Die Hochaufklärung – Quellen und Zitate

Niemand, sagen die Verfasser der Bibliothek [= Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Dritten Bandes erstes Stück. Leipzig 1758, S. 85], wird leugnen, daß die deutsche Schaubühne einen grossen Theil ihrer ersten Verbesserung dem Herrn Professer Gottsched zu danken habe.« | Ich bin dieser Niemand; ich leugne es gerade zu. Es wäre zu wünschen, daß sich Herr Gottsched niemals mit dem Theater vermengt hätte. Seine vermeinten Verbesserungen betreffen entweder entbehrliche Kleinigkeiten, oder sind wahre Verschlimmerungen.

Lessing, Gotthold Ephraim: ›Siebzehnter Literaturbrief‹ (16. Februar 1759). In: Briefe die neueste Litteratur betreffend. Erster Theil. Berlin 1759, S. 97-107, hier S. 97.

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Empfindsam, […] Fähig, leicht sanfte Empfindungen zu bekommen, fähig leicht gerührt zu werden; […].

Grammatisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, […], von Johann Christoph Adelung, […]. Mit D. W. Soltau’s Beyträgen, revidirt und berichtiget von Franz Xaver Schönberger […]. Erster Theil, von A—E. Wien 1811, Sp. 1800.

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Alles Stoische ist untheatralisch; und unser Mitleiden ist allezeit dem Leiden gleichmäßig, welches der interessirende Gegenstand äussert. Sieht man ihn sein Elend mit grosser Seele ertragen, so wird diese grosse Seele zwar unsere Bewunderung erwecken, aber die Bewunderung ist ein kalter Affekt, dessen unthätiges Staunen jede andere wärmere Leidenschaft, so wie jede andere deutliche Vorstellung, ausschliesset.

Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie. Mit beyläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte; von Gotthold Ephraim Lessing. Erster Theil. Berlin 1766, S. 8f.

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Sampson. Hier meine Tochter? – – Hier in diesem elenden Wirthshause?

Waitwell. […] Ach, Sie weinen schon wieder, schon wieder, Sir! Sir!

Sampson. Laß mich weinen, alter ehrlicher Diener. Oder verdient sie etwa meine Thränen nicht?

Waitwell. Ach! Sie verdient sie, und wenn es blutige Thränen wären.

Sampson. Nun so laß mich.

Lessing, Gotthold Ephraim: Miß Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel, in fünf Aufzügen. In: G. E. Leßings Schrifften. Sechster Theil. Berlin 1755, S. 1-216, hier S. 3f.

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Es ist bekannt, daß, wenn man zwey Saiten eine gleiche Spannung giebt, und die eine durch die Berührung ertönen läßt, die andere mit ertönt, ohne berührt zu seyn.

Gotthold Ephraim Lessing an Moses Mendelssohn, 2. 2. 1757. In: Gelehrter Briefwechsel zwischen D. Johann Jacob Reiske, Moses Mendelssohn und Gotthold Ephraim Lessing. Erster Theil. Berlin 1789, S. 144-152, hier S. 149.

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Wenn es also wahr ist, daß die ganze Kunst des tragischen Dichters auf die sichere Erregung und Dauer des einzigen Mitleidens geht, so sage ich nunmehr, die Bestimmung der Tragödie ist diese: sie soll unsre Fähigkeit, Mitleid zu fühlen, erweitern. Sie soll uns nicht blos lehren, gegen diesen oder jenen Unglücklichen Mitleid zu fühlen, sondern sie soll uns so weit fühlbar machen, daß uns der Unglückliche zu allen Zeiten, und unter allen Gestalten, rühren und für sich einnehmen muß. […] Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch, zu allen gesellschaftlichen Tugenden, zu allen Arten der Großmuth der aufgelegteste. Wer uns also mitleidig macht, macht uns besser und tugendhafter […].

Gotthold Ephraim Lessing an Friedrich Nicolai, November 1756. In: Gelehrter Briefwechsel zwischen D. Johann Jacob Reiske, Moses Mendelssohn und Gotthold Ephraim Lessing. Erster Theil. Berlin 1789, S. 63-74, hier S. 69f.

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« La nature humaine est donc bonne ? »– Oui, mon ami, & très-bonne.

Diderot, Denis: De la poësie dramatique. À mon ami monsieur Grimm. In: Le père de famille, comédie en cinq actes, et en prose, avec un discours sur la poésie dramatique. Amsterdam 1758, S. 13.

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»Die menschliche Natur ist also gut?« | Ja, mein Freund, und sehr gut.

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen. Zweyter Theil. Berlin 1760, S. 246.

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Sara. […] Wenn ich der Marwood Erfahrung gehabt hätte, so würde ich den Fehltritt gewiß nicht gethan haben, der mich mit ihr in eine so erniedrigende Parallel setzt. Hätte ich ihn aber doch gethan, so würde ich wenigstens nicht zehn Jahr darinn verharrt seyn. Es ist ganz etwas anders, aus Unwissenheit auf das Laster treffen, und ganz etwas anders, es kennen und dem ohngeachtet mit ihm vertraulich werden.

Lessing, Gotthold Ephraim: Miß Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel, in fünf Aufzügen. In: G. E. Leßings Schrifften. Sechster Theil. Berlin 1755, S. 1-216, hier S. 171f.

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SARA. […] Wenn zum Exempel, ein Mellefont eine Marwood liebt, und sie endlich verläßt; so ist dieses Verlassen, in Vergleichung mit der Liebe selbst, etwas sehr gutes. Es wäre ein Unglück, wenn er eine Lasterhafte deswegen, weil er sie einmal geliebt hat, ewig lieben müßte.

Lessing, Gotthold Ephraim: Miß Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel, in fünf Aufzügen. In: G. E. Leßings Schrifften. Sechster Theil. Berlin 1755, S. 1-216, hier S. 157.

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Sampson. […] Wenn sie mich noch liebt, so ist ihr Fehler vergessen. Es war der Fehler eines zärtlichen Mädchens, und ihre Flucht war die Wirkung ihrer Reue. Solche Vergehungen sind besser als erzwungene Tugenden ‒ Doch ich fühle es, Waitwell, ich fühle es; wenn diese Vergehungen auch wahre Verbrechen, wenn es auch vorsetzliche Laster wären: ach! ich würde ihr doch vergeben. Ich würde doch lieber von einer lasterhaften Tochter, als von keiner, geliebt seyn wollen.

Lessing, Gotthold Ephraim: Miß Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel, in fünf Aufzügen. In: G. E. Leßings Schrifften. Sechster Theil. Berlin 1755, S. 1-216, hier S. 6.

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Das Wort welches Aristoteles braucht, heißt Furcht: Mitleid und Furcht, sagt er, soll die Tragödie erregen; nicht, Mitleid und Schrecken.

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. ZweyterBand [74. Stück: 15. Januar 1768], S. 171.

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Er spricht von Mitleid und Furcht, nicht von Mitleid und Schrecken; und seine Furcht ist durchaus nicht die Furcht, welche uns das bevorstehende Uebel eines andern, für diesen andern, erweckt, sondern es ist die Furcht, welche aus unserer Aehnlichkeit mit der leidenden Person für uns selbst entspringt; es ist die Furcht, daß die Unglücksfälle, die wir über diese verhänget sehen, uns selbst treffen können; es ist die Furcht, daß wir der bemitleidete Gegenstand selbst werden können. Mit einem Worte: diese Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid.

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. ZweyterBand [75. Stück: 19. Januar 1768], S. 178.

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Das tragische Mitleid muß nicht allein, in Ansehung des Mitleids, die Seele desjenigen reinigen, welcher zu viel Mitleid fühlet, sondern auch desjenigen, welcher zu wenig empfindet. Die tragische Furcht muß nicht allein, in Ansehung der Furcht, die Seele desjenigen reinigen, welcher sich ganz und gar keines Unglücks befürchtet, sondern auch desjenigen, den ein jedes Unglück, auch das entfernteste, auch das unwahrscheinlichste, in Angst setzet.

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. ZweyterBand [78. Stück: 29. Januar 1768], S. 207.

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Viele Liebhaber der Bühne haben sich seit einiger Zeit merken lassen, Tragödien, wie Mis Sara, wie Romeo, wie Beverley, wären allzutraurig, erregten zu viel Thränen. Unser Dichter giebt ihnen hier eine Emilia, die keinen Strom von Thränen, sondern gleichsam nur Keime von Thränen, und einen heilsamen Schauer von Schrecken erregt.

Ramler, Karl Wilhelm (Rez.): Berlinische privilegirte Zeitung (28. 3. 1772). In: Emilia Galotti. Dokumente zu Rezeption. In: Lessing, Gotthold Ephraim: Werke und Briefe in zwölf Bänden. Herausgegeben von Wilfried Barner u.a. Band 7: Werke 1770-1773. Herausgegeben von Klaus Bohnen. Frankfurt am Main 2000 (Bibliothek deutscher Klassiker 172), S. 884.