Naturalismus und Symbolismus – Quellen und Zitate

Il faut être absolument moderne. [Es gilt, unbedingt modern zu sein.]

Rimbaud, Arthur: Une saison en enfer. Bruxelles 1873, S. 52.

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  1. Unser höchstes Kunstideal ist nicht mehr die Antike, sondern die Moderne.

[Wolff, Eugen]: Thesen der Freien Litterarischen Vereinigung ›Durch!‹. In: Das Magazin für die Litteratur des In- und Auslandes. 55. Jahrgang, Nr. 51: 18. Dezember 1886, S. 810.

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Im übrigen sei die modernste Poesie eine Abschilderung aller Strömungen des modernsten Lebens. Diese modernen Ideen, diese modernsten Kämpfe sind die Seele der modernsten Dichtung; keine Epigonen der grossen Vergangenheit sollen mehr sein, sondern Progonen einer grossen Zukunft. Und zukunftsfreudig, siegesgewiss klinge das moderne Lied!

Wolff, Eugen: Die Moderne. Zur ›Revolution‹ und ›Reform‹ der Litteratur. In: Deutsche academische Zeitschrift. III. Jahrgang, Nr. 33: 26. September 1886, Erstes/Zweites Beiblatt [unpag.]

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Sekundenlang spielte sein Blick über den starken Gliedmaßen seines Weibes, das, mit abgewandtem Gesicht herumhantierend, noch immer nach Fassung suchte. Ihre vollen, halbnackten Brüste blähten sich vor Erregung und drohten das Mieder zu sprengen, und ihre aufgerafften Röcke ließen die breiten Hüften noch breiter erscheinen. Eine Kraft schien von dem Weibe auszugehen, unbezwingbar, unentrinnbar, der Thiel sich nicht gewachsen fühlte.

Hauptmann, Gerhart: Bahnwärter Thiel. Novellistische Studie aus dem märkischen Kiefernforst. In: Die Gesellschaft. Monatsschrift für Litteratur und Kunst. Jahrgang 1888. Zweites Semester, S. 747-774, hier S. 756.

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Man mußte ihm Hände und Füße binden, und der inzwischen requirierte Gendarm überwachte seinen Transport nach dem Berliner Untersuchungsgefängnisse, von wo aus er jedoch schon am ersten Tage nach der Irrenabteilung der Charité überführt wurde. Noch bei der Einlieferung hielt er das braune Mützchen in Händen und bewachte es mit eifersüchtiger Sorgfalt und Zärtlichkeit.

Hauptmann, Gerhart: Bahnwärter Thiel. Novellistische Studie aus dem märkischen Kiefernforst. In: Die Gesellschaft. Monatsschrift für Litteratur und Kunst. Jahrgang 1888. Zweites Semester, S. 747-774, hier S. 774.

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Die Kunst ist ferner nicht Darstellung des Schönen. […] Poesie ist die Gestaltung alles dessen, was das Innere des Menschen bewegt, und jener Vorgänge, jener Wirklichkeiten, oder auch Gedanken, welche die Bewegung wachgerufen haben, und zwar Gestaltung mittelst des phantasie- und empfindungerregenden Wortes, Wortgefüges und Lautes. Die ganze Welt ist mithin Stoff der Poesie, nichts kann von der Behandlung durch den Dichter ausgeschlossen werden, denn alles, das Kleinste wie das Größte, das Angenehme wie das Abstoßende, übt Erregungen aus. Aber das Erregende, das Empfundene muß gestaltet werden, wenn es in Poesie umgeschmolzen erscheinen soll […]. Gestaltung ist also das Wesen der Poesie, Leidenschaft (Empfindung, Gefühl) und Phantasie (Anschauungskraft) sind ihre Quellen.

Hart, Heinrich: Die realistische Bewegung. Ihr Ursprung, ihr Wesen, ihr Ziel. In: Kritisches Jahrbuch. 1. Jahrgang. 1. Heft (1889), S. 40-56, hier S. 45f.

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Kunst = Natur – x.

Holz, Arno: Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze. Berlin 1891, S. 112-115.

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Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein. Sie wird sie nach Maasgabe ihrer Reproductionsbedingungen und deren Handhabung.

Holz, Arno: Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze.  Berlin 1891, S. 118.

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Loth. Ich möchte die hiesigen Verhältnisse studiren.

Dr. Schimmelpfennig (mit gedämpfter Stimme). Idee! (noch leiser) da kannst Du bei mir auch Material bekommen.

Loth. Freilich, Du mußt ja sehr unterrichtet sein über die Zustände hier. Wie sieht es denn so in den Familien aus?

Dr. Schimmelpfennig. E—lend!…..durchgängig…Suff! Völlerei, Inzucht und in Folge davon, Degenerationen auf der ganzen Linie.

Loth. Mit Ausnahmen doch!?

Dr. Schimmelpfennig. Kaum!

Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Soziales Drama. Berlin 1889, S. 94.

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Jetzt ist Miele ohne weiteres Zögern in Hoffmanns Zimmer verschwunden, dessen Thüre sie offen läßt. Im nächsten Augenblick stürzt sie heraus mit den Zeichen eines wahnsinnigen Schrecks; schreiend dreht sie sich zwei — dreimal um sich selber, schreiend jagt sie durch die Mittelthür. Ihr ununterbrochenes Schreien, mit der Entfernung immer schwächer werdend, ist noch einige weitere Secunden vernehmlich. Man hört nun die schwere Hausthüre aufgehen und dröhnend ins Schloß fallen, das Schrittegeräusch des im Hausflur herumtaumelnden Bauern, schließlich seine rohe, näselnde, lallende Trinkerstimme ganz aus der Nähe durch den Raum gellen: Dohie hä? Hoa iich nee a poar hibsche Tächter? | (Der Vorhang fällt schnell.)

Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Soziales Drama. Berlin 1889, S. 106.

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Die leute suchen gern hinter einem gedicht was sie den „eigentlichen sinn“ nennen. sie sind wie die affen die auch immer mit den händen hinter einen spiegel fahren als müsse dort ein körper zu fassen sein.

Hofmannsthal, Hugo von: Bildlicher ausdruck. In: Blätter für die Kunst. November 1897, S. 13.

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– eine kunst für die kunst –

[Klein, Carl August]: Blätter für die Kunst. In: Blätter für die Kunst. Oktober 1892, S. 1.

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Poésie = Gemütherregungskunst.

Novalis: Aus den Fragmenten und Studien. 1799/1800. In: Novalis. Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Herausgegeben von Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel. München – Wien 1978, S. 751-848, hier S. 801.

Die form dieses werkes ist im strengsten sinn klassisch. hier giebt es keine falschen unreinen reime mehr keinen einzigen leichtsinnigen fehler im takt und (ein seltener reichtum) dasselbe wort wiederholt sich niemals im reim. und kein ,herz‘ und kein ,schmerz‘ mehr auch kein mattes aufhelfen mit ,freundesherz‘ und ,todesschmerz‘. alles das gilt nicht mehr. durch genau erwogene wahl und anhäufung von konsonanten und vokalen bekommen wir einen eindruck ohne zuthat des sinnes. jubel und trauer glätte und härte nacht und licht fühlen wir ohne dass wir die begriffe dastehn haben. ganze verse dünken uns aus einer anderen sprache und versetzen uns in seltsame unruhe. alles läuft auf eins hinaus: den grossen zusammenklang wobei wir durch die worte erregt werden wie durch rauschmittel.

Klein, Carl August: Über Stefan George, eine neue kunst. In: Blätter für die Kunst, Dezember 1892, S. 45-50, hier S. 48.

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Nommer un objet, c’est supprimer les trois quarts de la jouissance du poème qui est faite de deviner peu à peu ; le suggérer, voilà le rêve. | C’est le parfait usage de ce mystère qui constitue le symbolisme : évoquer petit à petit un objet pour montrer un état d’âme, ou, inversement, choisir un objet et en dégager un état d’âme, par une série de déchiffrements.

Mallarmé, Stéphane in: Huret, Jules: Enquête sur l’évolution littéraire. In: L’Écho de Paris, 14. 3. 1891, S. 1f., hier S. 2.

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VOGELSCHAU

Weisse schwalben sah ich fliegen
Schwalben schnee- und silberweiss
Sah sie sich im winde wiegen
In dem winde hell und heiss

Bunte häher sah ich hüpfen
Papagei und kolibri
Durch die wunder-bäume schlüpfen
In dem wald der Tusferi

Grosse raben sah ich flattern
Dohlen schwarz und dunkelgrau
Nah am grunde über nattern
Im verzauberten gehau

Schwalben seh ich wieder fliegen
Schnee- und silberweisse schar
Wie sie sich im winde wiegen
In dem winde kalt und klar

George, Stefan: Vogelschau. In: Stefan George: Algabal. Paris 1892, S. 38.

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