Barocke Lyrik – Quellen und Zitate

DV sihst/ wohin du sihst nur eitelkeit auff erden. | Was dieser heute bawt/ reist jener morgen ein: | Wo itzund städte stehn/ wird eine wiesen sein | Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.

[Gryphius, Andreas: Es ist alles eitell. In: ANDREÆ GRYPHII | SONNETE. | Das erste Buch [Nr. 8, v. 1-4]. [Leiden 1643].

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ISt Liebe lauter nichts/ wie daß sie mich entzündet? | Ist sie dann gleichwol was/ wem ist jhr thun bewust? | Ist sie auch recht vnd gut/ wie bringt sie böse Lust? | Ist sie nicht gut/ wie daß man Freudt aus jhr empfindet? || Lieb ich gar williglich/ wie daß ich Schmertzen trage? | Muß ich es thun/ was hilffts/ daß ich solch trawren führ? | Thue ichs nicht gern/ wer ists/ der es befihlet mir? | Thue ich es gern/ warumb/ daß ich mich dann beklage? || Ich wancke/ wie das Gras/ so von den kühlen Winden | Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wirdt/ bald her. | Ich walle wie ein Schiff/ das in dem wilden Meer || Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu rande finden. | Ich weiß nicht was ich will/ ich will nicht was ich weiß/ | Im Sommer ist mir kalt/ im Winter ist mir heiß.

Opitz, Martin: Sonnet. Auß dem Italienischen Petrarchae [Canzoniere 132]. In: MARTINI OPICII. | Teutsche Pöemata | und: | ARIOSTARCHVS | Wieder die verachtung Teutscher Sprach. | […]. | Sampt einem anhang | Mehr auserleßener geticht anderer | Teutscher Pöeten. | Der gleichen in dieser Sprach | Hiebeuor nicht auß kommen. | Straßburg | In verlegung Eberhard Zetzners. | Anno 1624, S. 26f.

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EJn haar so kühnlich trotz der Berenice spricht. | Ein mund/ der rosen führt und perlen in sich heget. | Ein zünglein/ so ein gifft vor tausend hertzen träget. | Zwo brüste/ wo rubin durch alabaster bricht. || Ein hals/ der schwanen schnee weit weit zurücke sticht. | Zwey wangen/ wo die pracht der Flora sich beweget. | Ein blick/ der blitze führt und männer niederleget. | Zwey arme/ derer krafft offt leuen hingericht. || Ein hertz/ aus welchem nichts als mein verderben qvillet. | Ein wort/ so himmlisch ist/ und mich verdammen kan/ | Zwey hände/ derer grimm mich in den bann gethan/ || Und durch ein süsses gifft die seele selbst umhüllet. | Ein zierrath/ wie es scheint/ im paradiß gemacht/ | Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.

Hof[f]mannswaldau, Christian Hof[f]mann von: Sonnet. Beschreibung vollkommener Schönheit. In: Herrn | von Hoffmannswaldau | und andrer Deutschen | auserlesene | und bißher ungedruckte | Gedichte/ nebenst | einer Vorrede | von der deutschen Poesie. | LEIPZIG/ Bey J. Thomas Fritsch. 1695, S. 49.

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ES wird der bleiche tod mit seiner kalten hand | Dir endlich mit der zeit um deine brüste streichen/ | Der liebliche corall der lippen wird verbleichen; | Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand/ || Der augen süsser blitz/ die kräffte deiner hand/ | Für welchen solches fällt/ die werden zeitlich weichen/ | Das haar/ das itzund kan des goldes glantz erreichen/ | Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band. || Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden/ | Die werden theils zu staub/ theils nichts und nichtig werden/ | Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht. || Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen/ | Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen/ | Dieweil es die natur aus diamant gemacht.

Hof[f]mannswaldau, Christian Hof[f]mann von: Sonnet. Vergänglichkeit der schönheit. In: In: Herrn | von Hoffmannswaldau | und andrer Deutschen | auserlesene | und bißher ungedruckte | Gedichte/ nebenst | einer Vorrede | von der deutschen Poesie. | LEIPZIG/ Bey J. Thomas Fritsch. 1695, S. 13.

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WJr sindt doch nuhmer gantz/ ja mehr den gantz verheret! | Der frechen völcker schaar/ die rasende posaun | Das vom blutt fette schwerdt/ die donnernde Carthaun| Hatt aller schweis/ vnd fleis/ vnd vorrath auff gezehret. || Die türme stehn in glutt/ die Kirch ist vmbgekehret. | Das Rahthaus ligt im graus/ die starcken sind zerhawn. | Die Jungfrawn sindt geschändt/ vnd wo wir hin nur schawn | Ist fewer/ pest/ vnd todt der hertz vndt geist durchfehret || Hier durch die schantz vnd Stadt/ rint alzeit frisches blutt. | Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt | Von so viel leichen schwer/ sich langsam fortgedrungen. || Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt. | Was grimmer den die pest/ vndt glutt vndt hungers noth | Das nun der Selen schatz/ so vielen abgezwungen.

Gryphius, Andreas: Threnen des Vatterlandes / Anno 1636. In: ANDREÆ GRYPHII | SONNETE. | Das erste Buch [Nr. 27]. [Leiden 1643].

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Daß Flämlein daß ich meine/ | Ist JESV süsser nam; | Es zehret Marck vnd Beine/ | Frißt ein gar wundersam. | O sussigkeit in schmertzen! | O schmertz in süssigkeit!

Spee, Friedrich: Die gesponß Jesu klaget jhren hertzen brand. [v. 25-30]. In: TRVTZ | NACHTIGAL. | Oder | Geistlichs=PoëTrvtz Nachtigal, Oder | Geistlichs-Poëtisch | LVST-VVALDLEIN, | Deßgleichen noch nie zuvor in Teut=|scher sprach gesehen. | Durch | Den Ehrw : P. FRIDERICUM SPEE, | Priestern der Gesellschafft | JESV. | Jetzo auffs new vbersehen vnd zum zwey=|ten mahl in Truck verfertiget. | Cum Facultate & approbatione Superiorum. Cöllen/ | Jn verlag Wilhelmi Friessems Buch=|händlers/ in der Tranckgaß im Ertz=En=|gel Gabriel Jm Jahr 1654, S. 6f.

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O Schmerzen! schmeist man so den Himmel-Lilien-Leib? | Muß denn die Frömkeit selbst/ die Pein der Boßheit leiden? | O jammer/ zu zusehn! O Seele! stehen bleib/ | und sihe/ wie dein Freund/ für dich/ wird zugerichtet. | Schau/ wie die Geisel-sporn sein zarte haut durchschneiden! | Schau! wie das frische Blut mit schmerzen ausherdringet. | Bedenke/ wie du ihm/ unendlich hoch verpflichtet/ | Dieweil ein jeder Ritz dir Himmel-wollust bringet.

Greiffenberg, Catharina Regina von: Uber die Geisel= und Dorn=Crönung meines allerliebsten JEsu. In: Des Allerheiligst = und Allerheilsamsten Leidens und Sterbens Jesu Christi Zwölf andächtige Betrachtungen: Durch dessen innigste Liebhaberin und eifrigste Verehrerin Catharina Regina/ Frau von Greiffenberg/ Freyherrin auf Seisenegg/ Zu Vermehrung der Ehre Gottes und Erweckung wahrer Andacht/ mit XII. Sinnbild=Kupfern verfasset und ausgefertigt. Nürnberg […] Im 1672. Christ=Jahr, S. 554-561, hier S. 554.

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