Postmoderne Klassiker der Weltliteratur

Jorge Luis Borges zufolge bringt jeder große Schriftsteller die eigenen Vorläufer hervor: »Er erschafft und rechtfertigt sie gewissermaßen. Was wäre beispielsweise Marlowe ohne Shakespeare?«.[1] In diesem Sinne können, wenn man denn will, schon Dante Alighieris Divina Commedia (1321 vollendet), François Rabelais’ Gargantua- und Pantagruel-Romane (ab 1532), William Shakespeares A Midsummer Night’s Dream (um 1600) und erst recht Miguel de Cervantes’ Don Quijote (1605/15) als Vorläufer der Postmoderne gelten. Sie alle behaupten auf je eigene Art die Freiheit der Dichtung und haben – zumindest zu ihrer Zeit – den hochliterarischen Anspruch mit populärer Zugänglichkeit verbunden.

Zweifellos gehört auch Jorge Luis Borges selbst zu den Wegbereitern postmodernen Schreibens, weil seine Erzählungen die Unabhängigkeit der Poesie von allen Beschränkungen der Lebenswelt immer wieder erfahrbar machen und nicht wenige seiner Essays zumindest im Ansatz schon poststrukturalistische Konzepte reflektieren (etwa in Del culto de los libros, 1951: Vom Bücherkult). Ähnlich wie Jacques Derrida dürfte er sagen, dass seine Texte »weder in ein ›philosophisches‹ noch in ein ›literarisches‹ Register gehören«,[2] wie etwa das Examen de la obra de Herbert Quain (›Untersuchung des Werks von Herbert Quain‹) zeigt: Im Gestus von Sachprosa beschreibt ein Ich-Erzähler die fiktiven Arbeiten des ebenso fiktiven Autors Herbert Quain, der von der literarischen Öffentlichkeit kaum beachtet worden ist und im Unterschied zur communis opinio der Meinung war, »daß die gute Literatur ziemlich landläufig ist, und daß fast jede Straßenunterhaltung ihr Niveau erreicht«.[3] In ihrer labyrinthischen Konzeption verfahren offenbar alle Veröffentlichungen des nun verstorbenen Quain bereits in derjenigen selbstrekursiven Weise, die später auch die genuinen Vertreter der Postmoderne aufweisen: Ein Kriminalroman zwingt die Leser dazu, scharfsichtiger zu sein als der Detektiv, damit sie in der wiederholten Lektüre die eigentliche Lösung entdecken; ein nur im dritten Teil vorliegender Roman verarbeitet seine Themen rückläufig, schreitet dabei von einer alternativen Möglichkeit zur nächsten und besteht somit aus neun divergierenden Romanen, die jeweils unterschiedliche Genres bedienen; bei der erfolgreich aufgeführten heroischen Tragödie treten die Personen des ersten Akts im zweiten unter veränderten Namen und Umständen wieder auf. Quains ›Ende 1939‹ veröffentlichte Statements beziehen schließlich die Leser als ›unvollkommene Schriftsteller‹ ein, indem alle acht Erzählungen mindestens ein ›gutes Thema‹ enthalten, »das jedoch vom Autor absichtlich zu Fall gebracht wird«,[4] so dass die Leser meinen müssen, sie hätten alles selbst erfunden (der Ich-Erzähler gesteht zuletzt, der dritten Statements-Erzählung eine Geschichte entnommen zu haben, die in Wahrheit zu Jorge Luis Borges’ Sammlung El jardín de los senderos que se bifurcan gehört: Las ruinas circulares (›Der Garten der Pfade, die sich verzweigen‹, 1941).

Im engeren Sinn lassen sich freilich nur diejenigen Romantexte mit Grund für die Postmoderne vereinnahmen, die sie vor dem Hintergrund einschlägiger Theorien entstanden sind. Dies ist in den USA seit Mitte der 1960er Jahre der Fall, und die seinerzeit auffälligen Werke namentlich John Barths haben entsprechend schnell auf die westeuropäischen Literaturen aus­gestrahlt.

John Barth: Giles Goat-Boy (1966)

Der auch als Literaturwissenschaftler ausgewiesene John Barth hat seinen vierten Roman selbst als Beitrag zum »Fabulism of the Sixties«[5] bezeichnet. Die grotesk-fantastische Handlung spielt an einer Universität, die parabelhaft für die Welt im Ganzen steht und daher von den gleichen Konflikten geprägt ist wie die politisch-gesellschaftliche Gegenwart der frühen 1960er Jahre. Das gilt in erster Linie für den Kalten Krieg (›quiet riot‹), der auch das New Tammany College nach zwei Großkonflikten (›riot I/II‹) in Ost und West spaltet und den – satirisch übersteigerten ‑ Hintergrund bildet für die Autobiografie des Ich-Erzählers George Giles: Dem Schema der ›hero story‹ gemäß, wie es der Mythen-Forscher Joseph Campbell in The Hero with a Thousand Faces (1949) konzipiert hat, glaubt sich der von einem Computer mit einer Jungfrau gezeugte, dann als Ziegenbock aufgewachsene junge Mann zum künftigen ›Grand Tutor‹ berufen, um wie ein neuer Jesus die Universität zu erlösen. Was er dabei erlebt, lässt sich leicht als Karikatur der Zeitgeschichte durchschauen und ist seiner durchgehenden Intertextualität wegen (deutlich insbesondere in der breit angelegten Travestie des sophokleischen Oidipos Tyrannos: ›Taliped Decanus‹) als Parodie der okzidentalen Kulturgeschichte zu lesen.

Darüber hinaus stellt eine komplexe Rahmung die Binnengeschichte um George Giles in ihrer Textlichkeit gründlich in Frage. So bezweifelt der ›Verleger‹ in einer Vorbemerkung (›Publisher’s Disclaimer‹) die Authentizität seiner Publikation und zitiert die widersprüchlichen Gutachten von vier Lektoren. Als ›Cover-Letter to the Editors and Publisher‹ berichtet im Anschluss daran der Autor ›J. B.‹, wie er in den Besitz des Manuskripts gekommen sein will, das nun einen nicht zu Stande gekommenen Roman aus seiner Feder ersetzen soll: Ein nicht näher bekannter Giles Stoker (bzw. Stoker Giles) habe ihm die vom West Campus Automatic Computer (WESCAT) verfasste Vita seines Vater aufgedrängt und zur weiteren Verfügung überlassen, die er nun nach eigenhändigen Eingriffen an den Verlag weiterleitet (zumal sie ihm mit dem eigenen Projekt durcheinander geraten ist). Die doppelte Schließung des Rahmens verhindert endgültig, dem Text einen ›Autor‹ zuzuweisen: Kurz vor seinem Tod im beziehungsreichen Alter von 33 ⅓ Jahren will der Ich-Erzähler an WESAC noch ein ›Posttape‹ übergeben haben, doch J. B.s ›Postscript to the Posttape‹ benennt plausible Gründe, warum das Posttape für unecht zu halten sei. Dieses ›metafiktionale‹ Spiel ironisiert die Geschichte um George Giles und stört die Leser bei ihrer Gewohnheit, das Erzählte so wahrzunehmen, als würde es tatsächlich geschehen. John Barth treibt damit ein Gestaltungsprinzip auf die Spitze, das bereits das frühe 18. Jahrhundert in Ansätzen kennt, dann vom Realismus des 19. Jahrhunderts weiter entwickelt worden ist und auf unterschiedlichste Weise immer dem Zweck dient, eine scheinbar realitätskonforme Handlung in ihrer Textlichkeit zu markieren, d. h. sie als poetisch statt als authentisch erfahrbar zu machen. Die Selbstreferenzialität der Binnenhandlung allein würde Giles Goat-Boy daher noch nicht zu einem genuin ›postmodernen‹ Roman machen. Ala angemessen bestätigt sich diese Klassifikation lediglich durch das von der komplexen Rahmung betriebene Ironisieren der eingeschliffenen Auffassungen von Autorschaft in Verbindung mit der Häufung verschlüsselter Querverweise auf Literatur, Philosophie, Wissenschaft und politische Geschichte, wobei diese Realien eine groteske Übertreibung erfahren und unterhaltsam bzw. vergnüglich werden.

Thomas Pynchon: The Crying of Lot 49 (1966)

Als literarisch überzeugendster Vertreter der nordamerikanischen Postmoderne gilt Thomas Pynchon, der das Theorem vom ›Verschwinden des Autors‹ derart konsequent praktiziert, dass er in seiner Zurückgezogenheit selbst zum Mythos geworden ist. Die zumeist umfangreichen, der Vielzahl ineinander verschränkter Figuren und Handlungsstränge wegen auffällig unübersichtlichen Romane (V, 1963; Gravity’s Rainbow, 1973; Vineland, 1990; Against the Day, 2006) verzichten auf offensichtliche Rahmenfiktionen (Mason & Dixon von 1997 macht in gewisser Hinsicht eine Ausnahme). Umso mehr treiben sie ein Spiel mit der Differenz von Wirklichkeit und Erfindung, indem historische Ereignisse ›kontrafaktisch‹ verzerrt und kaum noch unterscheidbar mit nichtrealen Motiven vermischt werden. Für die Leser geht daher gerade dort die Realitätsgewissheit verloren, wo von belegbaren Dingen die Rede ist, und ähnlich wie bei Kafka wird die Hoffnung, das Rätselhafte als Parabel vernünftig entzaubern zu dürfen, immer wieder enttäuscht. Die disparaten Motive runden sich nicht zu schlüssigen Sinnzusammenhängen, obwohl sie doch in einem scheinbar psychoanalytischen Gestus archetypischen Mythos-Strukturen wie der ›Suche‹ oder der ›Verschwörung‹ zu folgen scheinen.

In stilistischer Hinsicht charakteristisch ist die virtuose Orientierung an den jeweils zeitgenös­sischen Umgangssprachen (keineswegs nur des Englischen) in Verbindung mit einer überwältigenden Anreicherung des Erzählmaterials durch polyhistorisches Bildungsgut, dem allerdings nicht in allen Fällen zu trauen ist. In dieser Nonchalance unterscheidet sich Pynchon deutlich von der enzyklopädischen Beflissenheit, wie sie namentlich John Barth pflegt, und lässt darin eine starke Affinität zur Pop-Kultur erkennen (evident vor allem im Hippie-›Kriminalroman‹ Inherent Vice, 2009). Die erzählerische Ironie kommt demzufolge weniger auf der strukturalen Ebene zum Tragen (als Dementi von Authentizität) als in vielen Details, indem die Texte überall ihre eigene Künstlichkeit ausstellen. Dieses Verfahren zeigt sich bereits im ostentativ verwickelten Einleitungssatz von Pynchons bis heute populärstem, auch kürzestem Roman The Crying of Lot 49 (1980 als Die Versteigerung von No. 49 in deutscher Übersetzung erschienen):

One summer afternoon Mrs Oedipa Maas came home from a Tupperware party whose hostess had put perhaps too much kirsch in the fondue to find that she, Oedipa, had been named executor, or she supposed executrix, of the estate of one Pierce Inverarity, a California real estate mogul who had once lost two million dollars in his spare time but still had assets numerous and tangled enough to make the job of sorting it all out more than honorary.[6]

Der Roman bricht ab, als es zur Versteigerung derjenigen Briefmarkensammlung kommen soll, von der die Zentralfigur Oedipa Maas Aufschluss darüber erwartet, ob es ›Trystero‹, ein im Untergrund arbeitendes Post-System neben der U.S. Mail, wirklich gibt. In chronologischer Folgerichtigkeit ist zuvor erzählt worden, wie Oedipa Maas unverhofft erfährt, dass ihr schwerreicher Ex-Geliebter Pierce Inverarity sie zur Testamentsvollstreckerin eingesetzt hat, woraufhin sie sich an seinen Firmensitz im fiktiven kalifornischen San Narciso begibt und mit dem juristischen Fachmann Metzger die Arbeit aufnimmt (Ehebruch eingeschlossen). Die zufällige Beobachtung eines gestopften Posthorns als rätselhaftes Symbol auf einer Toilettenwand macht Oedipa aufmerksam, und schnell häufen sich weitere Hinweise auf die Existenz einer Geheimorganisation, d. h. es beginnt »the languid and sinister blooming of The Tristero«.[7] Einerseits verliert Oedipa Maas zunehmend die Kontrolle über ihre Spurensuche und andererseits kristallisiert sich der Mythos immer deutlicher heraus: dass Trystero dem Monopol von Thurn und Taxis einst unterlegen ist, dennoch weiterbesteht und ein eigenes Kommunikationsnetz (›W.A.S.T.E.‹) für diejenigen aufgebaut hat, die sich dem öffentlichen entziehen wollen. Was im Text daran Wahrheit sein soll, bleibt für die Leser allerdings ebenso fraglich wie für die Zentralfigur.

Weil damit deutlich wird, dass Inveraritys Hinterlassenschaft letztlich ›America‹ selbst sei,[8] kann man The Crying of Lot 49 als Travestie eines Detektivromans lesen, der die nordamerikanische Befindlichkeit der 1960er Jahre auslotet und überall ›Paranoia‹ entdeckt (eine gelegentlich auftauchende Beat-Band nennt sich ›The Paranoids‹). Oedipa Maas’ Irritation würde insofern emblematisch für eine generelle Desorientierung der USA stehen, zumal sie mit zunehmender Isolation einhergeht, und nicht ohne Grund hat Pierce Inverarity sein Grundstücksimperium in ›San Narciso‹ aufgebaut. So sehr der Plot in dieser Hinsicht einer sozialkritischen Deutung zuarbeitet, so wenig geht er darin auch schon auf, weil das Geschehen überdeterminiert ist und allzuviele Motive blind bleiben. So taucht z. B. das Titelwort ›lot‹ (›Auktionslos‹) auch in den traumatischen Erinnerungen von Oedipas Ehemann an die frühere Tätigkeit als Autohändler (in einem ›car lot‹) auf und steht dennoch in keinem zwingenden Zusammenhang damit, obwohl es zugleich ›Schicksal‹ heißt. Wie ein Angehöriger der ›Anonymous Inamorati‹ einmal beiläufig erwähnt, ist ein ›Zeichen‹ eben doch bloß das, »what it is«,[9] und deutet somit auf nichts außer auf sich selbst.

Offensichtlich kommt der Geschichte von einer Amerikanerin, die sich immer mehr der Frage »if there’s a connection«[10] hingibt, mit der Zeit auch die eigene Struktur abhanden. Jedenfalls spielt das einleitende Motiv der Testamentsvollstreckung nur kurz seine Rolle und macht dann dem ›quest‹ Platz, in dessen Verlauf Oedipa Maas – als weiblicher Konterpart des mythischen Oedipus, der auf der Suche nach einem Verbrecher sich selbst als Täter entdeckt – nicht einmal am Ende erfährt, woran sie sich zu halten hat. Auf diese Weise wird von der Entropie nicht bloß erzählt, als Oedipa vergeblich mit einer Maschine zu tun hat, die angeblich nach dem Prinzip des Maxwell’schen Dämons[11] arbeitet. Vielmehr unterliegt das Erzählen selbst der Entropie, weil die anfängliche Ordnung der Handlung mit der Zeit verloren geht, und erschöpft sich im ›sophisticated fun‹,[12] wobei unkomische Motive wie der Missbrauch sterblicher Überreste amerikanischer Soldaten als Zigarettenfilter auf ein und derselben Ebene stehen mit Kalauern wie Antonio Vivaldis fiktivem ›Kazoo Concerto‹ als Kaufhaus-Musik oder dem rückwärts zu lesenden Namen der Rundfunk-Station, für die Oedipas Mann arbeitet: KCUF.

Italo Calvino: Se una notte d’inverno un viaggiatore (1979)

Wenn Umberto Eco sich in der Postille a ›Il nome della rosa‹ auf Snoopy beruft, um den schein­bar vormodernen Erzählstil seines Klosterromans zu rechtfertigen (vgl. S. 68), dann hat er diesen Einfall vielleicht Italo Calvino zu verdanken.[13] Bereits im Jahr vor dem Erscheinen von Il nome della rosa illustriert ein Poster des Peanuts-Beagle in Se una notte d’inverno un viaggiatore (deutsch 1983: Wenn ein Reisender in einer Winternacht) die Not eines jeden Schriftstellers, auf erste Worte einen ganzen Roman folgen lassen zu müssen. In den comic strips von Charles Schulz bringt es Snoopy an seiner Schreibmaschine zumeist nur bis zu ›It was a dark and stormy night[14] und plagiiert damit Alexandre Dumas’ allseits beliebten Abenteurer-Roman Les trois mousquetaires (1844), der sich in Kap. LXV (›C’était une nuit orageuse et sombre …‹) seinerseits freimütig bei der Einleitung zu Edward Bulwer-Lyttons Paul Clifford (1830) bedient.

Wenn ein Reisender in einer Winternacht – im Windschatten von Ecos Sensationserfolg ebenfalls zum internationalen Bestseller geworden – gibt sich umständlicher als Der Name der Rose, weil es bei Calvino weniger um eine fesselnde Geschichte geht als um Lust und Leid des Lesens selbst. Als Hauptfigur erweist sich demgemäß der ›Leser‹ als solcher, der im ›Buch‹ beständig als du angesprochen wird, gemeinsam mit der ›Leserin‹ Ludmilla auf eine turbulente Suche nach dem ›eigentlichen‹ Text geht und zuletzt glücklich im Ehebett landet. Indem der erste Satz die Handlung mit einem performativen Sprechakt einleitet (»Du schickst dich an, den neuen Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht von Italo Calvino zu lesen.«),[15] ist »dieses Buch« eingangs »sorgsam darauf bedacht, dem Leser, der es liest, die Möglichkeit offenzuhalten, sich mit dem ›Leser‹, der darin gelesen wird, zu identifizieren«. Die ›Leserin‹ bekommt den Namen Ludmilla, da der Roman erst durch die »notwendige Dritte Person« tatsächlich »ein Roman« wird,[16] und der letzte Satz kehrt zur performativen Manier des Anfangs zurück: »Und du: ›Einen Moment noch. Ich beende grad Wenn ein Reisender in einer Winternacht von Italo Calvino‹«.[17]

Calvinos ›Leser‹ hat den neuen Roman dieses ebenso anspruchsvollen wie (damals zumindest in Italien) populären Autors gekauft, versenkt sich in dessen Lektüre, die eingangs einen Krimi nach Art des roman noir etwa von Georges Simenon verspricht, und muss bald bemerken, dass mit S. 17 alles wieder von vorn beginnt, weil das Buch einer Fehlbindung wegen wieder und wieder nur die ersten 16 Seiten enthält. Eine Beschwerde beim Buchhändler führt nicht nur dazu, nun ein angeblich korrektes Exemplar zu bekommen, sondern zugleich Bekanntschaft mit der ›Leserin‹ zu schließen, der Gleiches geschehen ist. Beide haben freilich gar nicht das erste Kapitel des neuen Werks von ›Italo Calvino‹ gelesen, sondern aufgrund eines Versehens der Druckerei den Roman eines polnischen Autors, den sie dennoch zu Ende lesen wollen. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass es sich erneut um einen ganz anderen Text handelt, und so geht es immer weiter, bis zuletzt zehn höchst divergierende Romananfänge unbekannter Verfasser durchgespielt sind, deren Titel auffällig gespreizt klingen.

Calvino bietet damit ein Sammelsurium typischer Erzählweisen des 20. Jahrhunderts, die sich mehr oder weniger deutlich bestimmten Vorbildern wie etwa Franz Kafka zuordnen lassen und darüber hinaus von Anleihen z. B. bei Dostojewskis Schuld und Sühne (1866) zehren. Zugleich entwickelt die Rahmenhandlung selbst einen Abenteuerroman, in dessen Verlauf ›Leser‹ und ›Leserin‹ laufend neuen Texten begegnen, in fragwürdigen Staaten polizeilicher Verfolgung ausgesetzt sind und mit der Zeit einer Geheimgesellschaft bzw. Sekte namens ›Organization of Apocryphical Power‹ auf die Spur kommen. Deren Gründer Ermes Marana, der mit Ludmilla bestens bekannt ist, steckt hinter allen Buchfälschungen und Fehlübersetzungen, weil er von einer rein selbstbezüglichen Literatur träumt, die »aus lauter falschen Zuweisungen, Imitationen, Unterschiebungen und Pastiches« entsteht.[18] Ohnehin »beziehe die Literatur ihren Wert aus ihrem Mystifikationsvermögen, jawohl in der Mystifikation habe sie ihre Wahrheit, und folglich sei eine Fälschung, als Mystifikation einer Mystifikation, soviel wie eine Wahrheit in der zweiten Potenz«.[19] In romantisch-postmoderner Ironie liest sich Se una notte d’inverno un viaggiatore daher auch als Kompendium postmoderner Poetik: Wie bei Michel Foucault ist von der »Funktion des Autors« (vgl. S. 59) die Rede;[20] an anderer Stelle wird Derridas écriture-Konzept mit Blick auf Roland Barthes’ Über­legungen zu ›schreiben‹ als intransitivem Verb[21] weitergeführt: »Und was ist mit dem Verbum ›lesen‹? Wird man je sagen können ›heute liest es‹, so wie man sagt ›heute regnet es‹?«.[22] Dass das fragmentarisch mitgeteilte Tagebuch des mit Marana befreundeten Erfolgsautors Silas Flannery die genaue Skizze von Calvinos Idee zu dem Roman, in dem sie steht, enthält,[23] wahrt demgegenüber den Rahmen romantischer Transzendentalpoesie.[24]

Das elfte Kapitel führt den ›Leser‹ schließlich in eine große Bibliothek, in der die zehn bislang nur angelesenen Romane zwar nachgewiesen sind, sich aus den unterschiedlichsten Gründen aber nicht aushändigen lassen. Als sich im vielstimmigen Gerede der anderen Leser über ihre jeweilige Leselust herausstellt, dass die zehn Romantitel in ihrer Reihe selber wiederum einen Romananfang bilden, sobald der ›Leser‹ einen elften Titel hinzufügt, lässt ihn das begreifen, dass auch der eigene ›Roman‹ zum Abschluss gebracht werden muss: weniger der »Unausweichlichkeit des Todes« wegen als im »Fortgang des Lebens«.[25] Das zwölfte, letzte und auffällig knappe Kapitel zeigt ›Leser‹ und ›Leserin‹ daher gemeinsam im Bett, als sie ihre Parallel-Lektüren beenden, und deutet damit diskret auf die Urszene des Widerstreits von Lesen und Leben/Lieben zurück, die Dantes Inferno am unseligen Beispiel von Paolo und Francesca da Rimini schildert, die ihre erotische Lektüre einst widerrechtlich in die Praxis umgesetzt haben: »Quel giorno più non vi leggemmo avante« (Inferno V, v. 138: ›An jenem Tag lasen wir nicht weiter‹).

Dass dieser ›Meta-Roman‹ die erhoffte »Rückkehr zu einem natürlichen, unschuldigen, ursprünglichen Lesen«[26] verweigert, versteht sich bei einem poetologisch so versierten Autor wie Italo Calvino von selbst. Wie Umberto Ecos junger Mann, der seine Liebeserklärung nur als erklärtes Zitat noch machen kann, erzählt auch Wenn ein Reisender in einer Winternacht seine Geschichte als ›enunciazione al quadrato‹ (vgl. 19f.), indem er das der Moderne zentrale Theorem vom unmöglichen gewordenen Erzählen zum Thema des eigenen Erzählens macht und es so auf paradoxe Weise doch noch einmal gelingen lässt.

Milan Kundera: Nesnesitelná lehkost bytí (1985)

So oft sich der Erzähler des tschechischen, zuerst aber 1984 in französischer Übersetzung erschienenen Romans[27] als ›Autor‹ bzw. als ›Ich‹ in die eigene Geschichte einmischt, so unentscheidbar ist, inwiefern die privaten Schicksale seiner Protagonisten als frei erfunden gelten dürfen oder ob sie nicht doch in verschlüsselter Form von tatsächlichen Lebensläufen im Gefolge der ›russischen‹[28] Okkupation der Tschechoslowakei 1968 berichten. Milan Kunderas Roman spielt jedenfalls unter den durch gelegentliche ›Wirklichkeitseffekte‹[29] wie der Tragödie um den oppositionellen Schriftsteller Jan Procházka (1929-1971) zwar nur angedeuteten, historisch aber genau benannten Rahmenbedingungen des totalitären Systems in der ČSSR und nimmt illusionslos Stellung zur historischen Einsicht, dass die »Verbrüderung aller Menschen dieser Welt […] nur durch den Kitsch zu begründen sein wird«.[30]

Die gründlichste Reflexion des Verhältnisses zwischen Erzähler und Handlung spricht ausdrücklich von einem ›Roman‹, dessen Figuren »nicht wie lebendige Menschen aus einem Mutterleib, sondern aus einer Situation, einem Satz, einer Metapher geboren« werden, »in deren Kern eine Möglichkeit des Menschen verborgen liegt, von der der Autor meint, dass sie noch nicht entdeckt oder dass noch nichts Wesentliches darüber gesagt worden sei«. Zugleich verweist der ›Autor‹ darauf, dass er vielleicht »nur über sich selbst reden kann«, sodass die Personen des Romans nichts als seine »eigenen Möglichkeiten« wären, »die sich nicht verwirklicht haben«.[31] Tomas und Teresa, Sabina und Franz müssen also nicht so »tatsächlich gelebt«[32] haben, wie der ›Autor‹ seinen Lesern es erzählt; viel eher sind diese Figuren aus zufälligen Realitätsmomenten heraus »nach den Gesetzen der Schönheit« entwickelt, weshalb es auch keinem Leser verwehrt sein kann, den Arzt Tomas, die männliche Hauptfigur, als alter ego seines empirischen Verfassers wahrzunehmen. Mit gleichem Recht dürfen die essayistischen Passagen des Romans statt Milan Kundera jeweils Tomas oder vielleicht Teresa zugerechnet werden, wodurch sie ihren theoretischen Charakter gegen einen fiktionalen Status eintauschen würden und allein »im Magnetfeld einer Figur« Geltung besäßen.[33] Der Roman-Text erlaubt jedenfalls nicht, solche Fragen verbindlich zu beantworten, und er darf sie offen lassen, da seine literarische ›Weisheit‹ doch nur die »Weisheit der Ungewißheit« ist.[34] Erzählt wird entschieden ›polyphon‹, insofern der Erzähler keine bestimmte Figur oder Perspektive privilegiert, sondern die »Wahrheit in der Pluralität, im Bewußtsein aller Romanfiguren sucht«.[35]

Indem das erzählende ›Ich‹ das Leben der Menschen als »komponiert wie ein Musikstück« erläutert, beschreibt es sein eigenes Vorgehen in Analogie zum Leben eines jeden Einzelnen, der etwas Zufälliges wie ein ›Motiv‹ behandelt, »das er in die Partitur seines Lebens einbeschreibt«. In der gleichen Weise verfährt Kundera musikalisch, wenn er Details wie das biblische Bild des in einem Weidenkörbchen ausgesetzten Moses[36] immer neu zum Einsatz bringt: »Er nimmt es wieder auf, wiederholt es, variiert und entwickelt es weiter, wie ein Komponist die Themen seiner Sonate transponiert«. ›Romanhaft‹ darf daher nicht »als ›erfunden‹, ›künstlich‹ oder ›lebensfremd‹«[37] missverstanden werden, weil diese ästhetische Organisation vielmehr als realitätskonform gelten soll. Folgerichtig werden auch Träume der weiblichen Hauptfigur so wiedergegeben, als würde es sich um reale Ereignisse handeln, und nur ihre faktische Unwahrscheinlichkeit erlaubt den Lesern, innerhalb der Fiktion zwischen ›real‹ und ›eingebildet‹ zu unterscheiden; Teresa selbst ist nicht mehr imstande, Traum und Wirklichkeit zuverlässig auseinanderzuhalten.[38]

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, der 1988 von Hollywood verfilmte Welt-Bestseller des tschechischen Exil-Autors Milan Kundera, ist gleichermaßen eine Erzählung vom Leben in einem Überwachungsstaat, in den sich die ČSSR nach der gewaltsamen Beendigung des kurzen Experiments eines ›Sozialismus mit menschlichem Antlitz‹ (›Prager Frühling‹) verwandelt hat, und philosophischer Grundlagen-Essay über Notwendigkeit und Schuld, Freiheit und Glück. Reflektierende Passagen unterfüttern die kaleidoskopartigen, auf chronologische Stetigkeit verzichtenden Schilderungen von individuellen Biografien unter politischen Bedingungen, und die fragmentierte Erzählweise reagiert selbst wiederum auf die philosophische Idee, dass das Leben »immer einer Skizze« gleicht, die freilich »eine Skizze von nichts ist, ein Entwurf ohne Bild«:[39] Der hochtalentierte Arzt Tomas, der trotz seiner Liebe zur ehemaligen Serviererin Teresa zahllose Affären hat, kehrt Teresas wegen aus dem Schweizer Exil ins besetzte Prag zurück und nimmt in Kauf, dass er aufgrund eines systemkritischen Aufsatzes immer weiter degradiert wird, bis er sich zuletzt als Lastwagenfahrer auf ein Dorf zurückzieht und bei einem Verkehrsunfall gemeinsam mit Teresa ums Leben kommt; die Künstlerin Sabina, die in Prag und Genf auch mit Tomas ein Verhältnis hat, macht im Westen Karriere, während ihr Pariser Lebensgefährte, der Philosoph Franz, glaubt, sich für die Freiheit Kambodschas engagieren zu müssen und in Thailand von Kleinkriminellen erschlagen wird (Kundera satirisiert hier den medienwirksamen, doch kläglich gescheiterten Versuch von Künstlern und Intellektuellen aus Europa und den USA 1980, unter Führung von Joan Baez der Bevölkerung des von Vietnam besetzten Kambodscha medizinische Hilfe zu bringen). Dass diese Strukturierung der Romanhandlung durch zwei aufeinander bezogene Liebespaare das Modell von Lew Tolstois Anna Karenina (1877/78) variierend aktualisiert,[40] wird in der Erzählung selbst dadurch angedeutet, dass Teresa am Beginn ihrer Beziehung mit Tomas Tolstois Roman liest und ihr gemeinsamer Hund auf den Namen ›Karenin‹ hört.

Bevor im Siebten Teil unter der Überschrift ›Das Lächeln Karenins‹ parallel zum Sterben des Hundes auch die letzte, vielleicht glücklichste Etappe im Leben von Tomas und Teresa erzählt wird, findet sich im Sechsten Teil ›Der Große Marsch‹ eine eher essayistisch als narrativ angelegte Abrechnung mit allen »europäischen Glaubensrichtungen, den religiösen wie den politischen,« die unbeschadet aller Unterschiede immer darauf hinauslaufen, das »kategorische Einverständnis mit dem Sein« zu bestätigen, anstatt »am Sein zweifeln« zu lassen. Weil die »Unannehmbarkeit der Schöpfung«, die jeder Toilettengang doch tagtäglich beweist, verleugnet wird, kann das »ästhetische Ideal« des vorbehaltlosen Einverständnisses nur im ›Kitsch‹ bestehen: »Kitsch ist die absolute Verneinung der Scheiße; im wörtlichen wie im übertragenen Sinne«. Wenn Kitsch aber die Verblendung gegen alles bedeutet, »was an der menschlichen Existenz im Wesentlichen unannehmbar ist«,[41] dann ist auch die ›Vorstellung des Großen Marsches‹ nichts als politischer Kitsch, wie er namentlich den ›linken‹ Utopien zugrunde liegt. Kunderas Roman-Dementi aller emanzipatorischen Weltverbesserungshoff­nungen deckt sich in dieser Hinsicht – kaum zufällig – mit Jean-François Lyotards These vom ›Ende der Erzählungen‹ (vgl. S. 36f.), die in gleicher Weise auf den Bruch kommunistischer Versprechungen im Realsozialismus reagiert.

So dezidiert Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins den politisch-ethischen Hoffnungen auf eine ebenso gerechte wie freie Gesellschaft im Sozialismus eine Absage erteilt, so unbeantwortet lässt der Roman die Frage nach dem – titelgebenden – Kernproblem, das die einleitenden Überlegungen zu Friedrich Nietzsches ›Mythos von der Ewigen Wiederkehr‹ und zur Bevorzugung des ›Leichten‹ gegenüber dem ›Schweren‹ bei Parmenides aufwerfen. Würde sich alles immer gleich wiederholen, dann müssten alle Dinge »ohne den mildernden Umstand ihrer Vergänglichkeit« wahrnehmbar sein, sodass »auf jeder Geste die Schwere einer unerträglichen Verantwortung« lastete. In einer Welt wie der unseren, »die wesentlich auf dem Nichtvorhandensein der Wiederkehr begründet ist«, wäre demgegenüber »alles auf zynische Weise erlaubt« und das Leben könnte »vor diesem Hintergrund in seiner ganzen herrlichen Leichtigkeit erscheinen«: »Was also soll man wählen? Das Schwere oder das Leichte?«, wenn das Schwere doch »unser Leben der Erde« annähert und es »desto wirklicher und wahrer« macht, während das Leichte zur Folge hat, dass der Mensch »sich von der Erde, vom irdischen Sein entfernt«, sodass »seine Bewegungen ebenso frei wie bedeutungslos sind«.[42]

Paul Auster: City of Glass (1985) – Ghosts (1986) – The Locked Room (1987)

Die drei kurzen Romane, 1987 zu The New York Trilogy (dt. Die New York Trilogie, 1987) zusammengefasst, sind nicht allein durch das gemeinsame Motiv detektivischer Nachforschung verbunden. Sie stimmen auch darin überein, dass jeweils ein Notizbuch im Mittelpunkt steht, und es überrascht nicht, wenn der Ich-Erzähler, der ohnehin die gesamte Trilogie geschrieben haben will, gegen Ende des dritten Teils erklärt, es handle sich stets um »finally the same story, but each one represents a different stage in my awareness of what it is about«.[43] Im vordergründigen Gestus der Kriminalromane von Dashiell Hammet oder Raymond Chandler wird dennoch verweigert, was diese ausmacht: eine spannende Handlung mit klarem Ende.

Ähnlich wie in Umberto Ecos Der Name der Rose trägt das populäre Schema der Detektiv-Geschichte vielmehr ein Erzählen, das mit ›Autorschaft‹, ›Intertextualität‹ und ›Schrift‹ die zentralen Aspekte postmoderner Literaturtheorie planvoll aufgreift, sie jedoch in amerikanischer Entspanntheit ausspielt. So macht in City of Glass (dt. Stadt aus Glas, 1987) ein Religionshistoriker unter Berufung auf John Miltons Epos Paradise Lost den Sündenfall Adams (mit seiner Wiederholung in der babylonischen Sprachverwirrung) für den Verlust unserer Ursprache verantwortlich, in der einst jeder Name das eigentliche Wesen der bezeichneten Sache zum Ausdruck gebracht haben soll: »A thing and its name were interchangeable. After the fall, this was no longer true«.[44] Von der heilsgeschichtlichen Perspektive abgesehen, die der vielleicht geistesgestörte Sprachtheologe mit einer Bemerkung Humpty Dumptys (das sprechende Ei  aus Lewis Carrolls Through the Looking-Glass, 1871) rechtfertigt,[45] trifft diese Überlegung bei aller Vereinfachung den Grundgedanken von Derridas différance recht gut: »Names became detached from things; words devolved into a collection of arbitrary signs; language had been severed from God«.[46]

City of Glass treibt ein potenziertes Kippfiguren-Spiel mit der prekären Beziehung des Autors zu seiner Geschichte. David Quinn ist ein halbwegs erfolgreicher Verfasser von ›mystery novels‹, in denen er unter dem (auf eine gleichnamige Doppelgänger-Erzählung Edgar Allan Poes verweisenden) Pseudonym ›William Wilson‹ eine Figur namens Max Work die Fälle lösen lässt. Als der seit dem Unfalltod von Frau und Sohn zurückgezogen lebende Krimi-Autor rätselhafte Telefonanrufe erhält, die einem Detektiv ›Paul Auster‹ gelten, geht er auf die Verwechslung ein und übernimmt (unter dem bürgerlichen Namen seines empirischen Verfassers) den Auftrag, den ominösen ›Peter Stillman‹ (›that is not my real name‹, heißt es oft genug) vor dessen Vater zu schützen. Hat sich Daniel Quinn nicht als Autor seiner Werke verstanden und keine Verantwortung dafür empfunden,[47] nimmt er die neue Pflicht nun umso mehr über die Maßen ernst, als seine Observation gegenstandslos bleibt. Zuletzt sucht er als verwahrloster Stadtstreicher ›Paul Auster‹ auf und hört sich dessen Überlegungen zur ›Autorschaft‹ im Don Quijote an,[48] die das Verhältnis von Verfasser und Figur in ähnlicher Weise umkehren, wie der tatsächliche Paul Auster das mit seiner Figur ›Daniel Quinn‹ gemacht hat, deren Initialen im Übrigen mit denen von Don Quijote übereinstimmen. Quinn verschwindet daraufhin, und zurück bleibt allein sein rotes Notizbuch, in das er alle Beobachtungen eingetragen hat. Es dient auch als Hauptquelle der ganzen Geschichte, da sich abschließend ein Ich-Erzähler zu Wort meldet, der mit ›Paul Auster‹ befreundet war, dessen Verhalten gegenüber Quinn aber missbilligt. Indem ihm seine Seriosität als ›Autor‹ gebietet, bei der Darstellung von Quinns ›story‹ die Grenzen des Verifizierbaren keinesfalls zu verletzen bzw. um jeden Preis den Gefahren des Erfindens zu widerstehen, stellt sich dieser übergeordnete Erzähler nicht bloß Quinns verantwortungslosem Erzählen unter Pseudonym entgegen; zugleich macht er sich einer elementaren Kategorien-Verwechslung schuldig, denn wie könnte eine Geschichte, die »entirely on facts«[49] basiert, noch einen Autor haben?

Ghosts (dt. Schlagschatten) setzt am 3. Februar 1947, dem tatsächlichen Geburtstag von Paul Auster, ein. Ein kurz vor der Hochzeit stehender Detektiv namens Blue wird von einem White engagiert, Black zu beschatten. So abstrakt diese Figuren-Konstellation angelegt ist, so reduziert bleibt auch die Geschichte, da sich Blue dem Job rückhaltlos widmet, die Verlobte darüber vergisst und in der sinnlosen Beobachtung des immer nur lesenden und schreibenden Black aufgeht. Beim ersten Eindringen in dessen Wohnung findet Blue seine eigenen Notizen, die er als Arbeitsergebnisse an White geschickt hat, der offenbar mit Black identisch ist; beim zweiten Eindringen kommt es zur Konfrontation, in deren Verlauf Blue Black niederschlägt und Aufzeichnungen mitnimmt, von denen er bei der Lektüre bemerkt, sie bereits auswendig zu kennen. Hier schaltet sich nun erneut ein fremdes Ich ein, das sich über Blues weiteres Schicksal Gedanken macht, denn Fakten gibt es nicht: »And from this moment on, we know nothing«.[50]

Die im Präsens erzählte Handlung dreht sich damit ebenso leer in sich, wie die Observation zweckfrei ist. Wenn man so will, dann geht es um die menschliche Grundfrage von Identität, und Einsamkeit wäre das Leitmotiv, dem die literarischen Querverweise in der Tat zuarbeiten, da auch Blue zu lesen beginnt, was er als Blacks Lektüre ermittelt hat: Henry David Thoreaus Walden; or, Life in the Woods (1854), die amerikanische Bibel der Zivilisationsflucht bzw. Natursehnsucht. Von einem Leben im Einklang mit der Natur ist in Ghosts allerdings nichts zu finden, da der kurze Roman weniger in New York als in der Literatur angesiedelt ist, spielt er doch – ›perhaps‹ – der ausdrücklichen Erzählerwillkür nach in der Orange Street (Brooklyn Heights), wo Walt Whitman 1855 die Erstausgabe seiner Leaves of Grass mit eigener Hand gesetzt hat.[51] In The Locked Room (dt. Hinter verschlossenen Türen), dem Schlussstück der Trilogie, wird das Konzept von Ghosts schließlich als angebliches Versagen eines Zensus-Bediensteten nachgeliefert, der sich der Bequemlichkeit halber aus einem ›investigator‹ in einen ›inventor‹ verwandelt und die zu erfassenden Personen lieber gleich selbst erfindet: »When my imagination flagged, there were certain mechanical devices to fall back on: the colours (Brown, White, Black, Green, Gray, Blue) […]«.[52]

Überhaupt geht es in The Locked Room um die Grundgesetze des Schreibens, aber auch um dessen kleine Tricks, die ausdrücklich oder stillschweigend aufgedeckt werden (»Ellen, finally, is no more than a literary device […]«).[53] Wieder steht in diesem nun in seiner eigenen Entstehungszeit (1984) angesiedelten Roman eine Recherche im Zentrum, die hier einen direkten literarischen Bezug aufweist und erneut die Differenz von Leben und Schreiben vor Augen führt: Der als Literaturkritiker arbeitende Ich-Erzähler wird von der Ehefrau seines verschwundenen Jugendfreundes Fanshawe aufgefordert, sich um dessen unveröffentlichte Manuskripte zu kümmern, nachdem ein Privatdetektiv namens Quinn nichts über den Verbleib des Verfassers ermitteln konnte. Er gibt die Texte (deren Titel zum Teil mit Werken Paul Austers übereinstimmen) heraus, macht den verschollenen Fanshawe zum Erfolgsautor und heiratet zuletzt die vermeintliche Witwe Sophie, wozu ihn ein unerwarteter Brief Fanshawes aufgefordert hat, der sich jede weitere Nachforschung mit der Drohung verbittet, den Erzähler widrigenfalls zu erschießen.

Der Erzähler, den viele bereits für den eigentlichen Verfasser von Fanshawes Arbeiten halten, übernimmt jedoch den Auftrag, eine Biografie Fanshawes zu schreiben. Dabei ist er sich bewusst, dass er die Wahrheit nicht bloß nicht schreiben, sondern nicht einmal Sophie offenbaren kann: »There was never any question of telling the truth. Fanshawe had to be dead, or else the book would make no sense«. Immer fanatischere Nachforschungen werden angestellt, obwohl doch von Anfang an klar ist, dass die Biografie »a work of fiction« bleibt und »nothing but lies« enthalten wird, wie sehr sie auch »based on facts« sein mag.[54] Die Erzählung von der Suche nach den erforderlichen Informationen ergibt allerdings selbst bereits eine Art Biografie, weil die Leser dabei alles Nötige von den wichtigsten Stationen dieses Lebenslaufes erfahren.

Als ein weiterer Brief Fanshawes dessen Aufenthaltsort in Boston mitteilt, kommt es beinahe zur Begegnung: Fanshawe hat sich in einem Zimmer eingeschlossen und offenbar bereits Gift genommen; mit einem Schuss an die Decke beweist er seine Wehrhaftigkeit, bevor er den Ich-Erzähler auffordert, ein rotes Notizbuch an sich zu nehmen und wieder zu verschwinden. Ohne dass er wüsste, wie es zugegangen ist, befindet sich der Ich-Erzähler mitsamt dem Notizbuch dann wieder außerhalb des Hauses und begibt sich zum Bahnhof, wo er in der Wartezeit mit der schwierigen Lektüre beginnt: »All the words were familiar to me, and yet they seemed to have been put together strangely, as though their final purpose was to cancel each other out«.[55] Anscheinend sind die Texte des roten Notizbuches von einer derart rückhaltlosen Dissemination (vgl. S. 50f.) geprägt, dass sie sich selbst vernichten und keinerlei Sinn-Konstruktion mehr zulassen. Bis zur Abfahrt seines Zuges nach New York reißt der Erzähler konsequent sämtliche Seiten heraus und wirft sie zerknüllt in einen Mülleimer.

Salman Rushdie: The Satanic Verses (1988)

Der Skandalroman, für den sein Verfasser nach dem Willen des Ajatollah Chomeini (1902-1989) sterben sollte, setzt mit einer surrealen Szene ein: Terroristen haben über England ein entführtes Flugzeug gesprengt, zwei der Passagiere fliegen singend durch die Luft und erreichen unverletzt den Boden. Was danach mit dem Filmstar Gibreel Farishta (sein Pseudonym wäre als ›Gabriel Engel‹ einzudeutschen) und dem voice over-Sprecher Saladin Chamcha geschieht, bleibt zum Teil ähnlich fantastisch, da der für seine Darstellung indischer Gottheiten berühmte Gibreel Farishta u. a. einen Heiligenschein entwickelt, während der seiner Heimatkultur entfremdete Saladin Chamcha vorübergehend ein ziegenbocksartig-teuflisches Aussehen annimmt.

Der indischstämmige Salman Rushdie erzählt den in der Hauptsache im England Margareth Thatchers (1925-2013) spielenden Roman in einer überbordenden Fülle von Figuren und Ereignissen; dabei verschmilzt er die gegenwartskritische Drastik in ähnlicher Weise mit unbekümmerter Fabulierkunst, wie man das vom Sarkasmus Thomas Pynchons oder vom ›magischen Realismus‹ Gabriel García Márquez’, vor allem aber aus unzähligen ›Bollywood‹-Filmen kennt. Auf jeden Fall trifft die mehrfach zitierte Einleitungsformel arabischer Märchen auch auf Rushdies Roman im Ganzen zu: »Kan ma kan/Fi qadim azzaman … It was so, it was not, in a time long forgot«.[56]

Die Erlebnisse der nach ihrem Absturz zerstrittenen Protagonisten umrahmen zahlreiche Nebenhandlungen, die entweder in sachlich plausiblem Zusammenhang mit der Haupthandlung stehen oder als Träume, Visionen oder auch Filmprojekte Gibreels zu verstehen sind. Dies gilt in erster Linie für die satirischen Episoden um den »Prophet Messenger Businessman« Mahound,[57] in dessen Gestalt Mohammed, der Begründer des Islam, parodiert wird. Vor diesem Hintergrund geht es um die ›satanischen Verse‹: Die Passage der 53. Koran-Sure, die weibliche Gottheiten des vorislamischen Mekka erwähnt, soll sich einer Einflüsterung Satans verdanken, als Widerspruch zum strikten Monotheismus des Islam aber nachträglich eliminiert worden sein. Die poetische Ausgestaltung dieser apokryphen Überlieferung zur Entstehungsgeschichte des Koran ist es, was zusammen mit der allerdings respektlosen Darstellung Mahounds als reichlich zweifelhafter Prophet allen an den Satanic Verses (1989 auf Deutsch erschienen) beteiligten Personen (Verfasser, Verleger, Übersetzer, Buchhändler) den mörderischen Vorwurf der Gotteslästerung eingetragen hat. Es ist allerdings nicht allein »the famous satirist Baal«,[58] der als Mahounds Gegner dessen Leben und Schaffen ins Lächerliche zieht und ebenso als alter ego seines Verfassers Salman Rushdie gelten darf wie Mahounds Schreiber Salman, dem die göttliche Authentizität des Koran verdächtig wird, als Mahound bewusste Abweichungen vom Diktat nicht zu bemerken scheint. Vielmehr kann der gesamte Roman als Satire der zeitgenössischen Weltlage gelesen werden, wobei die Widersprüche der indischen Moderne zwischen hinduistisch-islamischer Tradition und westlicher Technisierung ebenso Thema sind wie die gesellschaftlichen Konflikte im England des Wirtschaftsliberalismus.

Von der Postmoderne ist in Rushdies Satanic Verses explizit die Rede, als eine Nebenfigur – ihrer Selbsteinschätzung nach »an intelligent woman, able to do fifteen minutes on Stoicism and more on Japanese cinema« – sich als »conversant with postmodern critiques of the West« qualifiziert und im kulturkritischen Gestus von Jean Baudrillard der Meinung ist, »that we have here a society capable only of pastiche: a ›flattened‹ world«.[59] Nicht weniger postmodern ist jedoch die Gesamtkonzeption des Romans, der das gegenwärtige London mit seinen ganz realen Konflikten zugleich mythisiert als »Mahagonny, Babylon, Alphaville«.[60] Um Bombay, von wo die beiden Hauptfiguren stammen und wohin sie wieder zurückkehren, steht es nicht wirklich besser, soll dort doch eine »culture of re-makes« vorherrschen, die auf indische Weise versucht, europäische Muster zu übernehmen: »Its architecture mimicked the skyscraper, its cinema endlessly re-invented The Magnificent Seven and Love Story«.[61]

Ein gleiches Gemisch aus zweiter Hand charakterisiert die Erzählweise der Satanischen Verse, in der sich die illusionslose Schilderung der Lebensumstände von Immigranten mit religionskritischem Spott ebenso gut verbindet wie mit der Ironisierung kulturindustrieller Phänomene und über alles den hochliterarischen Anspruch stellt, daraus ein Kunstwerk zu machen. Dienen Schlager-Fetzen wie »something straaange in the neighbourhood« (aus Ray Parker Jr.: Ghostbusters, 1984)[62] als ›Realitätseffekte‹[63] zur lebensweltlichen Grundierung der evident fiktiven Geschichte, wird das Pariser Exil des Ayatollah Khomeini in der Gestalt eines »bearded and turbaned Imam«,[64] der in London auf seine Zeit wartet, ebenso trivialisiert wie dämonisiert, was der fiktionalen Ironie einen düsteren Hintergrund verleiht, da kein Leser die realgeschichtlichen Entwicklungen seit dem Sturz des Schahs 1979 ausblenden kann. Die eindeutige Unterscheidung, die der windige Show-Agent Billy Battuta für selbstverständlich ausgibt, trifft auf Rushdies Roman jedenfalls nicht zu: »›Fiction is fiction; facts are facts‹«.[65] Ganz falsch ist sie dennoch nicht, da die Satanic Verses eben doch nur fiktionaler Text sein wollen, der offenbar auf einen ›Erzähler‹ zurückgeht, auch wenn sich dieser nur gelegentlich zu Wort meldet.


Fußnotenapparat

[1] Borges, Jorge Luis: Gesammelte Werke. München – Wien 1980-84, 5/II, S. 70: »La deuda es mutua; un gran escritor crea a sus precursores. Los crea y de algún modo los justifica. Así ¿qué sería de Marlowe sin Shakespeare?« (Borges, Jorge Luis: Obras completas. I-IV. Sant Adrià del Besós, Barcelona 2001, II, S. 56).

[2] Derrida, Jacques: Positionen. Gespräche mit Henri Ronse, Julia Kristeva, Jean-Louis Houdebine, Guy Scarpetta. Aus dem Französischen von Dorothea Schmidt unter Mitarbeit von Astrid Wintersberger. Herausgegeben von Peter Engelmann. Graz – Wien 1986 (Edition Passagen 8), S. 138: »[…] je dirai que mes textes n’appartiennent ni au registre ‹ philosophique › ni au registre ‹ littéraire ›« (Derrida, Jacques: Positions. Entretiens avec Henri Ronse, Julia Kristeva, Jean-Louis Houdebine, Guy Scarpetta. Paris 1972, S. 95).

[3] Borges, Jorge Luis: Gesammelte Werke. München – Wien 1980-84, 3/I, S. 139: »La parecía que la buena literatura es harto común y que apenas hay diálogo callejero que non la logre« (Borges, Jorge Luis: Obras completas. I-IV. Sant Adrià del Besós, Barcelona 2001, I, S. 461).

[4] Borges, Jorge Luis: Gesammelte Werke. München – Wien 1980-84, 3/I, S. 144: »Afirmaba también que de las diversas felicidades que puede ministrar la literatura, la más alta era la invención. Ya que non todos son capaces de esa felicidad, muchos habrán de contentarse con simulacros. Para esos ›imperfectos escritores‹, cuyo nombre es legión, Quain redactó los ochos relatos del libro Statements. Cada uno de ellos prefigura o promete un buen argumento, voluntariamente frustrado por el autor. Alguno – no el mejor – insinúa dos argumentos. El lector, distraído por la vanidad, cree haberlos inventado« (Borges, Jorge Luis: Obras completas. I-IV. Sant Adrià del Besós, Barcelona 2001, I, S. 464).

[5] Barth, John: Further Fridays. Essays, Lectures, and Other Non-Fiction, 1984-1994. Boston – New York – Toronto – London 1995, S. 268.

[6] Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 5.

[7] Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 36.

[8] Vgl. Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 126.

[9] Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 80.

[10] Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 34.

[11] ›Maxwell’s Demon‹ ist ein Gedankenexperiment (1871) des schottischen Physikers James Clerk Maxwell, das den ›Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik‹ entkräften sollte, demzufolge in geschlossenen Systemen ›Ordnung‹ (z. B. unterschiedlich verteilte Wärme) zwangsläufig abnimmt (= ›Entropie‹).

[12] Vgl. Pynchon, Thomas: The Crying of Lot 49. London 1996, S. 45.

[13] Vgl. Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 212 / Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 176.

[14] Charles M. Schulz dokumentiert in Snoopy and »It Was a Dark and Stormy Night« (1971), dass der Peanuts-Hund  seinen  Roman sehr wohl abgeschlossen und bei ›Hodder and Stoughton‹ mit Sitz in London, Sydney, Auckland und Toronto sogar erfolgreich publiziert hat; Part I/II umfassen im Druck allerdings nur eineinhalb Seiten.

[15] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 7: »Stai per cominciare a leggere il nuovo romanzo Se una notte d’inverno un viaggiatore di Italo Calvino« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 3).

[16] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 16: »Come sei, Lettrice? È tempo che questo libro in seconda persona si rivolga non piú soltanto a un generico tu maschile, forse fratello e sosia d’un io ipocrita, ma direttamente a te che sei entrata fin dal Secondo Capitolo come terza persona necessaria perché il romanzo sia un romanzo […]. | Questo libro è stato attento finora a lasciare aperta al Lettore che legge la possibilità d’identificarsi col Lettore che è letto […]« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 142).

[17] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 313: »E tu: –Ancora un momento. Sto per finire Se una notte d’inverno un viaggiatore di Italo Calvino« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 263).

[18] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 189: »[…] Ermes Marana sognava una letteratura tutta d’apogrifi, di false attribuzioni, d’imitazioni e contraffazioni e pastiches« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 159).

[19] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 216: »[…] la letteratura vale per il suo potere di mistificazione, ha nella mistificazione la sua verità; dunque un falso, in quanto mistificazione d’una mistificazione, equivale a una verità alla seconda potenza« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 180).

[20] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 189: »Come fare a sconfiggere non gli autori, ma la funzione dell’autore, l’idea che dietro ogni libro ci sia qualcuno che garantisce una verità a quel mondo di fantasmi e d’invenzioni […]« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 159).

[21] Vgl. Barthes, Roland: Écrire, verbe intransitif? In: Barthes, Roland: Œuvres complètes. Tome III: 1968 − 1971. Nouvelle édition revue, corrigée et présentée par Éric Marty. [Paris] 2002, S. 617-626.

[22] Vgl. Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 211: »Potrò mai dire: ›oggi scrive‹, cosí come ›oggi piove‹, ›oggi fa vento‹? […] | E per il verbo leggere? Si potrà dire ›oggi legge‹ come si dice ›oggi piove‹?« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 176).

[23] »Bin auf den Gedanken gekommen, einen Roman zu schreiben, der nur aus lauter Romananfängen besteht. Der Held könnte ein Leser sein, der ständig beim Lesen unterbrochen wird. Er kauft sich den Roman A des Autors Z. Doch er hat ein defektes Exemplar erhalten und kommt nicht über die ersten Seiten hinaus… Er geht in die Buchhandlung, um den Band umzutauschen… | Ich könnte das Ganze in der zweiten Person schreiben: du, Leser… Ich könnte auch eine Leserin einführen, einen fälschenden Übersetzer und einen alten Schriftsteller, der ein Tagebuch führt wie dieses hier…« (Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 237). / »M’è venuta l’idea di scrivere un romanzo fatto solo d’inizi di romanzo. Il protagonista potrebb’essere un Lettore che viene continuamente interrotto. Il Lettore acquista il nuovo romanzo A dell’autore Z. Ma è una copia difettosa, e non riesce ad andare oltre l’inizio… Torna in libreria per farsi cambiare il volume… | Potrei scriverlo tutto in seconda persona: tu Lettore… Potrei anche farci entrare una Lettrice, un traduttore falsario, un vecchio scrittore che tiene un diario come questo diario…« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 197).

[24] Friedrich Schlegels 238. Athenäumsfragment definiert ›Transzendentalpoesie‹ als Dichtung »der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung«, die »in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie sein« will (Schlegel, Friedrich: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. München – Paderborn – Wien – Zürich 1958ff.,  II, S. 204).

[25] »Der siebente Leser unterbricht dich: ›[…] Der letzte Sinn, auf den alle Erzählungen verweisen, hat zwei Gesichter: Fortgang des Lebens, Unausweichlichkeit des Todes.‹ | Du hältst einen Augenblick inne, um über diese Worte nachzudenken. Dann, blitzschnell, entscheidest du dich: Du willst Ludmilla heiraten« (Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 312). / »T’interrompe il settimo lettore: – […] Il senso ultimo a cui rimandano tutti racconti ha due facce: la continuità della vita, l’inevitabilità della morte. | Ti fermi un momento a riflettere su queste parole. Poi fulmineamente decidi che vuoi sposare Ludmilla« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 261).

[26] Calvino, Italo: Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München – Wien 1983, S. 111: »[…] lasciandoti alle spalle le pagine lacerate dalle analisi intellettuali, sogni di ritrovare una condizione di lettura naturale, innocente, primitiva…« (Calvino, Italo: Se una notte d’inverno un viaggiatore. Torino 1979, S. 92f.).

[27] Die französische Übersetzung wurde 1984 in in Paris publiziert: L’insoutenable légèrté de l’être; auf Deutsch ist der Roman seit 1986 unter dem Titel Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins erhältlich.

[28] Vgl. Kundera, Milan: Die Kunst des Romans. Essay. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. München ‑ Wien 2007, S. 184f.

[29] Vgl. Barthes, Roland: L’effet de réel [1968]. In : Barthes, Roland: Œuvres complètes. Tome III: 1968 − 1971. Nouvelle édition revue, corrigée et présentée par Éric Marty. [Paris] 2002, S. 25-32.

[30] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 240.

[31] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 212.

[32] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 41.

[33] Vgl. Kundera, Milan: Die Kunst des Romans. Essay. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. München ‑ Wien 2007, S. 104.

[34] Kundera, Milan: Die Kunst des Romans. Essay. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. München ‑ Wien 2007, S. 16.

[35] Chvatík, Květoslav: Die Fallen der Welt. Der Romancier Milan Kundera. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München – Wien 1994, S. 21.

[36] Vgl. im Alten Testament das Buch Exodus 2,1-10.

[37] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 52.

[38] Vgl. Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 269.

[39] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 12.

[40] Vgl. Chvatík, Květoslav: Die Fallen der Welt. Der Romancier Milan Kundera. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München – Wien 1994, S. 135.

[41] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 238.

[42] Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Roman. Aus dem Tschechischen von Susanna Roth. München 1984, S. 8f.

[43] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 255.

[44] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 42.

[45] Vgl. Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 74.

[46] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 42.

[47] Vgl. Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 6.

[48] Vgl. Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 87-90.

[49] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 101.

[50] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 172.

[51] Vgl. Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 122.

[52] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 217f.

[53] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 237.

[54] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 216.

[55] Auster, Paul: The New York Trilogy. In: Auster, Paul: Collected Novels. Volume 1. London 2004, S. 1-272, hier S. 271.

[56] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 143.

[57] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 118.

[58] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 391.

[59] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 261.

[60] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 4.

[61] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 64.

[62] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 332.

[63] Vgl. Barthes, Roland: L’effet de réel [1968]. In : Barthes, Roland: Œuvres complètes. Tome III: 1968 − 1971. Nouvelle édition revue, corrigée et présentée par Éric Marty. [Paris] 2002, S. 25-32.

[64] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 205.

[65] Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London ‑ New York 1988, S. 272.