Vorlesung: Die Literatur des 19. Jahrhunderts (SoSe 2016)
Prof. Dr. Albert Meier

Die Literatur des 19. Jahrhunderts – Friedrich Schiller

In der Spätphase seines Schaffens ist Friedrich Schiller nur in Verbindung mit Johann Wolfgang Goethe zu denken, mit welchem er das Gemeinschaftsprojekt ›Weimarer Klassik‹ betreibt. Der Beginn dieser engen Zusammenarbeit lässt sich auf den 20. Juli 1794 datieren, als Schiller und Goethe sich in Weimar begegneten; ihr Ende findet sie mit Schillers Tod im Jahr 1805.

Zu den entscheidenden Grundlagen, auf welchen der Weimarer Klassizismus aufbaut, gehören die theoretischen Überlegungen Johann Joachim Winckelmanns, denen zufolge die Orientierung an den antiken Mustern in der Neuzeit der einzige Weg sei, um weiterhin große Kunst schaffen zu können. Das entsprechende Schönheitsideal kann mit Winckelmann in der Formel „edle Einfalt, […] stille Grösse“ gefasst werden.

Ästhetik der Weimarer Klassik

Die Protagonisten der Weimarer Klassik setzen eine Analogie von Ästhetik und Ethik voraus und leiten aus dieser Annahme den Anspruch ab, mittels der Kunst das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen zu verbessern. Diesen didaktischen Mehrwert soll die Dichtung dadurch entfalten, dass sie betont artifiziell/unnatürlich gestaltet wird: Idealisierende Darstellungen, die die Differenz zwischen Realität und Kunst hervorheben, sollen für eine Brechung der Illusion sorgen und es dem Publikum so ermöglichen, das poetische Geschehen mit innerer Distanz und somit reflektiert zu verfolgen. Mit diesem Kunstverständnis wendet sich die Weimarer Klassik gegen die Tradition Lessings, der Natürlichkeit (statt Stilisierung) und Identifikation (statt reflektierende Distanz) als beherrschende Kunstprinzipien postuliert hat.

Die Braut von Messina

In seinem Drama Die Braut von Messina versucht Schiller durch explizite Orientierung am Vorbild der attischen Tragiker das Stilideal der Weimarer Klassik besonders streng umzusetzen. Zwar weicht das Drama in einigen Punkten – beispielsweise durch die Gestaltung eines frei erfundenen, d.h. nicht als Mythos tradierten Stoffes sowie die gelegentliche Verwendung des unklassischen Reims – vom antiken Vorbild ab; Schiller gelingt es jedoch besonders durch Verwendung des Hochstils sowie die Wiedereinführung eines Chors, die poetische Künstlichkeit (im Sinne einer Differenz zur Realität) seines Dramas zu betonen. Dadurch wird dem Zuschauer eine reflektierende Rezeption der Handlung ermöglicht, sodass der Rezipient sich speziell mit der komplizierten Frage nach einer eventuellen ›Schuld‹ der Protagonisten auseinandersetzen muss.

Zudem findet das für antike Tragödien kennzeichnende Merkmal der Anagnorisis (Wiedererkennung) – eine Form der Handlungsgestaltung, bei der erst im Laufe des Stückes die tatsächliche Beziehungen zwischen Figuren aufgedeckt werden – in Schillers Drama mustergültig Anwendung: Die Brüder Don Manuel und Don Cesar verlieben sich zunächst beide (ohne von der Liebe des jeweils anderen zu wissen) in Beatrice. Als Don Cesar seinen Bruder zusammen mit Beatrice entdeckt, ersticht er Don Manuel, um schließlich zu erfahren, dass es sich bei Beatrice um seine (und Don Manuels) eigene Schwester handelt – eine Erkenntnis, die den aus Eifersucht an seinem Bruder begangenen Mord retrospektiv endgültig sinnlos macht und Don Cesar schließlich in den Suizid treibt.

Winckelmann, Johann Joachim: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In: Winckelmann, Johann Joachim: Kleine Schriften. Vorreden – Entwürfe. Herausgegeben von Walther Rehm. Mit einer Einleitung von Hellmut Sichtermann. Berlin 1968, S. 27-59, hier S. 29.

Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe, 23. 8. 1794:

»Wären Sie als ein Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und hätte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisierende Kunst Sie umgeben, so wäre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie dann die Form des Notwendigen aufgenommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen hätte sich der große Styl in Ihnen entwickelt. Nun da Sie ein Deutscher geboren sind, da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden, oder Ihrer Imagination das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhülfe der Denkkraft zu ersetzen, und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebären.«

[Goethe, Johann Wolfgang: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805. Herausgegeben von Manfred Beetz. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Band 8,1: Text. München/Wien 1990, S. 14.]


Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe, 31. 8. 1794:

»Ihr Geist wirkt in einem außerordentlichen Grade intuitiv, und alle Ihre denkenden Kräfte scheinen auf die Imagination, als ihre gemeinschaftliche Repräsentantin gleichsam kompromittiert zu haben. Im Grund ist dies das höchste, was der Mensch aus sich machen kann, sobald es ihm gelingt, seine Anschauung zu generalisieren und seine Empfindung gesetzgebend zu machen.
[…] Mein Verstand wirkt eigentlich mehr symbolisierend, und so schwebe ich als eine ZwitterArt, zwischen dem Begriff und der Anschauung, zwischen der Regel und der Empfindung, zwischen dem technischen Kopf und dem Genie. […] Noch jetzt begegnet es mir häufig genug, daß die Einbildungskraft meine Abstraktionen, und der kalte Verstand meine Dichtung stört.«

[Goethe, Johann Wolfgang: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805, S. 19.]


Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe, 2. 3. 1798:

»Es ist wirklich der Bemerkung wert, daß die Schlaffheit über ästhetische Dinge immer sich mit der moralischen Schlaffheit verbunden zeigt, und daß das reine strenge Streben nach dem hohen Schönen, bei der höchsten Liberalität gegen alles was Natur ist, den Rigorism im moralischen bei sich führen wird.«

[Goethe, Johann Wolfgang: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805, S. 541.]


Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe, 25. 6. 1799:

»Das einzige Verhältnis gegen das Publikum, das einen nicht reuen kann, ist der Krieg […]«

[Goethe, Johann Wolfgang: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805, S. 711 f.]


Friedrich Schiller: Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen (1792):

»Nur indem [die Kunst] ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllt, wird sie einen wohlthätigen Einfluß auf die Sittlichkeit haben; aber nur indem sie ihre völlige Freyheit ausübt, kann sie ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllen.«

[Schiller, Friedrich: Ueber den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen. In: Neue Thalia. Herausgegeben von Friedrich Schiller. 1. Band. Leipzig 1792, S. 92-125, hier S. 96. Online verfügbar unter http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufkl/neuethalia/neuethalia.htm, 28.04.2016.]


Johann Wolfgang Goethe: Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen (1800):

»Wer Großes will muß sich zusammen raffen.
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.«

[Goethe, Johann Wolfgang: Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Band 6,1: Weimarer Klassik 1798-1806 I. Herausgegeben von Victor Lange. München/Wien 1986, S. 780 (v. 12-14). ]


Johann Joachim Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst:

»Der eintzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten«.

[Johann Joachim, Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In: Winckelmann, Johann Joachim: Kleine Schriften. Vorreden – Entwürfe. Herausgegeben von Walther Rehm. Mit einer Einleitung von Hellmut Sichtermann. Berlin 1968, S. 27-59, hier S. 29.]


»Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der Griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Grösse, so wohl in der Stellung als im Ausdruck.«

[Johann Joachim, Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst, S. 43. ]


Friedrich Schiller an Gottfried Körner, 13. 5. 1801:

»Ich habe große Lust, mich nunmehr in der einfachen Tragödie, nach der strengsten griechischen Form zu versuchen«.

[Schiller, Friedrich: Schillers Werke. Nationalausgabe. Begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von Liselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Herausgegeben von Norbert Oellers und Siegfried Seidel. Band 31: Briefwechsel. Schillers Briefe, 1.1.1801 – 31.12.1802. Herausgegeben von Stefan Ormanns. Weimar 1985, S. 35.]


Quintus Horatius Flaccus: De arte poetica / Das Buch von der Dichtkunst:

»[…] vos exemplaria Graeca / nocturna versate manu, versate diurna.«

[Quintus Horatius Flaccus: De arte poetica / Das Buch von der Dichtkunst. In: Horaz: Sämtliche Werke. Lateinisch und deutsch. Teil II: Sermones und Epistulae. Übersetzt und zusammen mit Hans Färber bearbeitet von Wilhelm Schöne. 11. Auflage, München 1993 (Sammlung Tusculum), S. 538-575, hier S. 558/559 (v. 268f.).]


»Nehmt ihr euch zu Mustern die Griechen: nehmt sie zu jeder Zeit zur Hand, bei Tag und Nacht.«

[Ebd.]


Friedrich Schiller an August Wilhelm Iffland, 24. 2. 1803:

»[…] eine einfache Handlung, wenig Personen, wenig Ortsveränderung, eine einfache Zeit von einem Tag und einer Nacht, vornehmlich aber der Gebrauch des Chors, so wie er in der alten Tragödie vorkommt«.

[Schiller, Friedrich: Schillers Werke. Nationalausgabe. Begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von Liselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Herausgegeben von Norbert Oellers und Siegfried Seidel. Band 32: Schillers Briefe, 1.1.1803 – 9.5.1805. Herausgegeben von Axel Gellhaus. Weimar 1984, S. 15.]


Friedrich Schiller an Christian Gottfried Körner, 9. 9. 1802:

»[…] das Stück läßt sich wirklich zu einer äschyleischen Tragödie an.«

[Schiller, Friedrich: Schillers Werke. Nationalausgabe. Begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von Liselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Herausgegeben von Norbert Oellers und Siegfried Seidel. Band 31: Briefwechsel. Schillers Briefe, 1.1.1801 – 31.12.1802. Herausgegeben von Stefan Ormanns. Weimar 1985, S. 159.]


Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie:

»Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie. In: Schiller, Friedrich: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Berliner Ausgabe. Herausgegeben von Hans-Günther Thalheim mit Peter Fix, Jochen Golz, Waltraud Hagen, Matthias Oehme, Regine Otto und Barthold Pel- zer. Band 5. Bearbeiter des Bandes: Matthias Oehme. Berlin 2005, S. 7-15, hier S. 7.]


»Aber indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauers nicht aufheben, sondern veredeln. Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie. In: Schiller, Friedrich: Sämtliche Werke. Berliner Ausgabe. Band 5, S. 8.]


»Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuß verschafft. Der höchste Genuß aber ist die Freiheit des Gemüts in dem lebendigen Spiel aller seiner Kräfte.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 8]


»Es ergibt sich daraus von selbst, daß der Künstler kein einziges Element aus der Wirklichkeit brauchen kann, wie er es findet, daß sein Werk in allen seinen Teilen ideell sein muß, wenn es als ein Ganzes Realität haben und mit der Natur übereinstimmen soll.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 9 f.]


»Auch [in der Tragödie] hatte man lange und hat noch jetzt mit dem gemeinen Begriff des Natürlichen zu kämpfen, welcher alle Poesie und Kunst gerade zu aufhebt und vernichtet.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 10.]


»Durch Einführung einer metrischen Sprache ist man indes der poetischen Tragödie schon um einen großen Schritt näher gekommen.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 10.]


»Die Einführung des Chors wäre der letzte, der entscheidende Schritt − und wenn derselbe auch nur dazu diente, dem Naturalism in der Kunst offen und ehrlich den Krieg zu erklären, so sollte er uns eine lebendige Mauer sein, die die Tragödie um sich herumzieht, um sich von der wirklichen Welt rein abzuschließen, und sich ihren idealen Boden, ihre poetische Freiheit zu bewahren.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 10.]


»Die Handlungen und Schicksale der Helden und Könige sind schon an sich selbst öffentlich, und waren es in der einfachen Urzeit noch mehr. Der Chor war folglich in der alten Tragödie mehr ein natürliches Organ, er folgte schon aus der poetischen Gestalt des wirklichen Lebens.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 11.]


»In der neuen Tragödie wird [der Chor] zu einem Kunstorgan, er hilft die Poesie hervorbringen. Der neuere Dichter findet den Chor nicht mehr in der Natur, er muß ihn poetisch erschaffen und einführen, das ist, er muß mit der Fabel, die er behandelt, eine solche Veränderung vornehmen, wodurch sie in jene kindliche Zeit und in jene einfache Form des Lebens zurückversetzt wird.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 11.]


»Der Chor leistet daher dem neuern Tragiker noch weit wesentlichere Dienste als dem alten Dichter, eben deswegen, weil er die moderne gemeine Welt in die alte poetische verwandelt, weil er ihm alles das unbrauchbar macht, was der Poesie widerstrebt, und ihn auf die einfachsten ursprünglichsten und naivsten Motive hinauftreibt.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 11.]


»Was das gemeine Urteil an dem Chor zu tadeln pflegt, daß er die Täuschung aufhebe, daß er die Gewalt der Affekte breche, das gereicht ihm zu seiner höchsten Empfehlung, denn eben diese blinde Gewalt der Affekte ist es, die der wahre Künstler vermeidet, diese Täuschung ist es, die er zu erregen verschmäht.«

[chiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 13 f.]


»Ich habe den Chor zwar in zwei Teile getrennt und im Streit mit sich selbst dargestellt; aber dies ist nur dann der Fall, wo er als wirkliche Person und als blinde Menge mithandelt. Als Chor und als ideale Person ist er immer eins mit sich selbst. Ich habe den Ort verändert und den Chor mehrmals abgehen lassen; aber auch Äschylus, der Schöpfer der Tragödie, und Sophokles, der größte Meister in dieser Kunst, haben sich dieser Freiheit bedient.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 14.]


Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören:

DER GANZE CHOR.
Aber treff’ ich dich draußen im Freien,
Da mag der blutige Kampf sich erneuen,
Da erprobe das Eisen den Mut.

ERSTER CHOR.
Dich nicht haß ich! Nicht du bist mein Feind!
Eine Stadt ja hat uns geboren,
Jene sind ein fremdes Geschlecht.
Aber wenn sich die Fürsten befehden,
Müssen die Diener sich morden und töten,
Das ist die Ordnung, so will es das Recht.

ZWEITER CHOR.
Mögen sie’s wissen,
Warum sie sich blutig
Hassend bekämpfen! Mich ficht es nicht an.
Aber wir fechten ihre Schlachten,
Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann,
Der den Gebieter läßt verachten.

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören. In: Schiller, Friedrich: Sämtliche Werke. Berliner Ausgabe. Band 5 (Vgl. Anm. 15), S. 19-100, hier S. 30 (v. 396 ff.).]


Friedrich Schiller: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie:

»Eine andere Freiheit, die ich mir erlaubt, möchte schwerer zu rechtfertigen sein. Ich habe die christliche Religion und die griechische Götterlehre vermischt angewendet, ja selbst an den maurischen Aberglauben erinnert. Aber der Schauplatz der Handlung ist Messina, wo diese drei Religionen teils lebendig, teils in Denkmälern fortwirkten und zu den Sinnen sprachen.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 14 f.]


Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören:

»ISABELLA.
Nicht Worte sind’s, die diesen traur’gen Streit
Erledigen – Hier ist das Mein und Dein,
Die Rache von der Schuld nicht mehr zu sondern.
– Wer möchte noch das alte Bette finden
Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß?
Des unterirdschen Feuers schreckliche
Geburt ist alles, eine Lavarinde
Liegt aufgeschichtet über dem Gesunden.«

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören. In: Schiller, Friedrich: Sämtliche Werke. Berliner Ausgabe. Band 5 (Vgl. Anm. 15), S. 19-100, hier S. 30 (v. 396 ff.).]


»ISABELLA.
Nicht zweimal hat der Mond die Lichtgestalt
Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl
Zu seiner letzten Ruhestätte trug,
[…].«

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (Anm. 27), S. 19 (v. 13 ff.).]


»ISABELLA.
[…]
Ihr habt sie unter euch in freud’ger Kraft
Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs
Aus unbekannt verhängnisvollem Samen
Auch ein unsel’ger Bruderhaß empor,
Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,
Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.«

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (Anm. 27), S. 19 (v. 22 ff.).]


»Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (Anm. 27), S. 100 (v. 2838 f.).]


»Isabella Alles dies
Erleid’ ich schuldlos […].«

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (Anm. 27), S. 90 (v. 2506 f.).]


Friedrich Schiller: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie:

»Die wahre Kunst aber hat es nicht bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen, es ist ihr ernst damit, den Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit zu versetzen, sondern ihn wirklich und in der Tat frei zu machen, und dieses dadurch, daß sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt, die sonst nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt, in eine objektive Ferne zu rücken, in ein freies Werk unsers Geistes zu verwandeln, und das Materielle durch Ideen zu beherrschen.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 8.]


Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie:

»Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muß natürlicher Weise am tiefsten in unsere Seele dringen […].«

[Lessing, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie. In: Ders.: Werke. Vierter Band: Dramaturgische Schriften. In Zusammenarbeit mit Karl Eibl, Helmut Göbel, Karl S. Guthke, Gerd Hillen, Albert von Schirnding und Jörg Schönert. Herausgegeben von Herbert G. Göpfert. Bearbeiter dieses Bandes: Karl Eibl. München 1973, S. 229-720, hier S. 294. ]


Friedrich Schiller: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie:

»Denn das Gemüt des Zuschauers soll auch in der heftigsten Passion seine Freiheit behalten, es soll kein Raub der Eindrücke sein, sondern sich immer klar und heiter von den Rührungen scheiden, die es erleidet.«

[Schiller, Friedrich: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie (Anm. 15), S. 13.]


Friedrich Schiller: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören:

»DON CESAR gegen den Sarg gewendet:
Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir
Entziehen – deine Stimme aus dem Sarg
Ruft mächtger dringend als der Mutter Tränen
Und mächtger als der Liebe Flehn – Ich halte
In meinen Armen, was das irdsche Leben
Zu einem Los der Götter machen kann –
Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein,
Und deine heilge Unschuld ungerächet
Im tiefen Grabe liegen – das verhüte
Der allgerechte Lenker unsrer Tage,
Dass solche Teilung sei in seiner Welt –
– Die Tränen sah ich, die auch mir geflossen,
Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir.«

[Schiller, Friedrich: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (Anm. 27), S. 99 f. (v. 2822 ff.).]


Friedrich Schiller: Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen:

»Ein Mensch, der wegen einer verletzten moralischen Pflicht verzweifelt, tritt eben dadurch zumGehorsam gegen dieselbe zurück, und je furchtbarer seine Selbstverdammung sich äußert, desto mächtiger sehen wir das Sittengesetz ihm gebieten.«

[Schiller, Friedrich: Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen. In: Schiller, Friedrich: Werke und Briefe. In 12 Bänden. Herausgegeben von Otto Dann, Axel Gellhaus, Klaus H. Hilzinger, Heinz G. Ingenkamp, Rolf-Peter Janz, Gerhard Kluge, Herbert Kraft, Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Stefan Ormanns. Band 8: Theoretische Schriften. Herausgegeben von Rolf-Peter Janz unter Mitar- beit von Hans Richard Brittnacher, Gerd Kleiner und Fabian Störmer. Frankfurt a.M. 1992, S. 234-250, hier S. 245.]