Die Spätaufklärung – Quellen und Zitate

Und unser aevum?

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 134.

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Ich gefiel mir nicht, als Gesellschafter weder in dem Kreise, da ich war; noch in der Ausschließung, die ich mir gegeben hatte. Ich gefiel mir nicht als Schullehrer, die Sphäre war mir zu enge, zu fremde, zu unpassend, und ich für sie zu weit, zu fremde, zu beschäftigt. Ich gefiel mir nicht, als Bürger, da meine häusliche Lebensart Einschränkungen, wenig wesentliche Nutzbarkeiten, und eine faule, oft ekle Ruhe hatte. Am wenigsten endlich als Autor, wo ich ein Gerücht erregt hatte, das meinem Stande eben so nachtheilig, als meiner Person empfindlich war. Alles also war mir zuwider.

Herder, Johann Gottfried: Journal meiner Reise im Jahr 1769. In: Erinnerungen aus dem Leben Joh. Gottfrieds von Herder. Gesammelt und beschrieben von Maria Carolina von Herder, geb. Flachsland. Herausgegeben durch Johann Georg Müller […]. Erster Theil. Tübingen 1820, S. 425-472, hier S. 425f.

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Und von der Stufe, auf welche Erwin gestiegen ist, wird ihn keiner herabstossen. Hier steht sein Werk, tretet hin, und erkennt das tiefste Gefühl von Wahrheit und Schönheit der Verhältnisse, würkend aus starker, rauher, deutscher Seele, auf dem eingeschränkten duͤstern Pfaffenschauplatz des medii aevi.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 133.

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[…] das ist deutsche Baukunst, unsre Baukunst, da der Italiäner sich keiner eignen rühmen darf, vielweniger der Franzos.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 130f.

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Sie wollen euch glauben machen, die schönen Künste seyen entstanden aus dem Hang, den wir haben sollen, die Dinge rings um uns zu verschönern. Das ist nicht wahr!

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 132.

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Die Kunst ist lange bildend, eh sie schön ist, und doch, so wahre, grosse Kunst, ja, oft wahrer und grösser, als die Schöne selbst. Denn in dem Menschen ist eine bildende Natur, die gleich sich thätig beweist, wann seine Existenz gesichert ist. Sobald er nichts zu sorgen und zu fürchten hat, greift der Halbgott, wirksam in seiner Ruhe, umher nach Stoff, ihm seinen Geist einzuhauchen. Und so modelt der Wilde mit abentheuerlichen Zügen, gräßlichen Gestalten, hohen Farben, seine Cocos, seine Federn, und seinen Körper. Und laßt diese Bildnerey aus den willkührlichsten Formen bestehn, sie wird ohne Gestaltsverhältniß zusammen stimmen, denn Eine Empfindung schuf sie zum karackteristischen Ganzen.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 132.

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Diese karackteristische Kunst, ist nun die einzige wahre.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Von Deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. In: [Herder, Johann Gottfried]: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg 1773, S. 121-136, hier S. 133.

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Ich zweifelte keinen Augenblick dem regelmässigen Theater zu entsagen. Es schien mir die Einheit des Orts so kerkermässig ängstlich, die Einheiten der Handlung und der Zeit lästige Fesseln unsrer Einbildungskraft. Ich sprang in die freie Luft und fühlte erst dass ich Hände und Füsse hatte. Und jetzo da ich sahe wie viel Unrecht mir die Herrn der Regel in ihrem Loch angethan haben, wie viel freie Seelen noch drinnen sich krümmen, so wäre mir mein Herz geborsten wenn ich ihnen nicht Fehde angekündigt hätte und nicht täglich suchte ihre Thürme zusammen zu schlagen.

Goethe, Johann Wolfgang: Zum Schakespears Tag. In: Jahn, Otto: Goethe in Strassburg und Wetzlar. In: Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur. Jahrgang 1854, S. 247-254, hier S. 248-250, speziell S. 248f.

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Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kayserliche Majestät, hab ich, wie immer schuldigen  Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsch lecken. (schmeist das Fenster zu.)

[Goethe, Johann Wolfgang]: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. 1773, S. 133.

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Götz. […] Was soll unser letztes Wort seyn?

Georg. Es lebe die Freyheit!

Götz. Es lebe die Freyheit!

Alle. Es lebe die Freyheit!

Götz. Und wenn die uns überlebt, können wir ruhig sterben.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. 1773, S. 138.

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Götz. […] Schließt eure Herzen sorgfältiger als eure Thore. Es kommen die Zeiten des Betrugs, es ist ihm Freyheit gegeben. Die Nichtswürdigen werden regieren mit List, und der Edle wird in ihre Netze fallen. […] – Gebt mir einen Trunk Wasser! – Himmlische Luft – Freyheit! Freyheit! Er stirbt.

Elisabeth. Nur droben droben bey dir. Die Welt ist ein Gefängniß.

Marie. Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert das dich von sich stieß.

Lerse. Wehe der Nachkommenschaft die dich verkennt.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. 1773, S. 205f.

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Elisabeth. Nimm die Kellerschlüssel und hol vom besten Wein, sie haben ihn verdient. (Elisabeth ab.)

Carl. Ich will mit Tante.

Marie. Komm Bursch. (ab.)

Reuter. Der wird nicht sein Vater, sonst gieng er mit in Stall.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein Schauspiel. 1773, S. 26f.

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Von dem Weine hatte er nur ein Glas getrunken. Emilia Galotti lag auf dem Pulte aufgeschlagen. | […] Um zwölfe Mittags starb er. Die Gegenwart des Amtmanns und seine Anstalten tischten [recte: tuschten] einen Auflauf. Nachts gegen eilfe ließ er ihn an die Stätte begraben, die er sich erwählt hatte, der Alte folgte der Leiche und die Söhne, Albert vermochts nicht. Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Die Leiden des jungen Werthers. Zweyter Theil. Leipzig 1774, S. 223f.

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Von dem Wein hatte er nur ein Glas getrunken. Hin und wieder lagen Bücher und von seinen eignen schriftlichen Aufsätzen. Emilia Galotti lag auf einem Pult am Fenster aufgeschlagen; […] | Gegen 12 Uhr starb er. Abends ¾11 Uhr ward er auf dem gewöhnlichen Kirchhof begraben (ohne daß er sezieret ist, weil man von dem Reichs-Marschall-Amte Eingriffe in die gesandtschaftlichen Rechte fürchtete) in der Stille mit 12 Laternen und einigen Begleitern; Barbiergesellen haben ihn getragen; das Kreuz ward voraus getragen; kein Geistlicher hat ihn begleitet.

Johann Christian Kestner an Johann Wolfgang Goethe, 2. 11. 1772. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert u. a. Band 1.2: Der junge Goethe. 1757-1775. 2. Herausgegeben von Gerd Sauder. München – Wien 1987, S. 778-786, hier S. 785.

Was ich von der Geschichte des armen Werthers nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammlet, und leg es euch hier vor, und weis, daß ihr mir’s danken werdet. Ihr könnt seinem Geist und seinem Charakter eure Bewunderung und Liebe, und seinem Schicksaale eure Thränen nicht versagen. | Und du gute Seele, die du eben den Drang fühlst wie er, schöpfe Trost aus seinem Leiden, und laß das Büchlein deinen Freund seyn, wenn du aus Geschick oder eigner Schuld keinen nähern finden kannst.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Die Leiden des jungen Werthers. Erster Theil. Leipzig 1774, S. 3f.

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Die ausführliche Geschichte der lezten merkwürdigen Tage unsers Freundes zu liefern, seh ich mich genöthiget seine Briefe durch Erzählung zu unterbrechen, wozu ich den Stof aus dem Munde Lottens, Albertens, seines Bedienten, und anderer Zeugen gesammlet habe.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Die Leiden des jungen Werthers. Zweyter Theil. Leipzig 1774, S. 176.

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Man hat aus Ehrfurcht für diesen treflichen Mann, gedachten Brief, und einen andern, dessen weiter hinten erwehnt wird, dieser Sammlung entzogen, weil man nicht glaubte, solche Kühnheit durch den wärmsten Dank des Publikums entschuldigen zu können.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Die Leiden des jungen Werthers. Zweyter Theil. Leipzig 1774, S. 127.

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[…] er warf sich vor Lotten nieder in der vollen Verzweiflung, faßte ihre Hände, drukte sie in seine Augen, wider seine Stirn, und ihr schien eine Ahndung seines schröklichen Vorhabens durch die Seele zu fliegen. Ihre Sinnen verwirrten sich, sie drukte seine Hände, drukte sie wider ihre Brust, neigte sich mit einer wehmüthigen Bewegung zu ihm, und ihre glühenden Wangen berührten sich. Die Welt vergieng ihnen, er schlang seine Arme um sie her, preßte sie an seine Brust, und dekte ihre zitternde stammelnde Lippen mit wüthenden Küssen. Werther! rief sie mit erstikter Stimme sich abwendend, Werther! und drükte mit schwacher Hand seine Brust von der ihrigen! Werther! rief sie mit dem gefaßten Tone des edelsten Gefühls; er widerstund nicht, lies sie aus seinen Armen, und warf sich unsinnig vor sie hin. Sie riß sich auf, und in ängstlicher Verwirrung, bebend zwischen Liebe und Zorn sagte sie: Das ist das leztemal! Werther! Sie sehn mich nicht wieder. Und mit dem vollsten Blik der Liebe auf den Elenden eilte sie in’s Nebenzimmer, und schloß hinter sich zu.

[Goethe, Johann Wolfgang]: Die Leiden des jungen Werthers. Zweyter Theil. Leipzig 1774, S. 206f.

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