischen = unrealistischen bzw. nicht psychologisch konzipierten) Romans, das in romantischer Tradition (Schiller, Friedrich Schlegel, Hegel/Hölderlin/Schlegel) einen neuen, literarischen ›Mythos‹ entwirft.

Figur des ›Übermenschen‹

Ein zentrales Konzept in Also sprach Zarathustra ist das des ›Übermenschen‹, demzufolge die gegenwärtige Menschheit nur ein Zwischenstadium auf dem Weg zu einer höheren Daseinsform sei, die u. a. nicht länger auf die Zwangsgemeinschaft im ›Staat‹ angewiesen wäre. In diesem Interesse widerspricht Nietzsche dem abendländischen Ideal der Gleichheit ebenso wie dem christlichen Postulat der Nächstenliebe, dem er die »Fernstenliebe«, d. h. die Sehnsucht nach dem ›Übermenschen‹, entgegensetzt. Als positive Grundeigenschaft erkennt Nietzsche dabei den ›Willen zur Macht‹.

Lebensbejahung

Also sprach Zarathustra ist als Angriff auf die christliche Entwertung des Irdischen zu verstehen, die in Arthur Schopenhauers indisch inspiriertem Pessimismus, dass alles Leben wesentlich Leiden sei, eine zeitgemäße Aktualisierung erfahren hat. Diesem Pessimismus stellt Nietzsche mit der Idee der ›ewigen Wiederkunft‹ eine bedingungslose Lebensbejahung entgegen.

»Ein Gedanke kommt, wenn ›er‹ will«.

[Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 5: München 1980, S. 9-243, hier S. 31.]

Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Zerbrecht, zerbrecht mir, ihr Erkennenden, die alten Tafeln!«

[Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 4: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. München 1980, S. 251.]


Friedrich Nietzsche an Heinrich Köselitz (Februar 1882):

»[…] unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken. Wann werde ich es ueber meine Finger bringen, einen langen Satz zu drüken!«

[Nietzsche, Friedrich: Brief an Heinrich Köselitz, Ende Februar 1882. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 6: Januar 1880-Dezember 1884. München 1986, S. 172.]


Friedrich Nietzsche: Morgenröthe:

»Zur Beruhigung des Skeptikers. − ›Ich weiss durchaus nicht, was ich thue! Ich weiss durchaus nicht, was ich thun soll!‹ − Du hast Recht, aber zweifle nicht daran: du wirst gethan! in jedem Augenblicke! Die Menschheit hat zu allen Zeiten das Activum und das Passivum verwechselt, es ist ihr ewiger grammatikalischer Schnitzer.«

[Nietzsche, Friedrich: Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 3. München 1980, S. 9-331, hier S. 115.]


»Nie Etwas zurückhalten oder dir verschweigen, was gegen deinen Gedanken gedacht werden kann! Gelobe es dir! Es gehört zur ersten Redlichkeit des Denkens. Du musst jeden Tag auch deinen Feldzug gegen dich selber führen.«

[Nietzsche, Friedrich: Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 3. München 1980, S. 9-331, hier S. 244.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Da entgegnete mir das alte Weiblein: ›Vieles Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche jung genug dazu sind. | Seltsam ist’s, Zarathustra kennt wenig die Weiber, und doch hat er über sie Recht! Geschieht diess deshalb, weil beim Weibe kein Ding unmöglich ist?‹ | Und nun nimmzum Danke eine kleine Wahrheit! Bin ich doch alt genug für sie! | Wickle sie ein und halte ihr den Mund: sonst schreit sie überlaut, diese kleine Wahrheit‹. | ›Gieb mir, Weib, deine kleine Wahrheit!‹ sagte ich. Und also sprach das alte Weiblein: | ›Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!‹ −«

[Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 4: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. München 1980, S. 86.]


Friedrich Nietzsche: Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne:

»Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen.«

[Nietzsche, Friedrich: Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische
Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 1. München 1980, S. 873-890, hier S. 880f.]


Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse:

»Was in uns will eigentlich ›zur Wahrheit‹? […] Gesetzt, wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? Und Ungewissheit? Selbst Unwissenheit?«

[Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 5: München 1980, S. 9-243, hier S. 15.]


»Bei allem Werthe, der dem Wahren, dem Wahrhaftigen, dem Selbstlosen zukommen mag: es wäre möglich, dass dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, dem Eigennutz und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Werth zugeschrieben werden müsste.«

[Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 5: München 1980, S. 9-243, hier S. 16f.]


»[…] ein Gedanke kommt, wenn ›er‹ will, und nicht wenn ›ich‹ will; so dass es eine Fälschung des Thatbestandes ist, zu sagen: das Subjekt ›ich‹ ist die Bedingung des Prädikats ›denke‹.«

[Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 5: München 1980, S. 9-243, hier S. 31f.]


»Grad und Art der Geschlechtlichkeit eines Menschen reicht bis in den letzten Gipfel seines Geistes hinauf.«

[Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 5: München 1980, S. 9-243, hier S. 87.]


Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt:

»Die ›Vernunft‹ in der Sprache: oh was für eine alte betrügerische Weibsperson! Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben.«

[Nietzsche, Friedrich: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 6: München 1980, S. 55-161, hier S. 78.]


Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie:

»Um uns jene beiden Triebe näherzubringen, denken wir sie uns zunächst als die getrennten Kunstwelten des Traumes und des Rausches; zwischen welchen physiologischen Erscheinungen ein entsprechender Gegensatz, wie zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen zu bemerken ist.«

[Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 1. München 1980, S. 9-156, hier S. 26.]


Friedrich Schlegel: Gespräch über die Poesie:

»Es fehlt, behaupte ich, unsrer Poesie an einem Mittelpunkt, wie es die Mythologie für die der Alten war, und alles Wesentliche, worin die moderne Dichtkunst der antiken nachsteht, läßt sich in die Worte zusammenfassen: Wir haben keine Mythologie. Aber setze ich hinzu, wir sind nahe daran eine zu erhalten, oder vielmehr es wird Zeit, daß wir ernsthaft dazu mitwirken sollen, eine hervorzubringen. | Denn auf dem ganz entgegengesetzten Wege wird sie uns kommen, wie die alte ehemalige, überall die erste Blüte der jugendlichen Fantasie, sich unmittelbar anschließend und anbildend an das Nächste, Lebendigste der sinnlichen Welt. Die neue Mythologie muß im Gegenteil aus der tiefsten Tiefe des Geistes herausgebildet werden; es muß das künstlichste aller Kunstwerke sein, denn es soll alle andern umfassen, ein neues Bette und Gefäß für den alten ewigen Urquelle der Poesie und selbst das unendliche Gedicht, welches die Keime aller andern Gedichte verhüllt.«

[Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Zweiter Band. Erste Abteilung: Charakteristiken und Kritiken I (1796-1801). Herausgegeben und eingeleitet von Hans Eichner. München – Paderborn –Wien – Zürich 1967, S. 284-351, hier S. 312.]


Mythologie der Vernunft. Hegels ݊ltestes Systemprogramm des deutschen Idealismus:

»[W]ir müßen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie mus [ein]e Mythologie der Vernunft werden.«

[Mythologie der Vernunft. Hegels ›ältestes Systemprogramm des deutschen Idealismus‹. Herausgegeben von Christoph Jamme und Helmut Schneider. Frankfurt am Main 1984 (stw 413), S. 11-14. ]


Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung:

»[…] wie wesentlich ALLES LEBEN LEIDEN ist.«

[Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung. Erster Band. Vier Bücher nebst einem Anhange, der die Kritik der Kantische Philosophie enthält. In: Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden. Nach den Ausgaben letzter Hand herausgegeben von Ludger Lütkehaus. Band 1. Zürich 1988, S. 405.]


Friedrich Nietzsche: Der Fall Wagner:

»Mein grösstes Erlebnis war eine Genesung. Wagner gehört bloss zu meinen Krankheiten.«

[Nietzsche, Friedrich: Der Fall Wagner. Ein Musikanten-Problem. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 6: München 1980, S. 7-53, hier S. 12.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsre Erbsünde!«

[Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 4: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. München 1980, S. 114.]


»Als Zarathustra aber allein war, sprach er also zu seinem Herzen: ›Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört, dass Gott todt ist!‹«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 14.]


Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft:

»In der That, wir Philosophen und ›freien Geister‹ fühlen uns bei der Nachricht, dass der ›alte Gott todt‹ ist, wie von einer neuen Morgenröthe angestrahlt; unser Herz strömt dabei über von Dankbarkeit, Erstaunen, Ahnung, Erwartung, − endlich erscheint uns der Horizont wieder frei, gesetzt selbst, dass er nicht hell ist, endlich dürfen unsre Schiffe wieder auslaufen, auf jede Gefahr hin auslaufen, jedes Wagniss des Erkennenden ist wieder erlaubt, das Meer, unser Meer liegt wieder offen da, vielleicht gab es noch niemals ein so ›offnes Meer‹.«

[Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft (»la gaya scienza«). In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 3. München 1980, S. 343-651, hier 574.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Und Zarathustra sprach also zum Volke:
Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?
Alle Wesen bisher schufen Etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe dieser grossen Fluth sein und lieber noch zum Thiere zurückgehn, als den Menschen überwinden?
Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 14.]


»›Leib bin ich und Seele‹ — so redet das Kind. Und warum sollte man nicht wie die Kinder reden?
Aber der Erwachte, der Wissende sagt:
Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe.
Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Heerde und ein Hirt.
Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du ›Geist‹ nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner grossen Vernunft.
›Ich‹ sagst du und bist stolz auf diess Wort. Aber das Grössere ist, woran du nicht glauben willst, —dein Leib und seine grosse Vernunft: die sagt nicht Ich, aber thut Ich.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 39.]


»Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ›Ich, der Staat, bin das Volk.‹
Lüge ist’s! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben.
[…]
Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist: da beginnt das Lied des Nothwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise.
Dort, wo der Staat aufhört, – so seht mir doch hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brüken des Übermenschen? –«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 61/63 f.]


Mythologie der Vernunft. Hegels ›ältestes Systemprogramm des deutschen Idealismus‹:

» Wir müßen also auch über den Staat hinaus! – Den[n] jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; u[nd] das soll er nicht; also soll er aufhören.«

[Mythologie der Vernunft. Hegels ›ältestes Systemprogramm des deutschen Idealismus‹. Herausgegeben von Christoph Jamme und Helmut Schneider. Frankfurt am Main 1984 (stw 413), S. 11-14.]


Richard Wagner: Oper und Drama:

»Der Untergang des Staates kann vernünftigerweise nichts anderes heißen, als das sich verwirklichende religiöse Bewußtsein der Gesellschaft von ihrem rein menschlichen Wesen.«

[Wagner, Richard: Oper und Drama. Herausgegeben und kommentiert von Klaus Kropfinger. Stuttgart 1984, S. 208.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Ihr drängt euch um den Nächsten und habt schöne Worte dafür. Aber ich sage euch: eure Nächstenliebe ist eure schlechte Liebe zu euch selber.
Ihr flüchtet zum Nächsten vor euch selber und möchtet euch daraus eine Tugend machen: aber ich durchschaue euer »Selbstloses«.
Das Du ist älter als das Ich; das Du ist heilig gesprochen, aber noch nicht das Ich: so drängt sich der Mensch hin zum Nächsten.
Rathe ich euch zur Nächstenliebe? Lieber noch rathe ich euch zur Nächsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe!
Höher als die Liebe zum Nächsten ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen; höher noch als die Liebe zu Menschen ist die Liebe zu Sachen und Gespenstern.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 77.]


»Denn so redet mir die Gerechtigkeit: ›die Menschen sind nicht gleich‹. Und sie sollen es auch nicht werden! Was wäre denn meine Liebe zum Übermenschen, wenn ich anders spräche?
[…]
In die Höhe will es sich bauen mit Pfeilern und Stufen, das Leben selber: in weite Fernen will es blicken und hinaus nach seligen Schönheiten — darum braucht es Höhe!
Und weil es Höhe braucht, braucht es Stufen und Widerspruch der Stufen und Steigenden! Steigen will das Leben und steigend sich überwinden.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 130.]


» Und diess Geheimniss redete das Leben selber zu mir. ›Siehe, sprach es, ich bin das, was sich immer selber ueberwinden muss.
[…]
›Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern – so lehre ich’s dich – Wille zur Macht!
›Vieles ist dem Lebenden höher geschätzt, als Leben selber; doch aus dem Schätzen selber heraus redet – der Wille zur Macht!«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 148 f.]


»Und das ist der grosse Mittag, da der Mensch auf der Mitte seiner Bahn steht zwischen Thier und Übermensch und seinen Weg zum Abende als seine höchste Hoffnung feiert: denn es ist der Weg zu einem neuen Morgen.
Alsda wird sich der Untergehende selber segnen, dass er ein Hinübergehender sei; und die Sonne seiner Erkenntniss wird ihm im Mittage stehn.
›Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.‹ – diess sei einst am grossen Mittage unser letzter Wille! –
Also sprach Zarathustra.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 102.]


Friedrich Nietzsche: Ecce homo:

»Ich erzähle nunmehr die Geschichte des Zarathustra. Die Grundconception des Werks, der Ewige- Wiederkunfts-Gedanke, diese höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann −, gehört in den August des Jahres 1881: er ist auf ein Blatt hingeworfen, mit der Unterschrift: ›6000 Fuss jenseits von Mensch und Zeit‹. Ich gieng an jenem Tage am See von Silvaplana durch die Wälder; bei einem mächtigen pyramidal aufgethürmten Block unweit Surlei machte ich Halt. Da kam mir dieser Gedanke.«

[Nietzsche, Friedrich: Ecce homo. Wie man wird, was man ist. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 6: München 1980, S. 255-374, hier S. 335.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Allzuklein der Grösste! – Das war mein Überdruss am Menschen! Und ewige Wiederkunft auch des Kleinsten! – Das war mein Überdruss an allem Dasein!
Ach, Ekel! Ekel! Ekel!
[…]
Denn deine Thiere wissen es wohl, oh Zarathustra, wer du bist und werden musst: siehe, du bist der Lehrer der ewigen Wiederkunft –, das ist nun dein Schicksal!
[…]
Siehe, wir wissen, was du lehrst: dass alle Dinge ewig wiederkehren und wir selber mit, und dass wir schon ewige Male dagewesen sind, und alle Dinge mit uns.
Du lehrst, dass es ein grosses Jahr des Werdens gibt, ein Ungeheuer von grossem Jahre: das muss sich, einer Sanduhr gleich, immer wieder von Neuem umdrehn, damit es von Neuem ablaufe und auslaufe: –
– so dass alle diese Jahre sich selber gleich sind, im Grössten und auch im Kleinsten, – so dass wir selber in jedem großen Jahre uns selber gleich sind, im Grössten und auch im Kleinsten.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 274-276.]


Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt:

»Ohne Musik wäre das Leben ein Irrthum.«

[Nietzsche, Friedrich: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt. In: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 6: München 1980, S. 55-161, hier S. 64.]


Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra:

»Lerntet ihr nun mein Lied? Erriethet ihr, was es will? Wohlan! Wohlauf! Ihr höheren Menschen, so singt mir nun meinen Rundgesang!
Singt mir nun selber das Lied, dess Name ist ›Noch ein Mal‹, dess Sinn ist ›in alle Ewigkeit!‹, singt, ihr höheren Menschen, Zarathustra’s Rundgesang!
Oh Mensch! Gieb Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
›Ich schlief, ich schlief –, ›Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
›Die Welt ist tief,
›Und tiefer als der Tag gedacht.
›Tief ist ihr Weh –, ›Lust – tiefer noch als Herzeleid:
›Weh spricht: Vergeh!
›Doch alle Lust will Ewigkeit –, ›– will tiefe, tiefe Ewigkeit!‹«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 403 f.]


»Der Jünger antwortete: ›Ich glaube an Zarathustra.‹ Aber Zarathustra schüttelte den Kopf und lächelte.
Der Glaube macht nicht selig, sagte er, zumal nicht der Glaube an mich.«

[Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Band 4: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. München 1980, S. 163f.]


» Wahrlich, ich rathe euch: geht fort von mir und wehrt euch gegen Zarathustra! Und besser noch: schämt euch seiner! Vielleicht betrog er euch.
Der Mensch der Erkenntnis muss nicht nur seine Feinde lieben, sondern auch seine Freunde hassen können.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 101.]


»Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man immer nur der Schüler bleibt.«

[Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (Anm. 19), S. 101.]