Vorlesung: Die Literatur des 19. Jahrhunderts (SoSe 2016)
Prof. Dr. Albert Meier

Theodor Fontane

Theodor Fontane (1819-1898) ist einer der bedeutendsten Vertreter des Realismus. Er steht damit in deutlicher Opposition zu den Autoren des Symbolismus um Stefan George, deren Schreiben sich durch eine Distanzierung von Natur und Lebenswirklichkeit auszeichnet.

Der Realismus arbeitet demgegenüber mit dem Kunstprinzip der Mimesis: der Nachahmung der konkreten Lebenswelt. Der Realismus zielt jedoch keinesfalls auf eine bloß dokumentarische Abspiegelung der tatsächlichen Lebenswirklichkeit, sondern auf die Stilisierung bzw. Ästhetisierung des empirischen Materials.

Effie Briest

Dies zeigt sich besonders deutlich in Fontanes Roman Effi Briest (1895/96). Wie für den Gesellschaftsroman des späten 19. Jahrhunderts üblich, behandelt das Werk die Ehebruchs-Thematik und spielt durchgehend mit frivolen Andeutungen. Die Protagonistin Effi, welche bereits in jungen Jahren mit dem deutlich älteren Geert von Instetten verheiratet wird, lässt sich von Major Crampas zu einer länger dauernden Affäre verführen. Als ihr Gatte einige Jahre später davon erfährt, fordert er der gesellschaftlichen Konvention gemäß Crampas zum Duell, tötet ihn und verstößt Effi; auch ihre Eltern wenden sich von ihr ab. Erst als Effi im Sterben liegt, wird sie von ihren Eltern wieder aufgenommen und stirbt einen versöhnten Tod.

Diese histoire ist allerdings nebensächlich im Vergleich zur Art und Weise, wie sie im discours arrangiert und stilisiert ist: So greift Fontane zwar grundsätzlich auf den zeitgenössischen Skandal um einen Ehebruch in der Familie von Ardenne zurück, weicht aber insofern entscheidend von der überlieferten Geschichte ab, als er Effi früh sterben lässt, während ihr reales Vorbild ein hohes Alter erreicht. Dieses Vorgehen ist exemplarisch für die Ästhetisierungsstrategien des Realismus: Der Tod ist poetischer als das (Über)Leben.

Zusätzlich ist der gesamte Roman durchzogen von frivolen Anspielungen auf das Motiv ›Ehebruch‹, die immer auf subtile Weise und mit Ironie präsentiert werden. Fontane arbeitet außerdem mit der für den Realismus charakteristischen Symbolik, um die Handlung auf indirekte Weise zu kommentieren: Ein prominentes Beispiel hierfür ist die schiefe Schaukel, die auf der ersten Seite bereits auf das fatale Ende vorausdeutet.

Der Stechlin

Theodor Fontane spricht sich in poetologischen Aussagen für einen zurückhaltenden Erzähler aus, der nicht durch explizite Erläuterungen und Bewertungen in den Vordergrund tritt. Dementsprechend zeichnet sich die Erzählhaltung seiner Romane dadurch aus, dass sie die Figuren weitgehend für sich selbst sprechen lässt.

Dies zeigt sich besonders deutlich in Fontanes letztem Roman Der Stechlin (1898/99), der überwiegend aus Dialogen besteht und kaum noch eine nennenswerte Handlung bietet. Trotzdem vermittelt der Roman Wertvorstellungen, indem er wünschenswerte mit negativen Geisteshaltungen kontrastiert. Die positiv bewerteten Eigenschaften (namentlich Altruismus, Liberalität und Selbstironie) werden dabei von Dubslav von Stechlin, die dem gegenüberstehenden negativen Geisteshaltungen Egoismus, Herzensenge und Sturheit von Dubslavs Schwester Adelheid von Stechlin verkörpert.

Resümierend ist zu konstatieren, dass die literarische Entwicklung im 19. Jahrhundert eine deutliche Tendenz zur Abstraktion bzw. Autonomie erkennen lässt: Das Wie ( = die Darstellungsweise, die Art und Weise der Stilisierung) wird zunehmend wichtiger als das Was ( = die Wahl des dargestellten Gegenstandes).

Fontane, Theodor: Effi Briest:

[Effi Briest]: »Und da wollt’ ich dir denn sagen: ich sterbe mit Gott und Menschen versöhnt, auch versöhnt mit ihm

[Fontane, Theodor: Effi Briest. Roman. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Abteilung I: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes. Vierter Band. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. München 1974, S. 7-296, hier S. 293.]


»Ach, Luise, laß … das ist ein zu weites Feld.«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 296.]


Theodor Fontane an Mathilde von Rohr, 3. 6. 1879:

»Der Anfang ist immer das Entscheidende. Hat mans darin gut getroffen, so muß der Rest mit einer Art von innerer Notwendigkeit gelingen.«

[Theodor Fontane an Mathilde von Rohr, 3. 6. 1879. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Dritter Band. 1879-1889. Herausgeber des Bandes: Otto Drude, Manfred Hellge und Helmuth Nürnberger. München 1980, S. 23.]


Fontane, Theodor: Effi Briest:

»In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen hinaus auf ein großes, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetztes Rondell warf. Einige zwanzig Schritte weiter, in Richtung und Lage genau dem Seitenflügel entsprechend, lief eine ganz in kleinblättrigem Efeu stehende, nur an einer Stelle von einer kleinen, weißgestrichenen Eisentür unterbrochene Kirchhofsmauer, hinter der der Hohen-Cremmener Schindelturm mit seinem blitzenden, weil neuerdings erst wieder vergoldeten Wetterhahn aufragte. Fronthaus, Seitenflügel und Kirchhofsmauer bildeten ein einen kleinen Ziergarten umschließendes Hufeisen, an dessen offener Seite man eines Teiches mit Wassersteg und angeketteltem Boot und dicht daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizontal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei Stricken hing – die Pfosten der Balkenlage schon etwas schief stehend.«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 7.]


»Innstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht. Er hatte das Gefühl, Effi zu lieben, und das gute Gewissen, daß es so sei, ließ ihn von besonderen Anstrengungen absehen. Es war fast zur Regel geworden, daß er sich, wenn Friedrich die Lampe brachte, aus seiner Frau Zimmer in sein eigenes zurückzog. ˃Ich habe da noch eine verzwickte Geschichte zu erledigen.˂ Und damit ging er. Die Portiere blieb freilich zurückgeschlagen, so daß Effi das Blättern in dem Aktenstück oder das Kritzeln seiner Feder hören konnte, aber das war auch alles. Rollo kam dann wohl und legte sich vor sie hin auf den Kaminteppich, als ob er sagen wolle: ˃Muß nur mal wieder nach dir sehen; ein anderer tut’s doch nicht.˂ Und dann beugte sie sich nieder und sagte leise: ˃Ja, Rollo, wir sind allein.˂ Um neun erschien dann Innstetten wieder zum Tee, meist die Zeitung in der Hand, sprach vom Fürsten, der wieder viel Ärger habe, zumal über diesen Eugen Richter, dessen Haltung und Sprache ganz unqualifizierbar seien, und ging dann die Ernennungen und Ordensverleihungen durch, von denen er die meisten beanstandete. Zuletzt sprach er von den Wahlen, und daß es ein Glück sei, einem Kreise vorzustehen, in dem es noch Respekt gäbe. War er damit durch, so bat er Effi, daß sie was spiele, aus Lohengrin oder aus der Walküre, denn er war ein Wagnerschwärmer. Was ihn zu diesem hinübergeführt hatte, war ungewiß; einige sagten, seine Nerven, denn so nüchtern er schien, eigentlich war er nervös; andere schoben es auf Wagners Stellung zur Judenfrage.
Wahrscheinlich hatten beide recht. Um zehn war Innstetten dann abgespannt und erging sich in ein paar wohlgemeinten, aber etwas müden Zärtlichkeiten, die sich Effi gefallen ließ, ohne sie recht zu erwidern.«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 102 f.]


»˃Effi˂, klang es jetzt leis an ihr Ohr, und sie hörte, daß seine Stimme zitterte. Dann nahm er ihre Hand und löste die Finger, die sie noch immer geschlossen hielt, und überdeckte sie mit heißen Küssen. Es war ihr, als wandle sie eine Ohnmacht an.
Als sie die Augen wieder öffnete, war man aus dem Walde heraus, und in geringer Entfernung vor sich hörte sie das Geläut der vorauseilenden Schlitten. Immer vernehmlicher klang es, und als man, dicht vor Utpatels Mühle, von den Dünen her in die Stadt einbog, lagen rechts die kleinen Häuser mit ihren Schneedächern neben ihnen.«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 162.]


Theodor Fontane an eine Dame, 12. Juni 1895:

»Daß ich die Sache im Unklaren gelassen hätte, kann ich nicht zugeben, die berühmten ›Schilderungen‹ (der Gipfel der Geschmacklosigkeit) vermeide ich freilich, aber Effis Brief an Crampas und die mitgetheilten 3 Zettel von Crampas an Effi, die sagen doch alles.«

[Theodor Fontane an Mathilde von Rohr, 3. 6. 1879. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Vierter Band. 1890-1898. Herausgeber des Bandes: Otto Drude und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 455.]


Fontane, Theodor: Effi Briest:

»˃Hertha, nun ist deine Schuld versenkt˂, sagte Effi, ˃wobei mir übrigens einfällt, so vom Boot aus sollen früher auch arme unglückliche Frauen versenkt worden sein, natürlich wegen Untreue.˂
˃Aber doch nicht hier.˂
˃Nein, nicht hier˂, lachte Effi, ˃hier kommt so was nicht vor. Aber in Konstantinopel, und du mußt ja, wie mir eben einfällt, auch davon wissen, so gut wie ich, du bist ja mit dabei gewesen, als uns Kandidat Holzapfel in der Geographiestunde davon erzählte.˂
˃Ja˂, sagte Hulda, ˃der erzählte immer so was. Aber so was vergißt man doch wieder.˂
˃Ich nicht. Ich behalte so was.˂«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 14f.]


»˃Aber Effi, so darfst du nicht sprechen; das hast du von deinem Vater, dem nichts heilig ist, und der neulich sogar sagte: Niemeyer sähe aus wie Lot. Unerhört. Und was soll es nur heißen? Erstlich weiß er nicht, wie Lot ausgesehen hat, und zweitens ist es eine grenzenlose Rücksichtslosigkeit gegen Hulda. Ein Glück, daß Niemeyer nur die einzige Tochter hat, dadurch fällt es eigentlich in sich
zusammen.˂«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 29.]


»Nach einem Crampasschen Plane nämlich sollte noch vor Weihnachten ›Ein Schritt vom Wege‹ aufgeführt werden.
[…]
Der ›Schritt vom Wege‹ kam wirklich zustande […].«

[Fontane, Effi Briest (Anm. 1), S. 144.]


Theodor Fontane an Friedrich Spielhagen, 15. 2. 1896:

»Das Hineinreden des Schriftstellers ist fast immer vom Übel, mindestens überflüssig. Und was überflüssig ist, ist falsch. Allerdings wird es mitunter schwer festzustellen sein, wo das Hineinreden beginnt. Der Schriftsteller muß doch auch, als er, eine Menge tun und sagen. Sonst geht es eben nicht oder wird Künstelei. Nur des Urteilens, des Predigens, des klug und weise Seins muß er sich
enthalten.«

[Theodor Fontane an Friedrich Spielhagen, 15. 2. 1896. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Vierter Band. 1890-1898. Herausgeber des Bandes: Otto Drude und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 533.]


Theodor Fontane an Clara Künast, 27. 10. 1895:

»Ja Effi! Alle Leute sympathisiren mit ihr und Einige gehen so weit, im Gegensatze dazu, den Mann als einen ›alten Ekel‹ zu bezeichnen. Das amüsiert mich natürlich, giebt mir aber auch zu denken, weil es wieder beweist, wie wenig den Menschen an der sogenannten ›Moral‹ liegt und wie die liebenswürdigen Naturen dem Menschenherzen sympathischer sind. […] Denn eigentlich ist
[Innstetten] doch in jedem Anbetracht ein ganz ausgezeichnetes Menschenexemplar, dem es an dem, was man lieben muß, durchaus nicht fehlt.«

[Theodor Fontane an Clara Künast, 27. 10. 1895. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Vierter Band. 1890-1898. Herausgeber des Bandes: Otto Drude und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 493 f.]


Theodor Fontane an Adolf Hofmann, Mai/Juni 1897:

»Zum Schluss stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich; – das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht. Von Verwicklungen und Lösungen, von Herzenskonflikten oder Konflikten überhaupt, von Spannungen und Überraschungen findet sich nichts. Einerseits auf einem altmodischen märkischen Gut, andrerseits in einem neumodischen gräflichen Hause (Berlin) treffen sich verschiedene Personen und sprechen da Gott und die Welt durch. Alles Plauderei, Dialog, in dem sich die Charaktere geben, und mit ihnen die Geschichte.«

[Theodor Fontane an Adolf Hofmann, Mai/Juni 1897. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Vierter Band. 1890-1898. Herausgeber des Bandes: Otto Drude und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 493 f.]


Theodor Fontane an Carl Robert Lessing, 8. 6. 1896:

»Im Winter habe ich einen politischen Roman geschrieben (Gegenüberstellung von Adel, wie er bei uns sein sollte, und wie er ist).«

[Theodor Fontane an Carl Robert Lessing, 8. 6. 1896. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Abteilung IV. Briefe. Vierter Band. 1890-1898. Herausgeber des Bandes: Otto Drude und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 562.]


Fontane, Theodor: Der Stechlin:

»Dubslav von Stechlin, Major a. D. und schon ein gut Stück über Sechzig hinaus, war der Typus eines Märkischen von Adel, aber von der milderen Observanz, eines jener erquicklichen Originale, bei denen sich selbst die Schwächen in Vorzüge verwandeln. Er hatte noch ganz das eigentümlich sympathisch berührende Selbstgefühl all derer, die »schon vor den Hohenzollern da waren«, aber er hegte dieses Selbstgefühl nur ganz im stillen, und wenn es dennoch zum Ausdruck kam, so kleidete sich’s in Humor, auch wohl in Selbstironie, weil er seinem ganzen Wesen nach überhaupt hinter alles ein Fragezeichen machte. Sein schönster Zug war eine tiefe, so recht aus dem Herzen kommende Humanität, und Dünkel und Überheblichkeit (während er sonst eine Neigung hatte, fünf gerade sein zu lassen) waren so ziemlich die einzigen Dinge, die ihn empörten. Er hörte gern eine freie Meinung, je drastischer und extremer, desto besser. Daß sich diese Meinung mit der seinigen deckte, lag ihm fern zu wünschen. Beinah das Gegenteil.«

[Fontane, Theodor: Der Stechlin. Roman. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Abteilung I: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes. Fünfter Band. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. München 1980, S. 9f.]


»Am Tage vorher aber traf ein Brief Melusinens bei Lorenzen ein, an dessen Schluß es hieß:
›Und nun, lieber Pastor, noch einmal das eine. Morgen früh zieht das junge Paar in das alte Herrenhaus ein, meine Schwester und mein Schwager: Erinnern Sie sich bei der Gelegenheit unsres in den Weihnachtstagen geschlossenen Paktes: es ist nicht nötig, daß die Stechline weiterleben, aber es lebe

der Stechlin.‹«

[Fontane, Theodor: Der Stechlin. Roman. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe. Abteilung I: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes. Fünfter Band. Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. München 1980, S. 388.]


»Denn trotzdem sie beständig Demut predigte, hatte sie doch nicht gelernt, sich in Demut zu überwinden.«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), 253.]


»Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischen Grenze, zieht sich von dem Städtchen Gransee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seenkette durch eine menschenarme, nur hie und da mit ein paar alten Dörfern, sonst aber ausschließlich mit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung. Einer der Seen, die diese Seenkette bilden, heißt ›der Stechlin‹.«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 7.]


»Gleichzeitig war aber doch ein Bestreben unver-kennbar, gerade diese Rampe zu was Besonderem zu machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit exotischen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank war. Aber gerade diese kranke war der Liebling des Schloßherrn, weil sie jeden Sommer in einer ihr freilich nicht zukommenden Blüte stand. Und das hing so zusammen. Aus dem sumpfigen Schloßgraben hatte der Wind vor langer Zeit ein fremdes Samenkorn in den Kübel der kranken Aloe geweht, und alljährlich schossen infolge davon aus der Mitte der schon angegelbten Aloeblätter die weiß und roten Dolden des Wasserliesch oder des Butomus umbellatus auf.«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 9.]


»Ganz oben eine Plattform mit Fahnenstange, daran die preußische Flagge wehte, schwarz und weiß, alles schon ziemlich verschlissen.
Engelke hatte vor kurzen einen roten Streifen annähen wollen, war aber mit seinem Vorschlag nicht durchgedrungen. ›Laß. Ich bin nicht dafür. Das alte Schwarz und Weiß hält gerade noch; aber wenn du was Rotes dran nähst, dann reißt es gewiß.‹«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 14f.]


»Hie und da wächst ein weniges von Schilf und Binsen auf, aber kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nur selten, dass ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schatten auf die Spiegelfläche wirft. Alles still hier. Und doch, von Zeit zu Zeit wird es an eben dieser Stelle lebendig. Das ist, wenn es weit draußen in der Welt, sei’s auf Island, sei’s auf Java, zu rollen und zu grollen
beginnt oder gar der Aschenregen der hawaiischen Vulkane bis weit auf die Südsee hinausgetrieben wird. Dann regt sich’s auch hier, und ein Wasserstrahl springt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissen alle, die den Stechlin umwohnen, und wenn sie davon sprechen, so setzen sie wohl auch hinzu: ›Das mit dem Wasserstrahl, das ist nur das Kleine, das beinah Alltägliche; wenn’s aber draußen was Großes gibt, wie vor hundert Jahren in Lissabon, dann brodelt’s hier nicht bloß und sprudelt und strudelt, dann steigt statt des Wasserstrahls ein roter Hahn auf und kräht laut in die Lande hinein.‹«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 7.]


»Da ist dieser Wörishofener Pfarrer – er sucht nicht die Menschen, die Menschen suchen ihn. Und wenn sie kommen, so heilt er sie, heilt sie mit dem Einfachsten und Natürlichsten.
Übertragen Sie das vom Äußern aufs Innere, so haben Sie mein Ideal. Einen Brunnen graben just an der Stelle, wo man gerade steht. Innere Mission in nächster Nähe, sei’s mit dem Alten, sei’s mit etwas Neuem.«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 31.]


»Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es irgend geht, und mit dem Neuen nur, soweit es muß.«

[Storm, Der Stechlin (Anm. 16), S. 31.]