Glossar

Das Glossar fasst wichtige literaturwissenschaftliche Fachterminologie zusammen, die in den verschiedenen Einheiten des Grundkurses Literaturwissenschaft auftauchen. Anhand knapper Definitionen und Beispiele werden sowohl Begriffe der Lyrikanalyse, der Narratologie sowie der Dramenanalyse vorgestellt.

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  • ab ovo

    lat. ›vom Ei an‹; neben dem Erzählen medias in res eine seit der Antike praktizierte Form des Romanbeginns: Erzählen vom Ursprung der Handlung an (als ›natürliche‹ Erzählstrategie prädestiniert für den ›niederen‹ Roman)

  • actio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die ›Aufführung‹ (lat. ›actor‹: ›Schauspieler‹, ›Darsteller‹) bzw. das Vortragen der Rede; anderer Begriff: ›pronuntiatio‹

  • aemulatio

    (f.), wetteiferndes Nachahmen mit dem Ziel der Überbietung des Vorbilds, eines der Grundprinzipien speziell der deutschen Barock-Dichtung. Vgl. auch imitatio/Imitation

  • akatalektisch

    in der antiken Metrik Bezeichnung für einen Vers mit vollständigem letztem Versfuß, vgl. dagegen katalektisch und hyperkatalektisch, auch Kadenz.

  • Alexandriner
    mit Martin Opitz wird der Alexandriner in der dt. Dichtung seit dem 17. Jh. als gereimter 6-hebiger Jambus mit Binnenzäsur nach der 3. Hebung verstanden; im 17. Jh. ist der Alexandriner der maßgebliche Vers für die Lyrik (Sonett) wie auch für die Dramendichtung.
    Beispiel:
    Was itzund Atem holt, muß mit der Luft entfliehn,
    Was nach uns kommen wird, wird uns ins Grab nachziehn.
    (Gryphius, Menschliches Elende)
  • Alexandriner

    sechshebiger jambischer Reimvers, meist Zäsur nach der 3. Hebung; typisches Versmaß des Barock

  • Allegorese

    (f.), allegorische Auslegung eines Textes, die hinter dem Wortsinn (sensus litteraris) eine tiefere (philosophische, theologische, moralische, ethische etc.) Bedeutung aufzeigt (sensus spiritualis). Schon die antiken Stoiker erprobten die Allegorese an Homer, mit Philon von Alexandria wurde das Alte Testament der Allegorese unterzogen, im Mittelalter führte sie zur christlich fundierten Lehre vom mehrfachen Schriftsinn. Bsp.: Die Allegorese des Hohenliedes des Alten Testaments liest die Braut als Personifikation Israels bzw. der Kirche, den Bräutigam als Gott bzw. Christus. Vgl. auch Exegese.

  • Allegorie

    (f.), bildhafte Darstellung eines abstrakten Begriffes in Kunst und Literatur, oft als Personifikation (Amor, Justitia, Fortuna). Kennzeichen der Allegorie ist, im Gegensatz zum Symbol, eine willkürlich gesetzte Beziehung zwischen dem Begriff und dem Bild, die der rationalen Auslegung bedarf (vgl. Allegorese, Exegese, Emblem), wobei die Allegorie immer aus mehreren Attributen addiert wird und dementsprechend ›gelesen‹ werden kann: die Idee der ›Gerechtigkeit‹ (Justitia) setzt sich zusammen aus dem ›Urteil‹ über Gut und Böse (-> Waage) ohne ›Ansehung‹ der Person (-> Augenbinde) und ›Macht‹ zu strafen (-> Schwert).

  • Alliteration

    (f.), gleicher Anlaut aufeinander folgender Wörter. Vgl. auch Stabreim sowie Anapher.

  • Amphibrachys

    (m., Pl. Amphibrachen), antiker Versfuß aus zwei Kürzen um eine Länge (uúu), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache zwei unbetonte um eine betonte Silbe (uúu), z.B. Sie nahen, sie kommen, die Himmlischen alle (Schiller). Deutsche Verse mit regelmäßiger zweisilbiger Senkung (Anapäst, Daktylus) werden leicht als Amphibrachen wahrgenommen (mit zusätzlicher bzw. fehlender Silbe am Anfang und einem katalektischen bzw. hyperkatalektischen Ende), vgl. den Vers: So umhaúch / test du mích / mit beraú / schendem Wáhn (anapästische Lesung) – So / umhaúchtest / du mích mit / beraúschen / dem Wáhn (amphibrachische Lesung) (A. W. Schlegel, Ion).

  • Anadiplose

    oder Anadiplosis (f.): rhetorische Figur; Sonderform der Geminatio; Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe eines Verses oder Satzes am Beginn des darauf folgenden Verses oder Satzes. Beispiel: Fern im Süd das schöne Spanien / Spanien ist mein Heimatland (E. Geibel, Der Zigeunerknabe).

  • Anagnorisis
    gr. Wiedererkennen; (Wieder)Erkennen einer Figur oder eines Sachverhalts durch eine andere Figur, das die Handlung positiv (Komödie) oder negativ (Tragödie) beeinflusst; Lessing: Nathan der Weise (1779)
  • Anagnorisis

    griech. ›Wiedererkennung‹; wichtiges Element in der aristotelischen Dramentheorie; bezeichnet den Moment in der Handlungsstruktur einer Tragödie, in dem Figuren ihren bisherigen Irrtum (das Verkennen des Wesens von anderen Figuren oder Zuständen; hamartia) erkennen, ausgelöst durch das Erkennen von Verwandtschaftsverhältnissen; Beispiel: in Goethes Iphigenie auf Tauris erkennt Iphigenie in einem gefangenen Griechen, den sie als Priesterin opfern soll, ihren Bruder Orest

  • Anakoluth

    (n.): rhetorische Figur; grammatisch unrichtige Konstruktion eines Satzes, z.B.: Sie kaufte einen Wecker, der, nachdem er eine Woche lang immer pünktlich geläutet hatte, war er kaputt.

  • analytisches Drama
    die Katastrophe bzw. das entscheidende Ereignis hat sich zu (oder vor) Beginn der dargestellten Handlung ereignet; z.B. Sophokles: König Ödipus (5. Jh. v.  Chr.), Kleist: Der zerbrochene Krug (1806)
    analytisches vs. synthetisches Drama: Gegensatz, der sich auf den Zeitpunkt der Katastrophe bezieht
  • Anapäst

    (m.), antiker Versfuß aus zwei kurzen und einer langen Silbe (uuú), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus zwei unbetonten und einer betonten Silbe (uuú), z.B. nebenbeí (Ggs.: Daktylus). Im antiken Drama oft in Parodos oder Exodus verwendet, in dt. Dichtung seit der Romantik, jedoch selten verwendet (A.W. Schlegels Ion 1803, Goethes Pandora 1808/1810), teilweise auch mit ein- oder dreisilbiger Senkung. Durch Umlagerung werden Anapäste oft daktylisch empfunden, vgl. auch Amphibrachys.

  • Anapher
    Wiederholung eines Wortes (einer Wortgruppe) am Anfang aufeinanderfolgender Sätze, Verse oder Strophen »Meinen Sie Zürich zum Beispiel, / […] / Meinen
    Sie, aus Habana« (Benn, Reisen)
  • Anapher

    (f.), rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang aufeinanderfolgender Verse, Strophen, Sätze oder Satzteile. Bsp.: Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt! Glücklich, dem die Ahndung eitel wär! (Goethe: Warum gabst du uns die tiefen Blicke). Vgl. dagegen Epipher.

  • Anfangsreim

    (m.), Reim am Anfang zweier oder mehrere Verse, Bsp.: Krieg! ist das Losungswort. / Sieg! und so klingt es fort. (Goethe: Helena-Akt in Faust II). Vgl. auch Endreim, Binnenreim.

  • Antithese

    (f.), rhetorische Figur; Gegenüberstellung sich logisch widersprechender Begriffe, Bilder oder ganzer Aussagen in Satzteilen oder Sätzen, z.B. Krieg und Frieden (Tolstoij), Der Wahn ist kurz, die Reu’ ist lang (Schiller: Das Lied von der Glocke). Sehr häufig in der Dichtung des Barock, v. a. im Petrarkismus: Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand (Hofmannswaldau: Vergänglichkeit der Schönheit). Vgl. auch Chiasmus.

  • Antonomasie

    eine Trope: Umschreibung eines Namens; z.B.: ›der Kaiser‹ statt ›Franz Beckenbauer‹

  • Aposiopese

    (f.): rhetorische Figur; bewusster Abbruch eines Satzes vor der entscheidenden Aussage, im Gegensatz zur Ellipse also Auslassung des Wesentlichen, das vom Leser ergänzt werden muss; dient ähnlich wie die Ellipse dem Ausdruck von Affekten. Beispiel: Was! Ich? Ich hätt ihn –? Unter meinen Hunden –? Mit diesen kleinen Händen hätt ich ihn –? (Kleist, Penthesilea).

  • Apostrophe
    Hinwendung an abwesende Personen oder Sachen »Verflucht ihr dunklen Gifte,/ Weißer Schlaf!« (Trakl, Der Schlaf)
  • Apostrophe

    (f.): rhetorische Figur; direkte Anrede abwesender Personen oder Objekte, wobei diese notwendigerweise personifiziert werden, z.B.: Saget, Steine, mir an, oh sprecht, ihr hohen Paläste / Straßen, redet ein Wort! (Goethe: Römische Elegien).

  • aptum

    Prinzip der antiken Stil-Lehre: Angemessenheit; Feingefühl für das, was in semantischer, stilistischer, situativer etc. Hinsicht am besten passt; siehe auch decorum

  • Archetyp

    lat. ›Urbild‹; Begriff der Editionswissenschaft: die älteste Textstufe, die sich aus der Überlieferung erschließen lässt und die gemeinsame Vorlage aller erhaltenen Handschriften bildet; nicht identisch mit dem (verloren gegangenen) Autortext, kommt diesem aber mutmaßlich am nächsten

  • argumentatio

    a) Begriff aus der Rhetorik, der die Summe aller (rhetorischen) Mittel bezeichnet, um Menschen zu beeinflussen; b) Teil einer Rede:

  • Asyndeton
    Verknüpfung mehrerer gleichgeordneter Wörter, Wortgruppen oder Sätze ohne Konjunktion »es muß auf unser Fragen ein Vieh, ein Baum, ein Bild, ein Marmor Antwort sagen« (Gryphius, Cardenio und Celinde)
  • Asyndeton

    (n.): ›Unverbundenheit‹; rhetorische Figur; Reihung gleichgeordneter Wörter, Satzglieder oder Satzteile ohne verbindende Konjunktion, z.B. Alles rennet, rettet, flüchtet (Schiller). Gegenteil: Polysyndeton

  • Auftakt

    (m.), eine oder mehrere unbetonte Silbe(n) am Versanfang vor der ersten Hebung. Vgl. Vers, Metrum, Versfuß.

  • aut prodesse volunt aut delectare poetae

    lat. »die Dichter wollen entweder nützen oder unterhalten«; bezeichnet nach Horaz (De arte poetica) die Wirkung von Dichtung, die sich auf das ästhetische Vergnügen (delectare) und den gesellschaftlichen Nutzen (prodesse) richtet

  • Autopoeisis

    griech. autós: ›selbst‹, griech. poieín: ›machen‹, ›erzeugen‹; ursprünglich in der Biologie/Neurophysiologie entwickelter Begriff aus der Systemtheorie; Systeme können autopoietisch sein, d.h. sich selber bilden (Beispiel: das System ›Maus‹ generiert und reproduziert sich aus Mäusen); ein autopoietisches System ist ein selbstreferenziell-geschlossener Zusammenhang von Operationen

  • autorisierter Text

    Begriff aus der Editionswissenschaft: a) alle Autographen, d.h. alle vom Autor des Textes selbst angefertigten Niederschriften; b) die in seinem Auftrag und unter seiner Aufsicht hergestellten Abschriften; c) die von ihm gebilligten Drucke

  • axiologischer Wert

    Begriff aus der Theorie der literarischen Wertung; bezeichnet den Maßstab, anhand dessen ein Kritiker (allgemeiner: die wertende Instanz) ein Werturteil über einen Gegenstand fällt, den Maßstab also, der ein Objekt oder ein Merkmal eines Objekts als ›wertvoll‹ erscheinen lässt

  • Ballade
    strophisch gegliedertes Erzähllied (ggf. mit dramatischer Rede) in dessen Mittelpunkt eine konflikthafte Begebenheit steht; man unterscheidet zwischen Volks-
    und Kunstballade; in der dt. Dichtung wird die Ballade mit Bürgers Lenore (1773) populär; die Zuordnung der Ballade zur Lyrik ist umstritten (Erzähllied vs. liedförmige Erzählung)
  • Beobachtung

    Begriff aus der Systemtheorie; bezeichnet die Basis-Operation von Systemen; eine Beobachtung erster Ordnung operiert auf der Ebene des Faktischen (›was‹ wird beobachtet); wenn eine Abgrenzung zwischen System und Umwelt vorgenommen wird (nach dem Grundprinzip der Systemtheorie: draw a distinction), kann eine Beobachtung zweiter Ordnung erfolgen, d.h.: ein System beobachtet sich selbst beim Beobachten

  • bewegendes Moment
    Steigerung der Handlung, Andeutung von Konflikten, nach Freytag: 2. Akt
  • bienséance

    frz. ›Wohlanständigkeit‹; Begriff der doctrine classique; Verpflichtung des Dramas auf ›Wohlanständigkeit‹: auf der Bühne darf nur gezeigt werden, was den ›guten Sitten‹ der aristokratischen Gesellschaft konform ist – das gilt sowohl für generelle Normen wie die Ständeklausel (Tragödien müssen an Fürstenhöfen angesiedelt sein; der sozial niedere Stand bildet das Personal von Komödien) als auch für Detail-Probleme der Sittlichkeit (klassische Dämpfung); vgl. auch die antiken Prinzipien des aptum und des decorum

  • Binnenreim

    (m.), Reim innerhalb eines Verses, Bsp.: Es lispeln und wispeln die schlüpfrigen Brunnen / […] / Sie schauren, betrauren und fürchten bereit (Johann Klaj: Landschaft). Vgl. auch EndreimAnfangsreim.

  • Blankvers
    ungereimter 5-hebiger Jambus, der im 18. Jh. aus der englischen (Shakespeare) durch Übersetzungen in die dt. Dichtung übernommen wurde; seit Wielands Lady Johanna Gray (1758) und Lessings Nathan der Weise (1779) der gebräuchlichste Vers des dt. Dramas im 18. und 19. Jh.
    Beispiel:
    Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank,
    Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt.
    (Lessing, Nathan der Weise)
  • Blankvers

    (m.), ungereimter fünfhebiger Jambus mit akatalektischer oder hyperkatalektischer Endung bzw. männlicher oder weiblicher Kadenz, Bsp.: Oh gében dír die Götter deíner Taten / Und déiner Mílde wóhlverdíenten Lóhn (Goethe: Iphigenie). Der Blankvers wurde im 18. Jh. aus dem Englischen durch Übersetzungen in die dt. Dichtung übernommen und wurde mit Lessings Nathan der Weise (1779) zum gebräuchlichsten Vers des dt. Dramas (zuvor: Wieland: Lady Johanna Gray 1758).

  • Botenbericht
    Figurenschilderung einer nicht dargestellten vergangenen Handlung
  • brevitas

    Prinzip der antiken Stil-Lehre: Kürze und Prägnanz

  • Bürgerliches Trauerspiel
    Form der Tragödie seit der Mitte des 18. Jh. (bis zur Mitte des 19. Jh.) ohne Geltung der Ständeklausel bei Thematisierung privater, familiärer Probleme; z.B. Lessing: Miß Sara Sampson (1755)
  • Chiasmus
    überkreuzte syntaktische oder gedankliche Stellung von Wörtern (Wortgruppen) »Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit.« (Schiller, Wallenstein)
  • Chiasmus

    (m.), rhetorische Figur; syntaktische Überkreuzstellung von Wortgruppen oder Sätzen, meist bei Antithesen, z.B. Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben (Goethe: Faust I). Gegensatz: Parallelismus.

  • Chorlied

    (n.), a) im antiken Griechenland weitverbreitete lyrische Dichtung für den Gesangsvortrag eines Chores; viele gr. Chorlieder sind triadisch in Strophe/Ode, Antistrophe/Antode und Epode eingeteilt (vgl. Pindarische Ode); b) konstitutives Element der antiken Tragödie, die sich aus Chorwettbewerben anlässlich der Dionysien und den dort vorgetragenen Dithyramben durch Einführung einer Wechselrede zwischen Chor und Chorführer sowie der Schauspieler entwickelte. Formen: Parodos (Einzugslied), Stasimon (Standlied), Exodos (Auszugslied), Ggs.: Monodie; c) allgemein jede für den Gesangsvortrag eines Chores als Vielzahl von Stimmen bestimmte lyrische Dichtung (Ggs.: Monodie).

  • Completio

    oder Complexio (f.): s. Symploke.

  • Concetto

    (n.), geistreiche Pointe, witziger Einfall, unvorhergesehene Wendung in einer absichtlich verrätselten, von gesuchten Metaphern und Wortspielen geprägten Aussage, zentrales Stilmerkmal des Manierismus.

  • Contradictio in adjecto

    (f.): ›Widerspruch im Beiwort‹, rhetorische Figur; als Spezialfall des Oxymorons; semantisch widersprüchliche Verbindung eines Substantivs und seines Attributs, z.B. heißer Schnee, alter Knabe, weiser Narr. Vgl. auch Antithese.

  • Cultural Poetics

    dt. ›Poetik der Kultur‹; von Stephen Greenblatt geprägter Begriff aus dem New Historicism (Cultural Studies); beruht auf der Annahme, dass (literarische wie nicht-literarische) Texte nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern in einem Austausch mit dem Kontext stehen; diese Verhandlungen zwischen Text und Kontext, d.h. den wechselseitigen Austausch kultureller Praktiken und Normen, versuchen die Cultural Poetics zu verfolgen und zu rekonstruieren.

  • Cultural Studies

    Sammelbegriff für literaturtheoretische Ansätze, die sich mit kulturellen Fragestellungen beschäftigen; prominente Ansätze sind u.a. der New Historicism (Louis A. Montrose, Stephen Greenblatt u.a.) und die Kultursemiotik

  • Daktylus

    (m., Pl. Daktylen), antiker Versfuß aus einer langen und zwei kurzen Silben (úuu), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus einer betonten und zwei unbetonten Silben (úuu), z.B. feíerlich (Ggs.: Anapäst). In der Antike v.a. im Hexameter und Pentameter gebräuchlich (vgl. auch Distichon); in mittelhochdeutscher Lyrik häufig, im Barock von Buchner und Zesen als Nachahmung antiker Formen verwendet, dann wieder in Sturm und Drang und Klassik beliebt (Goethe, Schiller, Hölderlin). Vgl. auch Amphibrachys.

  • decorum

    lat. ›das, was sich ziemt‹; insbesondere in der klassizistischen Tradition (Horaz) ein zentrales rhetorisches Stilprinzip: die Angemessenheit des Stoffes und der Darstellungsweise; abhängig von den Normen und Tabus der jeweiligen Zeit/Gesellschaft; siehe auch aptum

  • Dekonstruktion

    methodologisches Paradigma auf der Basis der poststrukturalistischen Zeichentheorie (Poststrukturalismus); während der Strukturalismus versucht, den (eindeutigen) ›Sinn‹ eines Textes zu rekonstruieren, bestreitet die Dekonstruktion die Möglichkeit eines einzigen Textsinns und richtet deshalb das eigene Erkenntnisinteresse darauf aus, die jedem Text inhärenten Widersprüche aufzuspüren. Hintergrund: Zeichen werden als mehrdeutig und unscharf verstanden; die Technik der Dekonstruktion richtet sich daher vor allem auf die Analyse von Mitteln uneigentlichen Sprechens, z.B. auf Metaphern und Metonymien, die mehrdeutig sind und den ›eigentlichen‹ (z.B. vom Autor intendierten) Sinn unterlaufen. Kontext: Die Dekonstruktion übt Kritik am sog. Logozentrismus der abendländischen Philosophie; der Dekonstruktion zufolge kann die Wirklichkeit nicht vollständig begriffen und beherrscht werden, da wir unser rationales Handwerkszeug – die Sprache – nicht kontrollieren können.

  • delectare

    aut prodesse volunt aut delectare poetae

  • deus ex machina
    lat. Gott aus der Maschine; unmotivierter Eingriff einer bisher nicht am Geschehen beteiligten Figur in die Handlung mit entscheidenden Konsequenzen
  • Dialogizität

    (f.), auf Michail Bachtin zurückgehendes Konzept der Ambiguität von Worten bzw. Äußerungen, die durch die Interferenz zweier Sprechweisen (›Stimmen‹) entsteht. Im Gegensatz zum äußeren, von zwei Sprechpartnern gestalteten Dialog meint Dialogizität also die ›innere‹ Dimension einer Aussage als deren Mehrstimmigkeit; paradigmatisch zeigt sie sich in mehrstimmigen, polyphonen Texten. Erweitert auch auf ›äußerlich‹ dialogische Textbeziehungen wurde Bachtins Konzept der Dialogizität zur Grundlage von Julia Kristevas Theorie der Intertextualität. Ggs.: Monologizität.

  • différance

    abgeleitet von frz. ›différer‹: ›verzögern‹, ›abweichen‹; von Jacques Derrida geprägter Begriff der poststrukturalistischen Zeichentheorie (Poststrukturalismus); anders als der klassische Strukturalismus, der die Zeichen als Stellvertreter für das Bezeichnete (und damit als ›sekundär‹) auffasst, versteht Derrida die Zeichen als ›ursprünglich‹; seiner Ansicht nach werden die Dinge durch die Zeichen nicht vertreten, sondern ›verdrängt‹ (wo das Wort ›Rose‹ ist, da gibt es die Blume nicht). Um die starre Koppelung von Bezeichnetem und Bezeichnendem im Strukturalismus zu brechen, verwendet Derrida den Neologismus ›différance‹; durch die orthografische Abweichung (korrekt: ›différence‹) wird die Differenz von Sprache und Schrift markiert (phonetisch sind ›différence‹ und ›différance‹ identisch). Während der Strukturalismus das Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem zeitlich versteht (erst die Sache, dann das Zeichen), begreift Derrida die Beziehung als räumliche: die Zeichen ›verschieben‹ den Sinn vom bezeichneten Objekt weg auf sich selbst bzw. auf andere Zeichen hin.

  • Dimeter

    (m.), Doppelmaß, in der antiken Metrik Vers aus zwei metrischen Einheiten. Da in der gr. Metrik die Dipodie schon je zwei Versfüße zu einer Einheit zusammenfasst, hat ein jambischer Dimeter vier Längen (úuúu/úuúu) bzw. Hebungen, Bsp.: Das Wásser raúscht’, das Wásser schwóll (Goethe: Der Fischer).

  • Dionysien

    (Pl. gr.), kultisches Fest zu Ehren des Gottes Dionysos, Ursprung des Dithyrambus und des antiken Dramas (vgl. Chorlied).

  • Dipodie

    (f.), Doppelfüßigkeit, in der antiken Metrik metrische Einheit aus zwei gleichen Versfüßen, v.a. beim Jambus und Trochäus, auch beim Anapäst. Für den Daktylus gilt meist die Monopodie.

  • discours

    frz. für ›Rede‹, ›Vortrag‹; Begriff der Erzähltheorie, der das ›Wie‹ des Erzählens bezeichnet; die Präsentationsformen, mittels derer eine Geschichte dargeboten wird; berücksichtigt u.a. die Anordnung des Erzählten (Vorgriffe, Rückblenden etc.) und die Erzählperspektive; kann von der histoire erheblich abweichen frz.

  • dispositio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die Gliederung und Strukturierung des Stoffs und der Argumente (nach den Gesichtspunkten des angestrebten Ziels)

  • Distichon

    (n.), Plural: Distichen; griech. ›dis‹ = ›doppelt‹ und ›stichos‹ = ›Vers‹; Strophe aus zwei verschiedenen Verstypen; meistens: aus einem Hexameter und einem Pentameter bestehendes Verspaar (Beispiel: Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, / Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab (Schiller); meistens in Epigrammen und Elegien vorkommend (elegisches Distichon).

  • Dithyrambus

    (m., auch Dithyrambe, f., Pl. Dithyramben), Form der gr. Chorlyrik als mehrteiliges, bei den Dionysien kultisch vorgetragenes Chorlied, Hymne zu Ehren von Dionysos, Ursprung des antiken Dramas (vgl. Chorlied).

  • divisio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil einer Rede bezeichnet: Aufbauskizze der Beweisführung

  • doctrine classique

    rational begründetes Regelsystem des französischen Klassizismus; maßgeblich für das Dramenwerk Corneilles, in Deutschland für Gottsched und Johann Elias Schlegel; Leitbegriffe:vraisemblance, bienséance

  • Drama
    (Schauspiel) allg. Gattungsbezeichnung für i.d.R. zur Aufführung bestimmte Texte ohne vermittelnde Erzählinstanz (im Gegensatz zum Roman).
  • Einheit der Handlung
    Forderung nach einer kohärenten Haupthandlung (Anfang, Mitte, Ende) bei gleichzeitigem Verzicht auf Nebenhandlungen
  • Einheit der Zeit
    auf die frz. Klassik (17. Jh.) zurückgehende Forderung nach weitgehender Identität von dargestellter Handlungszeit und Darstellungszeit
  • Einheit des Ortes
    auf die frz. Klassik (17. Jh.) zurückgehende Forderung der Beschränkung der dargestellten Handlung auf einen eng begrenzten Raum; Ortswechsel gelten als unzulässig, da sie die Illusion der Theaterbühne unterwandern
  • Einheiten
    (sog. aristotelische E.) Einheit der Handlung, der Zeit und des Ortes; werden fälschlicherweise oft Aristoteles zugeschrieben, obwohl auf ihn nur die Forderung nach der Einheit der Handlung zurückgeht
  • Elegie
    wird definiert (1) formal als ein in elegischen Distichen gefasstes, nicht-epigrammatisches Gedicht (Epigramm); das ›elegische Distichon‹ bezeichnet die Abfolge von Hexameter und Pentameter; bspw.: »Im Hexameter zieht der ästhetische Dudelsack Wind ein; / Im Pentameter drauf läßt er ihn wieder heraus« (Claudius); die Elegie in elegischen Distichen hat sich durch die Bemühungen Klopstocks seit Mitte des 18. Jh.s durchgesetzt; (2) inhaltlich als ›threnetische Elegie‹, Gegenstände der Klage thematisierend, oder als ›erotische Elegie‹, Gegenstände der Liebe thematisierend
  • eleos

    Katharsis

  • eleos und phobos

    gr. Jammer und Schaudern; durch die Tragödie (Aristoteles: Poetik) ausgelöste Affekte, die eine Reinigung (Katharsis) bewirken; von Lessing wurden die Begriffe mit ‚Mitleid’ (eleos) und ‚Furcht’ (phobos) übersetzt

  • Ellipse
    Auslassung (zum Verständnis nicht notwendiger) Wörter (Wortgruppen) »Woher so in Atem?« (Schiller, Verschwörung des Fiesco zu Genua)
  • Ellipse

    (f.): ›Auslassung‹; rhetorische Figur; Weglassen von Satzgliedern, die für das Verständnis des Sinnzusammenhanges nicht wesentlich sind (im Unterschied zur Aposiopese), z.B.: Was nun? statt Was machen wir nun?. Ellipsen dienen der Steigerung der Expression und finden sich daher vor allem in ›leidenschaftlicher‹ Sprache, oft im Drama des Sturm und Drang. Beispiel: Verflucht ich, daß ich es sagte! statt Verflucht sei ich, daß ich es sagte! (Schiller, Die Räuber).

  • elocutio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die sprachliche und stilistische Darstellung; gilt neben der argumentatio als zweite Säule der Rhetorik

  • Emblem

    (n., Pl. Emblemata), dreiteiliges, aus Bild und Text bestehendes Sinnbild, weit verbreitet in der europ. Kunst vom 16.-18. Jh, bestehend aus 1. der Inscriptio (auch: Lemma, Motto), d. h. einer kurzen, meist lat. oder gr. Überschrift, 2. der Pictura (auch: Imago, Icon), d. h. einem Bild als Holzschnitt oder Kupferstich und 3. der Subscriptio, einem meist als Epigramm gehaltenen, den im Bild allegorisch-verschlüsselt dargestellten Sinn des Emblems erläuternden Text. Die Emblematik war für die Gestaltungstechniken barocker Schauspiele oder Romane prägend.

  • Emblematik

    (f.), a) Emblemkunst, b) Lehre und Wissenschaft von den Emblemen, Teil der Toposforschung.

  • Emendation

    lat. ›emendatio‹ = ›Verbesserung‹; bezeichnet in der Editionswissenschaft die Korrektur von eindeutigen Fehlern der Leithandschrift mit Hilfe anderer Handschriften

  • Endecasillabo

    (m. Pl. Endecasillabi), Elfsilber, gereimter fünfhebiger Jambus mit hyperkatalektischer Endung bzw. weiblicher Kadenz, v.a. in der italienischen Dichtung (Sonett, Stanze, Terzine), Hauptbetonungen auf der 4. oder 6. und immer auf der 10. Silbe, durch (männl. oder weibl., vgl. Kadenz) Zäsur nach der beweglichen Hauptbetonung Zweiteilung des Verses in ungleiche Hälften, ist die 1. Hälfte kurz: Endecasillabo minore, ist sie lang: Endecasillabo maggiore. In dt. Dichtung seit der 2. Hälfte des 18. Jh. (Wieland, Goethe, Heinse, Romantiker). Bsp.: Oh stílle Schaúer, wúnderbáres Schweígen, / wenn heímlich flüsternd sích die Wälder neígen (Eichendorff: Mahnung).

  • Endreim

    Reim am Ende zweier oder mehrerer Verse, Bsp.: Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. / Gerettet alle. Nur einer fehlt. (Fontane: John Maynard). Vgl. auch Binnenreim, Anfangsreim.

  • Epanalepse

    oder Epanalepsis (f.): rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe innerhalb eines Verses oder Satzes, jedoch nicht unmittelbar aufeinander folgend wie bei der Gemination. Beispiel: Und atmete lang und atmete tief (Schiller, Der Taucher).

  • Epeisodion

    (n., Pl. Epeisodia), Bauelement des antiken Dramas, zwischen zwei Chorlieder eingeschobene Dialog- bzw. Schauspielszene. Im gr. Drama gab es meist drei Epeisodia.

  • Epigramm
    als (gr.) ›Aufschrift‹ (in Versrede) bereits in der Antike auf Grabmälern und auch Gefäßen, Waffen etc. zu finden; die Zweigliedrigkeit des Epigramms, speziell im
    elegischen Distichon (Elegie), bietet die Möglichkeit einer antithetischen Strukturierung; die Pointiertheit und Kürze des Epigramms lässt es zu einer bevorzugten Gattung satirischer Dichtung werden (Xenien)
  • Epigramm

    (n.), Sinngedicht; in der gr. Antike ursprünglich kurze Aufschrift auf Kunstwerken, Grab- und Denkmälern; meist in Distichen verfasst; als Begründer der Gattung gilt Simonides von Keos (5.-4. Jh. v. Chr.). Von Martial (1. Jh. n. Chr.) wurde das satirische Epigramm entwickelt, das für nachfolgende Epochen (Humanismus, Barock) und auch die wirkungsmächtige Definition von Lessing (Zerstreute Anmerkungen über das Epigramm und einige der vornehmsten Epigrammatiker, 1771) prägend blieb, der als konstitutive Bestandteile des Epigramms die ›Erwartung‹ (auf die Klärung eines Sachverhaltes) und den ›Aufschluß‹ (die Einlösung der Erwartung in einer überraschenden, pointierten Schlusswendung) bestimmt.

  • Epipher
    Wiederholung eines Wortes (einer Wortgruppe) am Ende aufeinanderfolgender Sätze, Verse oder Strophen »Ihr überrascht mich nicht / erschreckt mich nicht«
    (Schiller, Maria Stuart)
  • Epipher

    (f.), rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Ende aufeinanderfolgender Sätze, Satzteile oder Verse (dann als identischer Reim). Bsp.: Doch alle Lust will Ewigkeit -, / Will tiefe, tiefe Ewigkeit! (Nietzsche: Das trunkene Lied). Vgl. dagegen Anapher.

  • episches Theater
    von Brecht eingeführter Begriff; anti-aristotelische Theaterform mit Lehrcharakter, in der epische Elemente (z.B. Erzähler) integriert werden; z.B. Brecht: Mutter Courage und ihre Kinder (1939)
  • Epizeuxis

    (f.): rhetorische Figur; unmittelbare, drei- oder mehrfache Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, z.B. Nein! nein! nein! das kann nicht sein. (Schiller, Die Räuber). Vgl. Geminatio.

  • Epoche

    Oberbegriff für die literarischen Phänomene eines relativ großen Zeitraums, der durch ein Initialereignis markiert wird und kein definiertes Ende braucht, aber unterschiedliche Stiltendenzen subsumieren kann (Beispiel: Expressionismus, Initialereignis: Jakob van Hoddis’ Weltende (1911)

  • Epos

    griech. ›Wort‹, ›Erzählung‹; narrative Großform in Versen

  • Ereignis

    Begriff der strukturalen Erzähltheorie (Strukturalismus); nach Jurij M. Lotman konstitutives Element von narrativen Strukturen; eine narrative Struktur liegt genau dann vor, wenn der (verbale oder non-verbale) Text (mindestens) ein Ereignis mitteilt; ein Ereignis liegt genau dann vor, wenn eine Figur über die Grenze zweier semantischer Räume versetzt wird (Grenzüberschreitung). Lotman unterscheidet zwischen normalen Ereignissen und Metaereignissen; normale Ereignissen liegen vor, wenn eine Figur die Grenze zwischen zwei semantischen Räumen überschreitet, die Ordnung der Welt aber intakt bleibt (d.h.: vor wie nach dem Ereignis existieren dieselben semantischen Räume); Metaereignisse sind Ereignisse, bei denen nicht nur eine Figur in einen anderen semantischen Raum übergeht, sondern das System der semantischen Räume, d.h. die ideologische Ordnung der dargestellten Welt, transformiert wird

  • Erhabene, das

    komplexer Begriff aus der Dichtungstheorie; Gegenbegriff zum ›Schönen‹, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der europäischen Ästhetik wichtig geworden ist

  • Euphemismus

    (m.): rhetorisches Stilmittel, Trope; beschönigende Umschreibung, z.B. das Zeitliche segnen oder entschlafen für sterben.

  • Exegese

    (f.): Auslegung von Texten, vorwiegend in Bezug auf Texte mit Verkündigungscharakter oder Gesetzestexte, v.a. christliche Bibel-Exegese. Vgl. auch Allegorese, Lehre vom mehrfachen Schriftsinn.

  • Exodos

    (f.), a) Auszugslied des Chors im griechischen Dithyrambus und im antiken Drama (vgl. Chorlied); b) nach Aristoteles schließlich der gesamte, auf das letzte Stasimon folgende Schlussteil des antiken Dramas mit der Lösung oder Katastrophe.

  • exordium

    Begriff aus der Rhetorik, der die Einleitung einer Rede bezeichnet

  • Exposition
    lat. Darlegung; Einführung des Personals und Erläuterung der Umstände, nach Freytag: 1. Akt
  • Falkentheorie

    (f.), von P. Heyse im Anschluss an eine Analyse der ›Falkennovelle‹ aus Boccaccios Decamerone (5. Tag, 9. Geschichte) entwickelte Novellentheorie, die für jede Novelle einen ›Falken‹ fordert, d.h. ein prägnantes Motiv als Mittelpunkt der Erzählung. Die jüngere Forschung stellt die Haltbarkeit der Falkentheorie in Frage, da sie einseitig-normativ verfährt.

  • Fallhöhe
    Fallhöhe bezeichnet die Differenz zwischen sozialem Rang und tragischer Sanktionierung einer Figur; die Fallhöhe bestimmt die Tragik einer Handlung; z.B. Schiller: Maria Stuart (1801; ‚vom Thron aufs Schafott’)
  • Figura etymologica

    (f.): rhetorische Figur; Form der Paronomasie; Verbindung zweier Wörter desselben Wortstammes, aber verschiedener Wortklassen (im Unterschied zum Polyptoton) in einem Ausdruck oder Satz. Meist werden Verb und Nomen desselben Wortstammes auf diese Weise miteinander verbunden, z.B. Wer andern eine Grube gräbt, […] (Sprichwort); Hast nicht einmal so viel Scham, dich dieser Streiche zu schämen? (Schiller, Die Räuber).

  • Filiation

    Arbeitsschritt in der klassischen Textkritik (Editionswissenschaft); bezeichnet die Hierarchisierung der ausgewerteten und miteinander verglichenen Textzeugen (Maßstab: Nähe zum Archetyp); Darstellung der Filiation mit Hilfe eines Stemmas

  • Formale Schule

    literaturtheoretische Bewegung, die sich in enger Auseinandersetzung mit der künstlerischen Avantgarde zwischen 1915 und 1930 in Russland herausgebildet hat; integriert sowohl sprachwissenschaftliche als auch literaturwissenschaftliche Ansätze; zentraler methodischer Ansatz: Literatur wird als autonomer Bereich aufgefasst (literaturnost); Vertreter: u.a. Viktor Borisovic Šklovskij, Jurij Nikolaevic Tynjanov, Roman Osipovic Jakobson, Boris Michaijlovic Eichenbaum, Vladimir Jakovlevic Propp

  • freie Rhythmen

    (m. Pl.) reimlose, metrisch ungebundene Verse mit beliebiger Silbenanzahl und unterschiedlich vielen Hebungen und Senkungen, die dennoch einen bestimmten Rhythmus aufweisen: Im Unterschied zur Prosa sind Korrespondenzen in der Verteilung der Hebungen erkennbar. Frei Rhythmen erscheinen in Gedichten ohne feste Strophenform, die Verse können aber dennoch in Versgruppen beisammen stehen. Bsp.: Goethe, Prometheus, Wanderers Sturmlied. Vgl. auch Ode.

  • Freie Rhythmen
    ungereimte Verse ohne durchgehende Vers- und Strophenmaße, jedoch an antiken Verselementen orientiert; Freie Rhythmen (in der dt. Dichtung seit Klopstock,
    insbesondere zwischen Mitte des 18. und Mitte des 19. Jh.s) zeichnen sich bedingt durch ihre antiken Anleihen durch einen hohen Stil aus und unterscheiden sich somit von den prosa- näheren ›Freien Versen‹ (seit Anfang des 20. Jh.s)
  • Gedichtformen
    neben den unten genannten sind in der dt. Dichtung etwa Hymne, Ghasel, Rondeau geläufige Gedichtformen; bei der Ode, Terzine, Sestine und Stanze entspricht die Gedichtform der Strophenform (etwa: eine Sestine ist ein Gedicht aus Sestinen; ein Gedicht in horazischen Odenstrophen ist eine Ode)
  • Geminatio

    oder Gemination (f.): ›Verdopplung‹, rhetorische Figur; unmittelbare Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, z.B.: Worte! Worte! Keine Taten! (Heine) oder Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! (Goethe, Erlkönig). Im Gegensatz zur Anapher oder Ephipher folgen die sich wiederholenden Wörter bzw. Wortgruppen hier also unmittelbar aufeinander, die Wiederholung erfolgt nicht erst im nächsten Vers oder Satz. Vgl. auch Epanalepse.

  • Geminatio
    unmittelbare Wiederholung eines Wortes (einer Wortgruppe); bei dreifacher Wiederholung spricht man von epizeuxis »Singet leise, leise, leise« (Brentano,
    Lureley)
  • gender

    engl. ›Geschlechtsidentität‹; zentraler Begriff der Gender Studies‹; diese unterscheiden zwischen (biologischem) sex und (kulturell/sozial bedingtem und daher historisch wandelbarem) gender; sie verstehen Weiblichkeit nicht (primär) als biologischen Status, sondern als soziales, psychologisches, kulturelles Konstrukt

  • Gender Studies

    literaturtheoretischer Ansatz, der aus der politisch motivierten Frauenbewegung hervorgegangen ist, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts formiert hat; die Gender Studies werfen wie die Women’s Studies einen neuen Blick auf die Literaturgeschichte und legen dabei das Augenmerk auf weibliche Autoren, ›weibliches‹ Schreiben etc. Der zentrale Ansatz besteht darin, Geschlechterrollen und das Geschlechterverhältnis als kulturell und historisch bedingte Konstrukte zu begreifen (gender). Vertreterinnen: u.a. Judith Butler, Hélène Cixous, Luce Irigaray, Julia Kristeva

  • genus grande (sublime)

    Begriff aus der Stil-Lehre, der den erhabenen, großartigen Stil bezeichnet (kunstvolles bzw. ›unnatürliches‹ Sprechen)

  • genus medium (mixtum)

    Begriff aus der Stil-Lehre, der die mittlere Stilebene bezeichnet

  • genus subtile

    Begriff aus der Stil-Lehre, der den schlichten, einfachen Stil bezeichnet (schmuckloses bzw. ›natürliches‹ Sprechen)

  • geschlossene (tektonische) Form
    charakteristisch für geschlossene Dramen ist u.a. die Wahrung der aristotelischen Einheiten (Ort, Zeit, Handlung)
    offene (atektonisch) vs. geschlossene (tektonisch) Form auf Oskar Walzel zurückgehende Unterscheidung, die vor allem von Volker Klotz (Geschlossene und offene Form im Drama, 1960) aufgegriffen wurde
  • Grenzüberschreitung

    Begriff aus der strukturalen Erzähltheorie von Jurij M. Lotman (Strukturalismus). Um die narrative Struktur eines Textes zu bestimmen, nimmt Lotman räumliche Strukturen in den Blick. Eine Grenzüberschreitung liegt genau dann vor, wenn eine Figur über die Grenze zwischen zwei semantischen Räumen versetzt wird; diese Grenzüberschreitung kann die Figur willentlich und aktiv oder unwillentlich und passiv vornehmen (z.B. vom Leben zum Tod: a) willentlich: Selbstmord, b) unwillentlich: Ermordung). Vgl. auch Ereignis

  • hamartia

    griech. ›Irrtum‹; Merkmal des Tragödien-Helden nach Aristoteles; bezeichnet keine habituelle Schwäche, sondern ein einmaliges Fehlverhalten oder das Verkennen einer Situation, durch das der Held ins Unglück gerät; nach Aristoteles notwendiges Merkmal des Helden, um eine optimale Affektwirkung (phobos und eleos) beim Zuschauer zu erzielen

  • Hamartia
    gr. Irrtum; Nicht-Erkennen oder Verkennen einer Figur oder eines Sachverhalts durch eine andere Figur; das daraus resultierende Fehlverhalten führt i.d.R. zu einem tragischen Verlauf; z.B. Schiller: Braut von Messina (1803)
  • Heuristik

    Arbeitsschritt in der klassischen Textkritik (Editionswissenschaft): bezeichnet das Sammeln der Textzeugen

  • Hexameter

    antikes Versmaß; 6 Daktylen (›Sechsmesser‹): die ersten vier eventuell verkürzt (= Trochäen); der fünfte bleibt immer ein Daktylus; der sechste ist immer verkürzt; Merkvers: Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule (Schiller); im 18. Jahrhundert in Deutschland wieder aufgenommen, z.B. bei Klopstock (Messias) und Goethe (Hermann und Dorothea); in Verbindung mit dem Pentameter kommt der Hexameter in Distichen vor (besonders in Epigrammen und Elegien).

  • Hexameter
    antiker Vers aus sechs Daktylen, wobei der letzte Daktylus um ein Element verkürzt ist; in der dt. Dichtung hat sich eine frei Handhabung der Daktylen durchgesetzt, die mit Ausnahme des obligatorischen fünften Daktylus auch durch Trochäen (oder Spondeen) ersetzt werden können; der Hexameter hat eine obligatorische Zäsur, die zumeist im dritten Versfuß liegt; demnach ergibt sich folgendes metrische Schema; die dt. Hexameterdichtung etabliert sich seit Mitte
    des 18. Jh.s und ist im wesentlichen auf versepische und elegische Dichtung (Elegie) beschränkt.
    Beispiel:
    Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung.
    (Klopstock, Der Messias)
  • histoire

    frz. für ›Geschichte‹; Begriff der Erzähltheorie, der das ›Was‹ des Erzählens beschreibt; im Unterschied zum discours bezeichnet die histoire die erzählte Geschichte, d.h. die vom konkret vorliegenden Text abstrahierbare Menge von Ereignissen in ihrer logisch-chronologischen Ordnung; entspricht in etwa dem Begriff fabula im Russischen Formalismus und dem englischen plot (oder: story)

  • Hymne

    (f., auch gr. Hymnos, lat. Hymnus, m.), feierlicher Lob- und Preisgesang zu Ehren eines Helden oder Gottes, meist religiös motiviert. In der gr. Antike Einzel-, Wechselgesang oder Chorlied mit einem meist dreiteiligen Aufbau in Anrufung des Gottes, Erzählung mythischer Ereignisse und Gebet; meist in Hexametern, vgl. auch Dithyrambus. Im Mittelalter Bezeichnung für einen strophisch gegliederten, lat. Lobgesang Gottes im Umkreis der christlichen Liturgie; im Barock noch strophisch gegliedert als Preisgesang auf Gott, Helden, Fürsten, abstrakte Begriffe und Tugenden; in Empfindsamkeit und Sturm und Drang v.a. durch die Hymnendichtung Klopstocks und des Göttinger Hains bedeutsame lyrische Gattung zum Ausdruck von Ergriffenheit und Erhabenheit, hier nicht mehr eindeutig von der Ode zu trennen.

  • Hyperbaton

    (n.): ›Sperrung‹, rhetorische Figur; Trennung syntaktisch eng zusammengehöriger Wörter, etwa der Wörter eines Satzgliedes, durch einen Einschub, meist durch die Vorwegnahme eines späteren Satzteils; dient der besonderen Hervorhebung der auseinandergerissenen Wörter oder wird aus rein rhythmischen Gründen gesetzt. Beispiel: Bereit ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht / Noch einmal koste, und der Rebe Kraft (Hölderlin) statt Bereit ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht / und der Rebe Kraft noch einmal koste.

  • Hyperbel

    (f.), (positive oder negative) Übertreibung mit bewusst komischem oder auch ernst gemeintem Effekt. Viele Hyperbeln sind in die Umgangssprache übernommen worden und haben so ihren eigentlichen hyperbolischen Effekt verloren, z.B. blitzschnell oder wie Sand am Meer.

  • Hyperbel
    Übertreibung zur Darstellung des Außerordentlichen, oft unglaubwürdig oder gar unmöglich, nicht selten auch humoristisch »ein Schneidergesell, so dünn, daß die Sterne durchschimmern konnten« (Heine, Harzreise)
  • hyperkatalektisch

    in der antiken Metrik Bezeichnung für einen Vers, dessen letzter Versfuß eine, selten mehrere überzählige Silben hat, v.a. bei Jamben und Anapästen. Vgl. auch katalektisch und akatalektisch sowie Kadenz.

  • Hyperoche

    Spezialfall der Hyperbel: Übersteigerung einer Person oder eines Gegenstandes ins Unvergleichliche und Einmalige, z.B. das Beste vom Besten.

  • Hypertextualität

    (f.), Beziehung zwischen dem Hypotext und dem neu entstandenen, diesen überlagernden Hypertext, nach G. Genette Form der Transtextualität. Hypertextualität liegt z.B. bei der Parodie, der Travestieoder der Nachahmung vor.

  • Hypotext

    (m.), von G. Genette geprägter Begriff zur Bezeichnung eines Textes, der die Grundlage für einen neuen Text bildet; vgl. Hypertextualität.

  • Hysteron proteron

    (n.) oder Hysterologie (f.): ›falsche Folge‹, rhetorische Figur; Verkehrung der Reihenfolge zweier zeitlich und/oder logisch aufeinanderfolgender Glieder, z.B.: Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen (Goethe, Faust I).

  • imitatio/Imitation

    (f.), Nachahmung mustergültiger Vorbilder aus Literatur und Kunst (im Unterschied zur Naturnachahmung: Mimesis), durch Anpassung an Stil, Bildlichkeit, Form etc., vor allem in der Antike und im Mittelalter, aber auch im Barock von Martin Opitz gefordert.

  • Intertextualität

    (f.), Bezug von Texten auf andere Texte. Der Begriff Intertextualität bezeichnet a) intentionale, d.h. vom Autor bewusst hergestellte Anspielungen eines Textes auf andere Texte sowie Textformen wie Parodie oder Travestie, die auf best. andere Texte oder Textgattungen Bezug nehmen; b) in der jüngeren Forschung jedoch im Sinne Julia Kristevas im Anschluss an Michail Bachtins Begriff der Dialogizität eine Qualität aller literarischen Texte, die im Kontext des Poststrukturalismus gerade die Vorstellung einer Autorintention und der Einheit und Abgeschlossenheit des einzelnen literarischen Werkes unterminiert (vgl. Tod des Autors). Nach Kristeva ist jeder Text ein Mosaik von Zitaten als Absorption und Transformation eines anderen Textes. Vgl. auch Transtextualität.

  • inventio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die Auffindung und Zusammenstellung des Stoffs

  • Inversion
    von der üblichen Wortfolge abweichende Umstellung von Wörtern »Unendlich ist die jugendliche Trauer« (Novalis, Heinrich von Ofterdingen)
  • Invocatio

    (f.): ›Anrufung‹; Anrufung der Musen, der Götter oder Gottes meist am Beginn von Epen oder Gedichten; auch die Anrufung Gottes oder der Heiligen in der Eingangsformel von Urkunden. Beispiel: Heilig Wesen! gestört hab ich die goldene / Götterruhe dir oft […] (Hölderlin: Abbitte).

  • Jambus

    (m., Pl. Jamben), antiker Versfuß aus einer kurzen und einer langen Silbe (uú), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus einer unbetonten und einer betonten Silbe (uú), z.B. alleín (Ggs.: Trochäus). In Versen gebräuchlich sind v.a. der sechshebige jambische (Trimeter, Alexandriner) und der fünfhebige Jambus (Blankvers im Drama, Sonett, Stanze, Terzine als Gedicht- bzw. Strophenformen in der Lyrik).

  • Kadenz
    metrische Form des Versschlusses; man unterscheidet zwischen männlicher (auch: stumpfer) und weiblicher (auch: klingender) Kadenz; die männliche Kadenz bezeichnet den Versschluss auf einer Hebung, die weibliche Kadenz bezeichnet den Versschluss auf einer Folge von Hebung und abschließender Senkung.
  • Kadenz

    (f.), Terminus zur Beschreibung des Versendes in akzentuierender Metrik. Die neuzeitl. Metrik unterscheidet i. allg. nur zwischen der a) männlichen oder stumpfen Kadenz: Abschluss auf einer betonten Silbe und b) weiblichen oder klingenden Kadenz: Abschluss auf einer Folge von einer betonten und einer unbetonten Silbe; in der mittelhochdeutschen Metrik gibt es aufgrund anderer Silbenstruktur weitere Unterteilungen. Im Gegensatz zu den aus der quantitierenden antiken Metrik stammenden Bezeichnungen katalektisch, akatalektisch und hyperkatalektisch (die teilw. auch auf akzent. Metrik angewandt werden) sagt die Kadenz also nichts über die Silbenfüllung des letzten Versfußes aus: ein katalektischer, also unvollständiger Trochäus am Versende hat ebenso wie ein akatalektischer, also vollständiger Jambus eine männliche Kadenz, denn beide enden auf einer betonten Silbe.

  • Kanon

    Zusammenstellung von Texten, die für exemplarisch und daher für besonders erinnerungswürdig gehalten werden.

  • katalektisch

    (auch Katalexe, f.), in der antiken Metrik Bezeichnung für einen Vers, dessen letzter Versfuß unvollständig ist, d.h. die letzte (Trochäus) oder die letzten beiden (Daktylus) Senkungen fehlen. Vgl. auch akatalektisch, hyperkatalektisch sowie Kadenz.

  • Katastrophe
    gr. Umsturz; Auflösung des Konflikts zum Guten (Komödie) oder Schlechten (Tragödie), nach Freytag: 5. Ak
  • Katharsis

    griech. ›Reinigung‹; ursprünglich im medizinischen Sinn gebrauchter Terminus; bei Aristoteles das zentrale Wirkungsprinzip von Tragödien: die Tragödie erzeugt beim Zuschauer die tragischen Affekte phobos (Schauder) und eleos (Jammer); durch das heftige Durchleben dieser Affekte wird der Zuschauer von diesen Affekten ›gereinigt‹, woraus eine seelische Stabilisierung auf ein sozialverträgliches Mittelmaß resultiert; Lessing hat phobos und eleos mit ›Furcht‹ und ›Mitleid‹ übersetzt und interpretiert das Katharsis-Prinzip als Veredelung dieser Affekte

  • Katharsis
    gr. Reinigung; auf die griech. Antike zurückgehendes Konzept der Reinigung der Gefühle durch das Theater
  • Kettenreim

    (m.), a) äußerer Ketten- oder Terzinenreim, Reimschema: aba bcb cdc etc.; b) innerer Kettenreim: Reimabfolge, die nach demselben Schema Wörter aus dem Versanfang, der Versmitte und dem Versende miteinander verbindet.

  • klassische Dämpfung

    dramaturgisches Prinzip: in der Hochstil-Form der Tragödie darf innerhalb des klassizistischen Dramenkonzepts aufgrund der Maßgabe der bienséance z.B. von körperlichen Bedürfnissen keine Rede sein

  • Klimax
    semantisch steigernde Reihung in der Abfolge von Wörtern (Wortgruppen) »wie habe ich ihn nicht gebeten, gefleht, beschworen« (Lessing,
    Philotas)
  • Knittelvers

    (m., auch Knüttelvers), paarweise gereimter, vierhebiger Vers der dt. Dichtung v.a. des 15. und 16. Jh., entweder als freier Knittelvers mit freier Senkungsfüllung (bis zu 16 Silben) oder als strenger Knittelvers mit alternierendem Prinzip und 8 Silben bei männl., 9 bei weibl. Kadenz. Von Opitz bekämpft, hält sich der Knittelvers in der Volksdichtung und wird im 18. Jh. (Gottsched, Goethe) für komische, parodistische oder volkstümliche Dichtung wieder verwendet.

  • Kollation

    lat. ›collatio‹ = ›Zusammentragen‹, ›Vergleichung‹; Arbeitsschritt der klassischen Textkritik (Editionswissenschaft); bezeichnet den Vergleich (Wort für Wort) der gesammelten und ausgewerteten Textzeugen

  • Komödie
    (Lustspiel) Grundform des Dramas, bei dem die Handlung glücklich endet (z.B. durch eine Hochzeit); kennzeichnend sind (traditionell) niederer Stil und ein niederes Figureninventar (Ständeklausel); z.B. Gryphius: Horribilicribifax (1663); Kleist: Der zerbrochene Krug (1806)
  • Konjektur

    lat. ›coniectura‹ = ›Vermutung‹; Eingriff in die Leithandschrift: Korrektur von ›Fehlern‹, die bereits für den Archetyp angesetzt werden, d.h. von vermuteten Fehlern, die dem Autor nicht zugetraut werden, für die es aber in der Überlieferung keine Beweise gibt (anders als im Falle der Emendation, bei der die Korrektur von Fehlern durch die übrige Überlieferung gestützt ist)

  • Kontamination

    lat. ›contaminare‹: ›durch Berührung/Vermischung verderben‹; Begriff der Editionswissenschaft: bezeichnet das Phänomen der Textmischung, das eintritt, wenn eine Abschrift nicht nur auf einen Textzeugen, sondern auf mehrere Vorlagen zurückzuführen ist bzw. wenn einer Edition unterschiedliche Textzeugen zugrunde gelegt werden

  • Kreuzreim

    (m.) auch Wechselreim, Reimschema: abab (cdcd).

  • kulturelles Wissen (kW)

    Begriff der strukturalen Textanalyse (Strukturalismus); bezeichnet die Gesamtmenge der Annahmen über die Realität, die eine Kultur innerhalb eines bestimmten Zeitraums kennzeichnen (vom Alltagswissen bis zum Wissen der Theologie, der Philosophie, der Naturwissenschaften etc.; ferner: Normen, Geschlechterrollen etc.)

  • Kyklos

    (m.), ›Kreis‹, ›Umrahmung‹, ›Umschließung‹, rhetorische Figur; Wiederholung des ersten Wortes oder der ersten Wortgruppe eines Verses oder Satzes am Vers- oder Satzende. Beispiel: Mein Leben war sein Tod, sein Tod war mir mein Leben (Fleming, Andacht; zugleich Antithese und Chiasmus, in Bezug auf beide Teilsätze des Verses auch Anadiplosis: […] sein Tod, sein Tod […]).

  • Latinitas

    puritas

  • lectio difficilior

    lat. ›schwierigere Lesart‹; methodisches Prinzip in der Editionswissenschaft: bei der Bestimmung des Archetyps wird die seltenere und schwerer erklärbare Variante als besser und ursprünglicher betrachtet; beruht auf der Hypothese, dass dem tatsächlichen Autor die komplizierteste Variante zuzutrauen sei

  • lectio facilior

    Gegenbegriff zur lectio difficilior

  • Lehre vom mehrfachen Schriftsinn

    (f.), Verfahren der Allegorese, das hinter dem wörtlichen Sinn eines Textes mehrere Bedeutungsebenen ausmacht. In der für die christliche Bibelexegese bedeutsamen Lehre vom vierfachen Schriftsinn werden unterschieden: 1. der sensus litteraris oder historicus (der Wortsinn eines Textes: z. B. Jerusalem als historische Stadt), 2. der sensus allegoricus (der allegorische Sinn: Jerusalem als Kirche Christi), 3. der sensus moralis (die moralische Lehre: Jerusalem als Seele des einzelnen Gläubigen), 4. der sensus anagogicus (der Verweis auf die Eschatologie: das himmlische Jerusalem als künftiges Gottesreich). Im Mittelalter wurde die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn auch für die Auslegung heidnischer Texte antiker Autoren fruchtbar gemacht, die somit einer christlichen Deutung zugänglich wurden.

  • Leithandschrift

    Begriff der Editionswissenschaft: die Handschrift, die von allen überlieferten Textzeugen am ehesten dem Dichter zugetraut wird; dient – wenn der Originaltext verloren ist – oftmals als Basis für eine Edition

  • Leitmotiv

    (n.), a) in der Musik wiederkehrende, eingängige Tonfolge, die zur Charakteristik von Figuren, Situationen oder Stimmungen dient, v.a. bei K. M. von Weber und R. Wagner; analog dazu b) in der Literatur eine einprägsame, wörtl. oder ähnl. wiederkehrende Aussage, die einer Figur, Situation, Stimmung, Idee, einem Gegenstand oder Sachverhalt zugeordnet ist und Vorausdeutungen oder Rückverweise herstellt, die den Text gliedern (Th. Manns Zauberberg: Halskrause des Großvaters, Bleistift); oft auch nur syntaktisch-stilistische Züge (Zauberberg: Peeperkorns elliptische Redeweise).

  • Lesedrama
    Dramentexte sind i.d.R. für die Realisierung auf einer Bühne konzipiert. Eine Reihe von Dramen ist schwer aufführbar bzw. gar nicht für eine Aufführung  konzipiert; z.B. Tieck: Der gestiefelte Kater (publiziert 1797, erst 1844 uraufgeführt), Kraus: Die letzten Tage der Menschheit (1922, über 700 S.)
  • Lied
    i. e. S. ein Gedicht nach dem Muster sangbarer Texte in metrisch gleich gebauten Strophen, die einem festen Reimschema folgen (insb. Volks- und Kirchenlieder)
  • literaturnost’

    russ. für ›Literarizität‹; Begriff aus der Formale Schulen; akzentuiert den spezifisch ›literarischen‹ Charakter von Literatur: Ausblendung von außerliterarischen Bezügen (z.B. Biografie des Autors); stattdessen Untersuchung der Verfahren (russ. priem) in der poetischen Sprache und Form, die für die ästhetische Wirkung eines Kunstwerks verantwortlich sind

  • Litotes

    (f.): rhetorisches Stilmittel, Trope; Mittel der untertreibenden Ausdrucksweise, wird durch Verneinung des Gegenteils erreicht, oft ironisch, z.B. er war nicht gerade groß statt er war klein.

  • Litotes
    Milderung der Aussage durch Verneinung des Gegenteils »Er hielt sie fest und drückte sie an sich. Erst auf einem Rasenabhang ließ er sie nieder, nicht ohne
    Bewegung und Verwirrung.« (Goethe, Wahlverwandtschaften)
  • Manierismus

    (m.), gesamteuropäischer, ursprünglich aus der bildenden Kunst stammender Stilbegriff für die Übergangsphase von der Renaissance zum Barock (1530-1630), gekennzeichnet durch Experimente mit formalen Extremen. Im literaturhistorischen Sinn Bezeichnung für einen selbstzweckhaften, nachdrücklich artifiziellen Stil unter Verwendung zahlreicher Tropen, Metaphern und Concetti. Berühmte literarische Vertreter waren in Spanien Luis de Gongora (Gongorismus), in Italien Giambattista Marino (Marinismus), in Deutschland v. a. Harssdörffer und die schlesische Dichterschule (Lohenstein, Hofmannswaldau).

  • medias in res

    lat. ›mitten ins Geschehen hinein‹; neben dem Erzählen ab ovo eine seit der Antike praktizierte Form des Romanbeginns, bei der der Roman mitten in der Handlung einsetzt und die Vorgeschichte erst später nachliefert (aufgrund der ›Unnatürlichkeit‹ die Erzählstrategie des Hochstil-Romans)

  • memoria

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: das Auswendiglernen (Technik des Auswendiglernens: Mnemotechnik)

  • Metapher
    das eigentlich Gemeinte wird durch ein Anderes, aus einem anderen Vorstellungsbereich, ersetzt, das eine sachliche oder gedankliche Ähnlichkeit besitzt, das
    sogenannte tertium comparationis; diverse Versuche zur Klassifizierung von Metaphern sind unternommen worden (absolute M., verblaßte M., kühne M. etc.)
    ›Flußarm‹; ›Wüstenschiff‹ für Kamel; ›Fuchs‹ für listiger Mensch
  • Metapher

    griech. ›metaphora‹ = ›Übertragung‹; Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen aufgrund von semantischer Ähnlichkeit; uneigentlicher bzw. bildhafter Ausdruck; z.B. ›Staatsschiff‹, ›Motorhaube‹

  • Metonymie
    das eigentlich Gemeinte wird durch ein Anderes, aus dem gleichen Vorstellungsbereich, ersetzt; die Beziehungen zwischen Gemeintem und Anderem können
    vielfältig sein (Kausalbeziehung, Eigentumsbeziehung, Hierarchiebeziehung etc.) ›Berlin plant Steuererhöhung‹; ›ein Glas trinken‹; ›Goethe lesen‹
  • Metonymie

    griech. ›metonymia‹ = ›Namensvertauschung‹, ›Umbenennung‹; Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen, der zu ihm (anders als bei der Metapher) in tatsächlicher räumlicher, zeitlicher, kausaler etc. Beziehung steht; z.B.: ›Autor‹ statt ›Werk‹ (›im Goethe lesen‹), ›Gefäß‹ statt ›Inhalt‹ (›ein Glas trinken‹)

  • Metrik

    (f.), Verslehre, Lehre von den strukturbildenden Prinzipien der Verssprache wie Versmaße (Metrum), Strophen, Reim und Rhythmus. Zu unterscheiden sind 1. eine rein silbenzählende Metrik mit Festlegung der Silbenanzahl (frz. Metrik, im dt. Barock von Weckherlin geübt) und im Gegensatz dazu drei Formen einer versch. Silbenklassen unterscheidenden Metrik: 2. quantitierende Metrik mit Unterscheidung der Silbendauer (gr., röm. Metrik), 3. akzentuierende Metrik mit Unterscheidung von betonten und unbetonten Silben (engl., dt. Metrik seit Opitz) und 4. tonale Metrik mit Unterscheidung der Tonhöhe (event. klass. chines. Metrik). So werden bei der Verwendung antiker Versmaße im Deutschen die antiken Längen zu betonten, die Kürzen zu unbetonten Silben, der Problematik solcher Übertragungen stellt sich die vergleichende Metrik. Die systematische Metrik erfasst die verschiedenen metrischen Gliederungsformen wie Versfuß, Vers, Strophe und Gedichtformen (Sonett, Ode etc.); die historische Metrik die zeitliche Abfolge versch. Metriken.

  • Metrik
    (gr. metrikē téchnē, Kunst des Messens): literaturwissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Regeln der Versdichtung befasst
  • metrisches System
    man unterscheidet u.a. zwischen: (1) akzentuierender Metrik, die sich nach der Silbenbetonung/-akzentuierung richtet (betont : unbetont); so etwa die dt. Dichtung seit dem 17. Jh.; (2) quantitierender Metrik, deren Prinzip ›silbenwägend‹ ist, sich also nach der Silbenquantität richtet (lang : kurz); so etwa die griechische und lateinische Dichtung; (3) silbenzählender Metrik, die sich nach der Silbenanzahl pro Vers richtet; so etwa die französische Dichtung
  • Metrum

    (n.), a) Versmaß, d. h. die durch die Zahl der Silben und ihre Quantität (Zeitdauer, in antiker Dichtung) bzw. ihren Akzent (Betonung, seit Opitz in deutscher Dichtung) bestimmte Silbenabfolge eines Verses als abstraktes Schema; b) im engeren Sinne die kleinste metrische Einheit eines Verses als Versfuß oder Takt. – Der freie Rhythmus hat als best. Silbenabfolge streng genommen ein eigenes Metrum, aber kein metrisches Schema. Vgl. Metrik.

  • Mimesis

    griech. ›Nachahmung‹, ›Darstellung‹; zentraler Begriff der aristotelischen Poetik; nach Aristoteles basiert die Hervorbringung von Dichtung auf dem menschlichen Grundbedürfnis nach Nachahmung; dabei handelt es sich nicht um eine simple Kopie der Realität, sondern eine kreative Darstellung der Wirklichkeit nach der Maßgabe der ›Wahrscheinlichkeit‹ (im Unterschied zur Geschichtsschreibung)

  • Monodie

    (f.), a) in der antiken Tragödie lyrischer, von Aulos, Lyra oder Kithara (Flöten bzw. Leierinstrumenten) begleiteter Einzelgesang im Ggs. zum Chorlied, b) allgemein Einzelgesang (Ggs.: Chorlied), unbegleitet oder mit einer instrumentalen Begleitung in derselben Melodieführung, also immer einstimmig (Ggs.: Polyphonie).

  • Monologizität

    (f.), Gegensatz zur Dialogizität; nach M. Bachtin Kennzeichen von Texten mit nur einer dominanten Stimme, die damit hierarchische Verhältnisse der Gesellschaft spiegeln.

  • Monopodie

    (f.), in der antiken Metrik im Gegensatz zur Dipodie der einzeln gezählte Versfuß, etwa beim Daktylus.

  • Motiv

    (n.), Element eines literarischen Textes, dessen Inhalt schematisiert beschrieben werden kann. Man unterscheidet inhaltlich 1. Situations-Motive (Bsp.: Dreiecksverhältnis, Doppelgänger, feindliche Brüder), 2. Typus-Motive als Charakterschemata (femme fatale, Einzelgänger, Intrigant), 3. Raum-Motive (Schloss, Wald, Insel) und 4. Zeit-Motive (Mitternacht, Frühling); gattungstheoretisch etwa Dramen-Motive (feindliche Brüder), lyrische Motive (Einsamkeit, Abschied), Märchen-Motive (Ring, Vogel, Verwandlung) etc.; formal primäre, Zentral- oder Kernmotive von sekundären, Rand- oder Rahmenmotiven und Leitmotiven. Die Motivgeschichte untersucht die historische Konstanz und Wandlung von Motiven und ihrer Bedeutung in der Literatur- und Kunstgeschichte.

  • narratio

    Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil einer Rede bezeichnet: eine kurze Darlegung des Themas/Sachverhalts

     

  • Novelle

    ital. ›novella‹ = ›Neuigkeit‹ (Geschichte, die man unbedingt weitererzählen will, etwas Interessantes); epische Form, die nach Goethe »eine sich ereignete unerhörte Begebenheit« zum Gegenstand hat; nach Paul Heyse ist die Novelle eine Erzählform, die einen elementaren Kern (einen ›Falken‹) enthält, um den sich die Handlung dreht

  • Ode

    (f.), meist reimlose, strophische Form der Lyrik, die sich durch Erhabenheit und Feierlichkeit auszeichnet. In der gr. Antike war die Ode der Überbegriff für alle zur Musikbegleitung vorgetragene Lyrik, sie umfasste also das Chorlied ebenso wie die Monodie; die festen Versmaße der letzteren gingen als spezielle Odenmaße in die Tradition ein. Horaz verband die pindarische Tradition des Chorlieds mit monodischen Elementen. Die deutsche Odendichtung setzt mit sangbaren Liedern gesellschaftlichen Inhalts im Barock ein (Weckherlin, Opitz, Fleming, Gryphius). Höhepunkte bilden die pathetischen Oden Klopstocks, der die (neuzeitl.) Bestimmung der Ode als erhaben-feierliches Gedicht wesentlich prägte, sowie Hölderlin. Die Abgrenzung der Ode, v.a. in ihrer frei-rhythmischen Form, von der Hymne wird schon bei Klopstock und dann in der Lyrik des Sturm und Drang fließend.

  • offene (atektonische) Form
    charakteristisch für offene Dramen sind u.a. die Abkehr von den aristotelischen Einheiten (Ort, Zeit, Handlung) und ein umfangreiches Figureninventar; offene Dramen findet man vornehmlich im Sturm und Drang (ca. 1770-1785) und seit der literarischen Moderne (um 1900) ; z.B. Goethe: Götz von Berlichingen (1773), Wedekind: Frühlings Erwachen (1891)

    offene (atektonisch) vs. geschlossene (tektonisch) Form auf Oskar Walzel zurückgehende Unterscheidung, die vor allem von Volker Klotz (Geschlossene und offene Form im Drama, 1960) aufgegriffen wurde

  • Orchestra

    (f.), urspr. kultischer Tanzplatz der Dionysien, später Spielraum des attischen Dramas zwischen Zuschauertribüne und Bühnenhaus; im 17. Jh. ging die Bezeichnung Orchestra nach der Verlegung der Musiker aus dem hinteren Bühnenraum in den Halbkreis vor der Bühne auf die Musiker über.

  • ornatus

    Prinzip der antiken Stil-Lehre: sprachliche und stilistische Formgebung (einschließlich Schmuck und Gestaltung wie Tropen und rhetorische Figuren

  • Oxymoron
    Verbindung zweier antithetischer Wörter (Wortgruppen); bei logischem Widerspruch zwischen Substantiv und Adjektiv spricht man auch von contradictio in adjecto »traurigfroh« (Hölderlin, Heidelberg); contradictio in adjecto: »schwarze Milch der Frühe« (Celan, Todesfuge)
  • Oxymoron

    (n.): ›Widersprüchlichkeit‹, rhetorische Figur; enge Verbindung zweier sich widersprechender Begriffe, z.B. helldunkel, traurigfroh, heißer Schnee (letzteres bildet den Spezialfall einer contradictio in adjecto). Vgl. auch Antithese.

  • Paarreim

    (m.) einfachstes und häufiges Reimschema: aa bb cc etc.

     

  • Parallelismus
    syntaktischer oder gedanklicher Gleichlauf von Wortgruppen »Sobald ich dann das Unglaubliche sehe – werde ich ein Zeuge. Sobald ich dann die Kirche betrete –
    werde ich ein Laie.« (Handke, Veränderungen im Lauf des Tages)
  • Parallelismus

    (m.), a) rhetorische Figur; ›Gleichlauf‹ durch Wiederholung einer Wortgruppe. Man unterscheidet zwischen syntaktischem Parallelismus, z.B. Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer (Goethe: Faust I) und semantischem Parallelismus, der durch die Aufspaltung einer Aussage in zwei Glieder bestimmt ist. Stellt das zweite Glied eine semantische Erweiterung oder Fortführung des ersten dar, so handelt es sich um einen synonymen Parallelismus (so muß ich dich verlassen, von dir scheiden; Schiller: Wallenstein); stellt es einen Gegensatz dar, so handelt es sich um einen antithetischen Parallelismus (Friede den Hütten, Krieg den Palästen; Büchner: Der hessische Landbote) wobei auch hier oft ein syntaktischer Parallelismus gegeben ist (s. Bsp., dagegen Überkreuzstellung beim Chiasmus). b) im weiteren Sinne strukturelles Kompositionselement eines literarischen Werkes, etwa durch Wiederholung gleichrangiger Teile in der Prosa (v.a. im Märchen) oder in Figurenkonstellationen im Drama.

  • Paratext

    (m.), von G. Genette geprägter Begriff zur Bezeichnung aller Texte, die die Rezeption des eigentlichen literarischen Textes steuern, etwa Autorname, Titel, Klappentext, Widmung, Vorwort etc., vgl. Paratextualität.

  • Paratextualität

    (f.), Beziehung zwischen den Paratexten und dem eigentlichen, literarischen Text; nach G. Genette eine Form der Transtextualität.

  • Parenthese

    (f.): ›Einschub‹, rhetorische Figur; Unterbrechung eines Satzes durch den Einschub eines grammatikalisch vollständigen und selbstständigen weiteren Satzes in Gedankenstrichen oder Klammern, z.B.: Eduard – so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter – Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Propfreiser auf junge Stämme zu bringen. (Goethe, Die Wahlverwandtschaften).

  • Parodie

    (f.), in krit., satir. oder polem. Absicht verfasste, verspottende Nachahmung eines bekannten Werkes oder einer Gattung unter Beibehaltung der jeweils charakteristischen Form, jedoch mit anderem, nicht dazu passendem Inhalt (umgekehrt: Travestie). Die Komik beruht auf der so entstandenen Diskrepanz zwischen Form und Inhalt. Bsp.: Friedrich Th. Vischer, Faust III. Teil. Vgl. auch Intertextualität.

  • Parodos

    (f.), a) seitlicher Zugang zur Orchestra im antiken Drama, b) das Einzugslied des Chors beim Betreten der Orchestra im antiken Drama, urspr. der Anfang des Dramas bzw. Dityhrambus, später nach dem Prolog. Vgl. auch Stasimon, Exodos, Chorlied.

  • Paronomasie

    (f.): rhetorische Figur; Wortspiel durch a) die (widersprüchliche) Verbindung von Wörtern desselben Stammes (vgl. Figura etymologica und Polyptoton) oder b) die Verbindung ähnlich klingender Wörter, z.B. Der Rheinstrom ist worden zu einem Peinstrom, die Klöster sind ausgenommene Nester, die Bistümer sind verwandelt in Wüsttümer […] (Schiller, Wallensteins Lager).

  • pathos

    griech. ›Unglück‹, ›Leid‹, ›Affekt‹, ›Leidenschaft‹; bezeichnet in der aristotelischen Dramentheorie den Schmerz, den der tragische Konflikt bei den Figuren auslöst

  • Pentameter

    antikes Versmaß; Achtung: Da es im Deutschen kaum echte Spondeen gibt, weicht der Pentameter der deutschen Dichtung von den antiken Vorbildern ab (vgl. etwa ›Voll-Mond‹, das wir nur mit Betonung auf der ersten Silbe sprechen können: ›Vóllmond‹).
    klassischer Pentameter: 2 Daktylen1 Spondeus – 2 Anapäste
    deutscher Pentameter: 6 Hebungen! Der Spondeus wird ersetzt durch eine betonte Silbe, auf die eine Diärese (= kurze Sprechpause) folgt. Der letzte Versfuß besteht aus einer betonten Silbe.

  • Pentameter
    antiker Vers aus sechs Daktylen, wobei der dritte und letzte Daktylus verkürzt sind; die ersten beiden Daktylen können durch Trochäen (oder Spondeen) ersetzt werden; der Pentameter hat eine obligatorische Zäsur nach der dritten Hebung: !”<“> !”<“> !m!”” !”” !; der Pentameter steht als Versmaß nie allein, sondern folgt (im elegischen Distichon; Elegie) auf einen Hexameter
  • Peripetie

    griech. ›peripeteia‹ = ›plötzliches Umschlagen‹; zentrales Element der aristotelischen Dramentheorie; bezeichnet den unerwarteten, plötzlichen Umschwung in der Handlungsstruktur, durch den entweder eine Wendung zum Guten (Komödie) oder Schlimmen (Tragödie) eingeleitet wird

  • Peripetie
    gr. Glückswechsel; plötzlicher Wendepunkt der Geschichte zum Guten (Komödie) oder Schlechten (Tragödie), nach Freytag: 3 Akt
  • peroratio

    Begriff aus der Rhetorik, der den Schlussteil einer Rede bezeichnet; auch: ›conclusio‹

  • Personifikation
    Dinge oder abstrakte Begriffe (allgemein: Unbelebtes) treten als redende beziehungsweise handelnde Personen auf, z. B. Goethe, An Schwager Kronos
  • Personifikation

    (f.), rhetorische Figur; Vermenschlichung; Darstellung von abstrakten Begriffen (vgl. Allegorie), Eigenschaften, leblosen Dingen oder Naturerscheinungen als handelnde oder sprechende Personen; Bsp.: der Sommer stand und lehnte und sah den Schwalben zu (Benn: Astern).

  • perspicuitas

    Prinzip der antiken Stil-Lehre: Klarheit und Verständlichkeit

  • persuadere

    lat. ›überzeugen‹ und ›überreden‹; Begriff aus der Rhetorik, der das Ziel einer Rede bezeichnet

  • Petrarkismus

    (m.), auf Francesco Petrarca (1304-1374) zurückgeführtes Konzept der Liebeslyrik vom 14. bis zum 17. Jh., gekennzeichnet durch eine verbindliche, schematisierte Formsprache, die der Irrationalität des Liebesempfindens Rechnung trägt (Metaphern, Antithesen, Hyperbeln) und einen festen Motivkanon wie Liebesschmerz, Frauenpreis und eine Aufzählung der körperlichen Vorzüge der Frau – Sprecher im Petrarkismus ist immer der Mann (Ausnahmen im sog. ›Anti-Petrarkismus‹). Nähe zum Manierismus.

  • phobos

    Katharsis

  • Pindarische Ode

    (f.), seit 600 v. Chr. übliche, jedoch durch Pindar (5. Jh. v. Chr.) zur Berühmtheit gelangte Form des gr. antiken Chorliedes, die aus zwei gleichgebauten Strophen (Strophe und Antistrophe oder auch Ode und Antode) und einer metrisch abweichenden dritten Strophe besteht (Epode: Abgesang).

  • Pleonasmus
    synonymer Zusatz zu einem Wort (Wortgruppe) ›weißer Schimmel‹
  • Polyphonie

    (f.), Mehrstimmigkeit; a) nach M. Bachtins Theorie der Dialogizität versammelt ein polyphoner Roman im Gegensatz zu einem monologischen (Monologizität) eine Vielzahl von divergierenden Stimmen und Perspektiven. Polyphonie und Dialogizität werden oft synonym verwendet; b) mehrstimmiger Gesang, Ggs.: Monodie.

  • Polyptoton

    (n.): rhetorische Figur Form der Paronomasie; Wiederholung desselben Wortes innerhalb eines Satzes oder eines Verses in verschiedenen Beugungsformen (im Unterschied zur Gemination oder Epanalepse). Beispiele: homo hominis lupus, Aug um Auge. Oft als Superlativ, z.B. König der Könige, das Beste vom Besten. Vgl. auch Figura etymologica.

  • Polysyndeton
    Verknüpfung mehrerer gleichgeordneter Wörter, Wortgruppen oder Sätze durch dieselbe Konjunktion »und es wallet und siedet und brauset und zischt« (Schiller, Der Taucher)
  • Polysyndeton

    (n.): ›Vielverbundenheit‹; rhetorische Figur; Reihung gleichgeordneter Wörter, Satzglieder oder Satzteile mit verbindenden Konjunktionen, z.B.: Und es wallet und siedet und brauset und zischt (Schiller). Gegenteil: Asyndeton

  • Postmoderne

    Kunst-Stil bzw. Kunst-Epoche im Horizont von Poststrukturalismus/Dekonstruktion; prominentestes Beispiel in der Literatur: Umberto Eco, Il nome della rosa, 1980

  • Poststrukturalismus

    neben der Systemtheorie das derzeit prominenteste Theorie-Paradigma; nach 1960 vor allem von französischen Theoretikern entwickelt; bekanntester Vertreter: Jacques Derrida (geb. 1930; différance) betont in Abgrenzung zum klassischen Strukturalismus die zwangsläufige Offenheit und Mehrdeutigkeit von Sprache, die Unschärfe von Zeichen; Konsequenz: da es keine starre Struktur-Beziehung zwischen signifiant (Bezeichnendem) und signifié (Bezeichnetem) gibt, werden Zeichen in erster Linie als autonom/selbstreferentiell verstanden; d.h. es wird das Wechselverhältnis der Zeichen zu anderen Zeichen betont, nicht ihr Bezug zur Wirklichkeit

  • prodesse

    aut prodesse volunt aut delectare poetae

  • Prosa-Drama
    in Prosa geschriebenes Drama, seit dem 18. Jh. zunehmend üblich; z.B. Lenz: Die Soldaten (1776); Brecht: Der gute Mensch von Sezuan (1943); Dürrenmatt:
    Die Physiker (1962)
  • puritas

    auch: ›Latinitas‹; Prinzip der antiken Stil-Lehre: Sprachreinheit und Sprachrichtigkeit

  • Recensio

    Arbeitsschritt in der klassischen Textkritik (Editionswissenschaft): Herstellung des Archetyps

  • Reim
    i. w. S. partielle Übereinstimmung des phonetischen Materials wenigstens zweier Wörter im Text; zu unterscheiden sind: (1) Alliteration (bei Übereinstimmung der anlautenden Konsonanten: Buch : Band), (2) Assonanz (bei Übereinstimmung der Vokale: Buch : Wut) und (3) Endreim (bei Übereinstimmung des Auslauts unter Einschluss der Vokale: Band : Hand); i. e. S. der Endreim der eben bezeichneten Art
    (I) Reimschemata:
    Paarreim: aabb
    Kreuzreim: abab
    umschließender/umarmender Reim (auch: Blockreim): abba
    Schweifreim: aabccb
    Waise: reimloser Vers in einer Reimstrophe (wird als ›x‹ notiert)
    (II) Reimarten:
    rührender Reim: Gleichklang beginnt ab dem vorletzten betonten Vokal (Tugendreiche : Jugendstreiche)
    reicher Reim: phonologische Übereinstimmung zweier nicht verwandter Wörter (Teetisch : ästhetisch)
    unreiner Reim: unvollkommene phonetische Übereinstimmung der Reimsilben (blüht : flieht)
    Binnenreim: Reim innerhalb eines Verses
    Schlagreim: Reim zweier im einzelnen Vers unmittelbar aufeinander folgender Wörter
  • Reim

    (m.), Gleichklang zweier oder mehrerer Wörter ab dem letzten betonten Vokal (anders: Stabreim), meist als Endreim in einem Vers (vgl. jedoch auch Binnenreim, Anfangsreim). Man unterscheidet als Reimformen zwischen dem männlichen oder stumpfen Reim (Reim der letzten Hebungssilbe: Haus – Maus) und dem weiblichen oder klingenden Reim (Reim von Hebung und Senkung: Träume – Schäume); weiterhin zwischen reinem oder Vollreim (vollkommener Gleichklang: s. vorige Bsp.) und unreinem oder Halbreim (unvollkommener Gleichklang: blüht – flieht). Vgl. als Reimschemata Paarreim, Kreuzreim, Schweifreim, Kettenreim, umarmender Reim.

  • retardierendes Moment
    spannungserzeugende Handlungsverzögerung, nach Freytag: 4. Akt
  • Rhetorik

    a) ›praktische‹ Rhetorik: kunstvolles Reden als ausgeübte Redekunst, Beredsamkeit: ars bene dicendi, ars oratoria, eloquentia; b) ›theoretische‹ Rhetorik als Analyse und (Lehr-)System: ratio dicendi, ars rhetorica; c) konkretes Lehrbuch der Rhetorik, z.B.: die Rhetorik des Aristoteles

  • rhetorische Figur

    dient dem ornatus; Variante uneigentlichen Sprechens (d.h.: Abweichung vom ›normalen‹ Sprachgebrauch), die – im Unterschied zur Trope – mehr als ein Wort enthält; z.B.: ›Der Lotse geht von Bord‹

  • Rhetorische Figuren
    Elemente der sprachlichen Ausgestaltung von Texten (elocutio); es können unterschieden werden: Wortfiguren der Umstellung, Hinzufügung und Einsparung sowie Gedankenfiguren.
  • Rhythmus

    (m., Pl. Rhythmen), Gliederung der laut gesprochenen Sprache als Wechsel von betonten und unbetonten (akzentuierendes Prinzip) bzw. langen und kurzen Silben (quantifizierendes Prinzip, vgl. Metrik) in der Zeit. Der allgemeine Sprachrhythmus wird in der ›gebundenen‹ Verssprache durch lautliche (etwa Reim) oder syntaktische Mittel (etwa Anapher, Epipher) noch verstärkt, der Begriff ›Rhythmus‹ also meist auf Versebezogen. Während sich das Metrum durch ein festes Schema auszeichnet, wird unter Rhythmus allgemein die Spannung der lautlichen Abfolge eines Verses als Wiederholung und/oder Variation verschiedener Folgen von Hebungen und Senkungen (bzw. Längen und Kürzen) der Silben verstanden; der Rhythmus lässt sich so als individuelle Realisierung des schematisierten Metrums sehen. Vgl. auch freie Rhythmen.

  • Rhythmus
    (gr. rhythmós, gegliederte Bewegung): Gliederung eines sprachlichen Vorgangs in der Zeit; ergibt sich aus der Spannung zwischen Metrum (Versmaß) und sprachlicherFüllung, sowohl unter Berücksichtigung der lautlichen wie der syntaktischen Ebene
  • Schweifreim

    (m.), Reimschema: aabccb; die Variante aabaab wird auch ›Zwischenreim‹ genannt.

  • semantischer Raum

    Begriff der strukturalen Erzähltheorie nach Jurij M. Lotman (Strukturalismus); Hintergrund: Lotman geht davon aus, dass räumliche Strukturen oft semantisiert werden, d.h., dass räumlichen Ordnungen zusätzliche, nicht-räumliche Merkmale zugeschrieben werden. Ein ›semantischer Raum‹ bezeichnet die Menge zusammen auftretender und untereinander korrelierter, für den Text relevanter, semantischer Größen, die bezüglich mindestens eines Merkmals in Opposition zu (mindestens) einer zweiten solchen Menge stehen (z.B. Stadt: Bürger, reich, krank, lasterhaft vs. Land: Bauern, arm, gesund, tugendhaft)

  • skaz

    kaum ins Deutsche übersetzbarer Terminus (von russ. ›skazat‹ = ›sagen‹); bei Boris Michaijlovic Eichenbaum (Formale Schule) gebrauchter Begriff, um die Erzählweise eines literarischen Textes zu beschreiben, die durch den ›persönlichen Ton‹ des fiktiven Erzählers gekennzeichnet ist; der skaz bezeichet den komischen Effekt, der sich aus der spezifischen Redeweise eines Textes ergibt (z.B. Sprachspiele, Kalauer, Alogismen)

  • Sonett
    das Sonett hat 14 Verse, zumeist unterteilt in zwei Quartette und zwei Terzette; die Reimform variiert, ist jedoch in der Regel mit zwei Reimen in den Quartetten und drei Reimen in den Terzetten realisiert, etwa: abba/ abba/cde/dce; in der dt. Dichtung des 17. Jh.s wird das Sonett mit dem Grundvers Alexandriner eingeführt; seit dem 18. Jh. verwendet man häufig 5-hebige gereimte Jamben
  • Sonett

    (n.), aus dem Italienischen stammende Gedichtform, Grundform: 14 Verszeilen, gegliedert in zwei vierzeilige Quartette als ›Aufgesang‹ mit nur zwei Reimen (umarmender Reim: abba abba oder Kreuzreim: abab abab) und zwei dreizeilige Terzette als ›Abgesang‹ mit urspr. ebenfalls nur zwei Reimen (cdc dcd). Dem Aufbau korrespondiert die innere Struktur von These (1. Quartett), Antithese (2. Quartett) und Synthese (Terzette); der Vers ist urspr. und meist ein Endecasillabo bzw. fünfhebiger Jambus, im Frz. und dt. Sonetten des Barock jedoch auch der Alexandriner. Die Reimschemata wurden, v.a. in den Terzetten, früh variiert; als ›deutsches Sonett‹ gilt die Erweiterung der Quartette auf vier Reime (abba cddc oder abab cdcd). Neben dieser strengen, ›petrarkistischen‹ Sonettform gibt es das englische oder Shakespeare-Sonett, das aus drei kreuzweise gereimten Quartetten und einem abschließenden Reimpaar, dem Couplet, besteht: abab cdcd efef gg.

  • Spondeus

    (m., Pl. Spondeen), antiker Versfuß aus zwei langen Silben (úú), auch als Daktylus oder Anapäst durch Zusammenziehung der beiden Kürzen zu einer Länge. Die Nachbildung von Spondeen in akzentuierender Metrik ist schwierig, da selbst bei annähernd gleicher Betonungsschwere zweier aufeinanderfolgender Silben doch meist eine den Hauptton trägt; Spondeen erscheinen in deutschen Nachbildungen so meist als Trochäen. Bsp.: Spríngquéll (vgl. Schillers Merkspruch unter Distichon).

  • Stabreim

    (m.), besondere Form der Alliteration in der germanischen Dichtung, gleicher Anlaut (vgl. dagegen Endreim) verschiedener, in jedem Fall aber bedeutungstragender Wörter (also Nomen und Verben). Es staben alle Vokale untereinander, die Konsonanten sowie die Konsonantengruppen st, sp, sk staben jeweils unter sich. Vgl. Stabreimvers.

  • Stabreimvers

    (m.), auch Alliterationsvers, durch den Stabreim bestimmter germanischer Vers aus einer Langzeile, die durch zwei Kurzzeilen gebildet wird, selten auch nur aus einer Kurzzeile (altnordischer Ljoðaháttr). Es staben durch Alliteration in der Langzeile meist die erste und zweite Haupthebung des Anverses (erste Kurzzeile), selten nur eine von beiden, und die erste Haupthebung des Abverses (zweite Kurzzeile). Bsp.: Welaga nû, waltant got / wewurt skihit (Hildebrandslied).

  • Ständeklausel
    bis zum Bürgerlichen Trauerspiel gültige Forderung, dass Figuren bestimmter Stände nur in der Tragödie (Adel), der Komödie (Bürger) bzw. der Pastorale, Posse (Bauern) agieren dürfen
  • Stanze

    (f.) auch Ottaverime, Oktave; ital. Strophenform aus acht Endecasillabi, im Deutschen aus acht fünffüßigen Jamben mit wechselndem männl. oder weibl. Versschluss (vgl. Kadenz) und strengem Reimschema aus zwei Terzinen und einem Reimpaar: aba bab cc. Dem Aufbau korrespondiert, ähnlich wie beim Sonett, die innere Struktur: Die beiden Schlussverse dienen der inhaltlichen Steigerung, Zusammenfassung o.ä.

  • Stasimon

    (n., Pl. Stasima) Standlied; meist strophisches, auf der Orchestra gesungenes Chorlied des antiken Dramas, das die einzelnen Schaupielszenen (Epeisodia) voneinander trennt. Vgl. auch Parodos, Exodos.

  • Stemma

    = ›Stammbaum‹; graphische Darstellung der Abhängigkeit verschiedener Textzeugen im Verfahren der klassischen Textkritik (Editionswissenschaft)

  • Stichomythie

    griech. ›stichos‹ = ›Zeile‹; ›mythos‹ = ›Rede‹; ›Zeilenrede‹: Dialog von Figuren, wobei Zeile für Zeile (bzw. Vers für Vers) ein Sprecherwechsel stattfindet; dient der rhetorischen Intensivierung

  • Strophe

    (f.), Zusammenfassung mehrerer, gleich oder verschieden gebauter Verszeilen zu einer metrischen Einheit. Seit der Antike gibt es eine Vielzahl verschiedener, durch bestimmte Metren, Versanzahlen, Versarten und Reimschemata bestimmte Strophenformen, vgl. etwa Stanze, Terzine.

  • Strukturalismus

    internationaler und interdisziplinärer Ansatz mit Wurzeln in der strukturalen Linguistik (Ferdinand de Saussure) sowie im Russischen Formalismus (Formale Schule). Man unterscheidet drei lokale Strukturalismen: a) den tschechischen Strukturalismus (u.a. Mukarovský); b) den französischen Strukturalismus (u.a. Lévi-Strauss, Genette, Barthes, Foucault); c) den sowjetischen Strukturalismus (u.a. Lotman). Wirkung in Deutschland seit den 60er Jahren. Die strukturale Methode versucht, die Gegenstände der nicht-naturwissenschaftlichen Bereiche als Systeme zu beschreiben und zu interpretieren; die Systeme (etwa: ein einzelner literarischer Text, eine Gattung, ein Gattungssystem, eine historische Epoche) stehen in komplexen Relationen zu ihren – wiederum als System beschreibbaren – Umwelten. In der Literaturwissenschaft unterscheidet man eine Vielzahl strukturalistischer Ansätze, darunter die strukturale Textanalyse (Titzmann), die strukturale Erzähltheorie (Lotman) und die strukturale Literaturgeschichtsschreibung.

  • Symbol

    (n.), bildhaftes Zeichen, das über sich selbst hinaus auf einen höheren, geistigen Bedeutungszusammenhang verweist. Im Gegensatz zur willkürlich gesetzten Allegorie ist die Beziehung zwischen Bild und Sinn im Symbol nicht rational auflösbar, sondern offenkundig, wenn auch oft nur vor einem gemeinsamen kulturellen Hintergrund verständlich, in dem das Symbol tradiert ist (Kreuz = Christentum, Taube = Frieden); das Symbol zielt statt auf den Intellekt eher auf eine Gefühlswirkung ab; und Symbole sind ganzheitlich, d.h. ihr Sinn addiert sich nicht aus ihren Bestandteilen (vgl. Allegorie). Das im Besonderen des Symbols durchscheinende Allgemeine lässt sich so meist nicht endgültig fassen und auf einen Begriff bringen; nach Goethe verwandelt die Symbolik die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, daß die Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe (in: Maximen und Reflexionen).

  • Symploke

    (f.) (auch: Completio oder Complexio, f.): ›Verflechtung‹, rhetorische Figur; Verbindung von Anapher und Ephipher.

  • Synekdoche
    Sonderform der Metonymie: das eigentlich Gemeinte wird durch ein Anderes, aus dem Bedeutungsfeld, ersetzt; die Ersetzung beruht zumeist auf einer Teil-
    Ganzes-Beziehung (pars pro toto oder seltener totum pro parte) ›Brot‹ für Nahrung
  • Systemtheorie

    neben dem Poststrukturalismus das derzeit prominenteste Theorie-Paradigma; im Wesentlichen von Niklas Luhmann (1927-1998) entwickelt; intendiert eine möglichst objektive Beschreibung von Sachverhalten in historischer Perspektive, d.h. im Hinblick auf geschichtliche Wandlungen; basiert auf der (sozialwissenschaftlichen) Beobachtung, dass sich Systeme ›ausdifferenzieren‹, d.h. sich gegenüber einer Umwelt strikt abgrenzen; so entstehen (Teil-)Systeme (z.B. Wirtschaft, Justiz, Kunst)

  • Teichoskopie
    gr. Mauerschau; Figurenschilderung einer nicht dargestellten gegenwärtigen Handlung, die sich ‚nebenan’ abspielt und von der Figur beobachtet wird (z.B. Schlachten, Greuelszenen)
  • Teichoskopie

    griech. ›teichoskopia‹ = ›Mauerschau‹; dramentechnisches Mittel, das entweder der Einbeziehung von auf der Bühne nicht oder schwer darstellbaren Ereignissen (z.B. Schlachten) oder der Steigerung der Affekt-Intensität dient; ein in erhöhter Stellung auf der Bühne stehender Beobachter berichtet den anderen Figuren und den Zuschauern von einem Geschehen, das sich außerhalb ihrer Sichtweite abspielt; während der Botenbericht vergangene Ereignisse schildert, bietet die Teichoskopie einen ›Live‹-Bericht über ein simultan zum Bühnengeschehen ablaufendes Ereignis

  • Terzine

    (f.), ital. Strophenform aus drei Endecasillabi, im Deutschen aus drei fünffüßigen Jamben mit meist weibl. Versschluß (vgl. Kadenz). Kennzeichnend für Terzinen ist der Kettenreimaba bcb cdc etc., wobei ein abschließender Vers sich mit dem mittleren Vers der letzten Terzine reimt: xyx yzy z.

  • Theaterwissenschaft
    Während die Literaturwissenschaft sich vornehmlich mit den Dramentexten beschäftigt, konzentriert sich die Theaterwissenschaft auf die tatsächliche Realisierung auf der Bühne, wo Aspekte der Inszenierung (Bühnenbild, Schauspieler etc.) hinzukommen
  • Tod des Autors

    von Roland Barthes (La mort de l’auteur, 1968) geprägter Begriff aus der poststrukturalistischen Text-Theorie (Poststrukturalismus); wendet sich gegen die herkömmliche Praxis der Literaturwissenschaft, bei der Frage nach dem Sinn eines Textes in erster Linie nach der ›Autor-Intention‹ zu suchen; Barthes’ poststrukturalistische Gegenthese lautet: Der Autor ist nicht die primäre Sinn-Instanz eines literarischen Textes, da der Text ein Eigenleben führt; die vermeintliche Autor-Intention bildet nur eine von vielen gleichermaßen legitimen Lesarten des Textes; daher geht der ›Tod des Autors‹ mit der ›Geburt des Lesers‹ einher.

  • Tragödie
    (Trauerspiel) Grundform des Dramas, bei dem der Zuschauer durch Erzeugung von Jammer (phobos) und Schaudern (eleos) von ebendiesen Gefühlen gereinigt werden soll (Katharsis); kennzeichnend sind (traditionell) hoher Stil und ein gehobenes Figureninventar (Ständeklausel); die Tragik (unverschuldete Schuld) bestimmt die Fallhöhe; z.B. Gryphius: Leo Armenius (1650); Schiller: Die Braut von Messina (1803)
  • Transtextualität

    (f.), von Gérard Genette geprägter Überbegriff zur Kennzeichnung intertextueller Bezüge von Texten. Genette unterscheidet 1. Intertextualität (i.e.S.) als Zitat, Anspielung oder Plagiat, 2. Paratextualität als Beziehung zwischen Paratexten und Text, 3. Metatextualität als Kommentar zu einem Text, 4. Hypertextualität als Transformation eines Hypotextes etwa in einer Parodie oder Nachahmung und 5. Architextualität als allgemeine Gattungsbezüge.

  • Travestie

    (f.), Nachahmung eines Werkes als Wiedergabe von dessen Inhalt in anderer, nicht dazu passender Form, oft in niederem Stil (umgekehrt: Parodie). Die Komik beruht auf der so entstandenen Diskrepanz zwischen Form und Inhalt. Vgl. auch Intertextualität.

  • Trimeter

    (m.), in der antiken Metrik Vers aus drei metrischen Einheiten. Da in der gr. Metrik die Dipodie schon je zwei Versfüße zu einer Einheit zusammenfasst, hat der gebräuchlichste und oft nur ›Trimeter‹ genannte, im gr. Drama häufige jambische Trimeter sechs Längen (uúuú/uúuú/uúuú) bzw. Hebungen, Bsp.: Bewúndert víel und víel geschólten, Hélená / Vom Stránde kómm ich, wó wir érst gelándet sínd (Goethe: Helena-Akt in Faust II). Im deutschen Drama gegenüber dem Blankvers selten.

  • Trochäus

    (m., Pl. Trochäen), antiker Versfuß aus einer langen und einer kurzen Silbe (úu), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus einer betonten und einer unbetonten Silbe (úu), z.B. eínzig (Ggs.: Jambus). Als achthebiger trochäischer Tetrameter in der Antike gebräuchlich, in dt. Dichtung v.a. als vierhebiger Vers, so der ›anakreontische Vers‹ bei Uz, Götz, Gleim, der ›spanische Trochäus‹ als Nachbildung des assonierenden Achtsilbers spanischer Romanzen (Herders Cid) und im Anklang an das spanische Drama (Calderon, Lope de Vega) bei Grillparzer sowie im romantischen Schicksalsdrama.

  • Trope

    dient dem ornatus; bezeichnet die Variante des uneigentlichen Sprechens, die sich auf ein Wort bezieht (vs. Figur); z.B.: Metapher, Antonomasie

  • Tropen
    Formen ›uneigentlichen‹ Sprechens: Tropen werden nicht im eigentlichen Sinne, sondern in einem übertragenen, bildlichen Sinne gebraucht; es besteht ein semantischer Unterschied zwischen Gesagtem und Gemeintem.
  • umarmender Reim

    (m.), auch umschließender Reim, Reimschema: abba (cddc), etwa in den Quartetten eines streng gebauten Sonetts.

  • ut pictura poesis

    lat. ›die Dichtung wie die Malerei‹; zentrale Idee aus Horaz’ De arte poetica: Übertragung der Prinzipien der Malerei auf die Dichtung, z.B. der Idee des Kunstwerks als einheitliches Ganzes (›unum‹)

  • Verfremdung

    russ. ostranenie; erzähltheoretischer Begriff aus dem russischen Formalismus (Formale Schule); durch Mittel der Verfremdung (oder Verseltsamung) wird die Aufmerksamkeit auf die Differenz der literarischen Rede gegenüber der Alltagssprache gelenkt; dadurch wird der spezifische Charakter literarischer Texte wahrnehmbar (literaturnost)

  • Vers

    (m.), metrisch gegliederte (im Extremfall als freier Rhythmus) und durch eine Pause am Versende (in neuzeitl. Lyrik zugleich Zeilenende) abgeschlossene Grundeinheit innerhalb des Gedichts, z.B. Dimeter, Trimeter,Pentameter, Hexameter, Alexandriner, Blankvers, Endecasillabo, Vierheber. Vgl. auch Metrik. Aus der Kirchensprache leitet sich der umgangssprachl., literaturwiss. jedoch falsche Gebrauch von ›Vers‹ als Synonym für Strophe her.

  • Versdrama
    in Versen geschriebenes Drama; bis ins 18. Jh. Norm; daher verwendet man den Begriff V. erst für Dramen seit dem 19. Jh.; z.B. Hofmannsthal: Der Tor und der Tod (1893)
  • Versfuß

    (m.), auch Metrum, feste Abfolge mehrerer, nach Quantität oder Akzent bestimmter Silben als kleinste metrische Einheit eines Verses; die vier wichtigsten Versfüße der dt. Dichtung sind Jambus, Trochäus, Daktylus oder Anapäst.

  • Versfuß
    kleinstes metrisch relevantes, aus zwei oder mehr Silben bestehendes Element eines Versmaßes (I) gebräuchliche Versfüße in der dt. Dichtung: Trochäus, Daktylus, Jambus, Anapäst
  • Versmaß

    (auch: Metrum) reguliertes metrisches Aufbauprinzip einer Versart, gebräuchliche Versmaße in der dt. Dichtung: Alexandriner, Blankvers, Hexameter, Pentameter

  • Vierheber

    (m.), auch Viertakter, Vers mit vier Hebungen, in alternierendem Wechsel von Hebung und Senkung oder mit freier Senkungsfüllung, mit freier oder festgelegter Kadenz, mit und ohne Auftakt; Grundvers der akzentuierenden dt. Dichtung (vgl. Metrik), etwa in der Langzeile der germ. Stabreimdichtung, in alt- oder mittelhochdeutschem Reimvers, im Knittelvers und in der Volksdichtung.

  • vraisemblance

    frz. ›Wahrscheinlichkeit‹; Element der doctrine classique; Verpflichtung des Dramas auf ›Wahrscheinlichkeit‹, d.h. auf die Illusion von ›Wahrheit‹; erkennbar an kausaler Motivierung und rationaler Kontrollierbarkeit

  • Zeugma, semantisches

    (n.): rhetorische Figur der Wortauslassung, Sonderform der Ellipse; Verbindung zweier (oder mehrerer) semantisch unverträglicher Satzteile durch dasselbe Wort, das also eigentlich zwei Mal (oder öfters) gesetzt werden müsste. Beispiel: Er verlor die Aktentasche und die Beherrschung.